Harakiri for the Sky/Karg – J.J. im Interview
Interview mit J.J. von Harakiri for the Sky/Karg
Seit vielen Jahren beschert uns unser Nachbarland Österreich immer wieder erstklassige Bands wie bspw. Dornenreich, Belphegor, Summoning oder The Sorrow. Diese sind aber bloß die Speerspitze der dortigen Metal-Szene und können als Aushängeschilder ihres jeweiligen Genres gesehen werden. Zoomt man etwas an Salzburg und Wien heran, materialisieren sich Bandnamen, die man mittlerweile ebenfalls auf dem Schirm hat. Steil, SEHR steil, aufstrebende Bands wie Anomalie, Harakiri for the Sky und Karg, allesamt im s.g. Post-Black-Metal zu Hause (wenn man denn etwas auf Genre-Einordnungen gibt) sind im Land der idyllischen Bergdörfer, des rauen Alpenterrains und der kaiserlichen Geschichte Oasen intensiver, mitreißender Musik.
Nun hatte ich die Chance, J.J. von Harakiri for the Sky etwas auf den Zahn zu fühlen und konnte einiges zu Einflüssen, Emotionen & Projekten herausfinden.
J.J., vielen Dank für die Gelegenheit, einen etwas tieferen Blick in deine stetig wachsenden musikalischen Welten werfen zu dürfen.
Zum einen bist du bereits seit nahezu 12 Jahren Mastermind von KARG, zum anderen mit HARAKIRI FOR THE SKY aktuell gefragter denn je. Wie bist du zur Musik gekommen und gab es ein Schlüsselerlebnis, das zur Gründung von KARG geführt hat?
J.J.: Zur Musik bin ich eigentlich ganz klassisch gekommen. Eine meiner älteren Schwestern hat Rock und Metal gehört. Eine meiner ersten musikalischen Erinnerungen ist Alphaville, das dürfte in der Volksschule gewesen sein. Mit 11-12 kamen dann Bands wie Nirvana, Pearl Jam, Misfits und Konsorten dazu. Misfits und Nirvana waren so was wie Schlüsselerlebnisse, denn nach diesen beiden Bands war ich wirklich fanatisch und bin es teils heute noch. Auch Hardcore habe ich zu dieser Zeit schon viel gehört. Irgendwann habe ich dann alte Kassetten meiner Schwester gefunden, hauptsächlich selbst zusammengestellte Death und Thrash Metal Sampler der frühen 90er Jahre. Sie selber hat sie eher weniger gehört, aber wohl ihr damaliger Freund. So kam ich mit Bands wie Death, Sepultura, Kreator und so weiter in Berührung. Was Black Metal betrifft, so dürfte das wohl in den Monaten um die Jahrtausendwende passiert sein. Meine ersten richtigen Black Metal Alben waren Nocte Obductas „Galgendämmerung“, welche ich mir damals blind wegen des Covers gekauft habe, und Dornenreichs „Nicht um zu sterben“. Beide auch heute noch Klassiker. Weiter ging es dann mit Burzum, Darkthrone und ähnlichem, der ganz normale Wahnsinn eben, bis man irgendwann nur noch Sachen gehört hat, die kein Schwein kennt. Heute ist es alles Mögliche, von Indie über Post Rock, bis Shoegaze und Sing & Songwriter. Gitarren-Musik eben. Der Fokus liegt aber nach wie vor im Black Metal.
Wir haben Harakiri for the Sky an einem feuchtfröhlichen Abend in meinem WG-Zimmer gegründet
Mit M.S., der dich anfangs bei KARG begleitet hat, verbindet dich eine innige Beziehung auf musikalischer Ebene. Warst du enttäuscht, als er dir den Rücken kehren wollte, oder war es zu dem Zeitpunkt bereits ein Thema, dass du später zu HFTS stoßen würdest?
J.J.: Er hat mir nie den Rücken gekehrt. Als das mit HFTS begonnen hat, war er noch in beiden Bands. Und ich weiß nicht, wo die Leute immer diese Info hernehmen, ich wäre irgendwo dazu gestoßen. Wir haben HFTS an einem feuchtfröhlichen Abend in meinem WG-Zimmer gegründet, irgendwann kurz vor Ende 2011. Der Name ist z.B. auch von mir. Kann schon sein, dass Matthias zu diesem Zeitpunkt schon einige Songideen hatte, aber wir haben das von Anfang an gemeinsam gemacht. Einzig unsere Stellungen in der Band, er Songwriter, ich Texter und Sänger, waren von Anfang an klar definiert. Dass er nicht mehr bei Karg spielt, hat schlichtweg den Hintergrund, dass wir mit Karg in Salzburg proben, und ich keinen Bock mehr habe, Leute von außerhalb in der Band zu haben, da so schon alles immer kompliziert genug ist mit 5 Leuten in einer Band. Zu den HFTS-Proben komme ich nach Wien, da ich dort auch nach wie vor mein WG-Zimmer habe und bleibe dann 1-2 Tage.
Schubladen-Denken
Beide Bands lassen sich ja eindeutig in die Schublade des s.g. Post-Black-Metal einordnen auch wenn mir dieses ständige, eigentlich „typisch deutsche“, Schubladen-Denken sehr missfällt. Wir dürfen nämlich nicht vergessen, dass du mit SEAGRAVE, ebenfalls als Solo-Projekt, im Jahr 2015 den Kracher „Stabwound“ veröffentlicht hast. Stilistisch differenziert zu KARG, aber mit einer nicht zu verleugnenden Nähe zu HFTS. Also mit welcher Absicht hast du SEAGRAVE ins Leben gerufen? Wolltest du den (zugegeben kleinen) Spalt zwischen den „Hauptbands“ damit schließen und hegst du dbzgl. weiterhin Pläne?
J.J.: Ja… die Seagrave-Geschichte. Ursprünglich war die Idee, mit diesem Projekt mehr in die Richtung Blackened Hardcore zu gehen, auch mit Crust-Einflüssen usw. Auch hatte ich zu dieser Zeit einen ziemlichen Überschuss an englischen Texten, weshalb da eines zum anderen führte. Ich habe schon ein paar Ideen im Kopf, gerade habe ich aber einfach weit mehr Bock auf Karg, weshalb mein nächstes Projekt sicherlich ein neuer Karg Output sein wird. Aber sag niemals nie… Vielleicht wird’s ja noch was mit einem 2. Seagrave-Album.
Egal ob „Stabwound“ oder die KARG-Langspieler „Weltenasche“ & „Dornenvögel“: Du präsentierst uns unglaublich komplexe und leidenschaftlich ehrliche Songs in, für diesen Stil, perfektem Soundgewand. Woraus ziehst du diese Kreativ-Energie? Brauchst du eine gewisse Motivation, um dich im Alltag für Songwriting & Recording ausklinken und begeistern zu können? Oder lechzt du förmlich danach, die Gitarre in die Hand zu nehmen und damit negativen Gedanken & Einflüssen schnellstmöglich ein Ventil geben zu können?
J.J.: Danke für die Blumen. Ich weiß nicht, bei mir läuft da viel episodenweise ab. Es gibt Wochen, da spiele ich jeden Tag 1-2 Stunden Gitarre. Das kündigt sich nicht an, das passiert einfach. In diesen Wochen entstehen natürlich auch die meisten Riff-Ideen. Generell hilft es mir natürlich, wenn ich dabei nicht zu viel anderen Kram im Kopf habe, da das natürlich alles ablenkt. Bei Texten sammle ich eigentlich rund um die Uhr Ideen, welche ich dann, wenn die Zeit reif ist, zusammentrage und Psalter daraus forme. Dabei war ich noch nie nüchtern, da vor allem Alkohol dabei hilft intuitiv vorzugehen, und Ideen nicht zu sehr zu „zerdenken“.
Dornenvögel am Himmel
Fast auf den Tag genau nach 2 Jahren wurde nun am 16. November das neue KARG-Album „Dornenvögel“ veröffentlicht. Generell scheint es der für dich entspannte Zeitraum für einen Release-Prozess zu sei. Hast du dir dies so geschworen oder war es bisher Zufall? Gibt es dbzgl. Vereinbarungen mit AOP Records?
J.J.: Nein die gibt es natürlich nicht, aber es sieht so aus, als wären zwei Jahre einfach genau die Zeitspanne, die ich brauche, um ein neues Album zu erarbeiten.
Wie ist der Album-Titel „Dornenvögel“ entstanden?
J.J.: Das kann ich dir leider nicht mehr sagen, der war auf einmal da. Genauso wie alle anderen Titel zuvor. Für mich ist metaphorisch gesehen jeder einzelne Song „ein Dornenvogel“, und behandelt seine eigene Geschichte. „Dornenvögel“ wäre also in diesem Zusammenhang schlichtweg der Überbegriff.
Heimatliebe keimt bei mir meist so um 20:15 Uhr auf.
Ob Deutsch, Englisch oder Österreichisch: Du legst dich bei all deinen Projekten nie wirklich auf eine Sprache fest. Wechselst gar innerhalb eines Songs. Wie fällst du diese Urteile? Bauchgefühl? Plötzlich aufkeimende Heimatliebe?
J.J.: Hahaha, ja genau. Die keimt bei mir meist so um 20:15 Uhr auf. Nein, Spaß beiseite. Meistens war an den Stellen, wo zwischen den dialektalen Texten hochdeutsche Phrasen auftauchen der Einsatz für einen deutschsprachigen Gastsänger gedacht, wie etwa auf „Le couloir des ombres“ vom letzten Album, wo Evae von Vargnatt hätte singen sollen, mir dann aber aus irgendeiner schrägen Form von Desinteresse, trotz eigentlicher Übereinkunft, nie eine Gesangsspur geschickt hat. Was dann schließlich bleibt, ist meine eigene Gesangsspur, welche in der Urversion mit den deutschen Guide Vocals aufgenommen wurde, damit die Gastsänger wissen, was und wo sie zu singen haben. So kommen diese Deutsch/Dialekt Mash-ups normalerweise zustande.
Kommen wir in diesem Zusammenhang zum allseits beliebten, aber oft schwer zu beantwortenden Thema „Einflüsse“. Kannst du spontan Bands/Künstler nennen, die dich bereits seit „Von den Winden der Sehnsucht“ bis zur Gegenwart durchgehend inspirieren? Spielen Genre-Kollegen wie bspw. Agrypnie, Heretoir, Deafheaven oder Alcest eine Rolle? Kannst du dich trotz tiefer Metal-Wurzeln auch für Pop-Musik, die im Radio gespielt wird, begeistern?
J.J.: Agrypnie schon gewissermaßen. Eher sind das aber so Bands wie Austere, Nyktalgia, Svarti Loghin, Nehemah oder Lifelover. Deafheaven… naja, also mit dem neuen Album kann ich leider nicht mehr viel anfangen, auch wenn es bei weitem besser ist als die letzte Ghost Bath. Fuck, Iron Maiden Solos in Black Metal Nummern? Wieso? Ursprünglich war ich jedoch schon riesiger Deafheaven Fan, vor allem von „Sunbather“ und dem Demo. Und nein, ich kann mich nicht für Popmusik begeistern. Bei Indie und Sing & Songwriter Zeug, das über so Gruppen wie First Aid Kid oder Fleet Foxes hinausgeht, hört der Spaß auf. Aber bis dahin schon, ja.
Explodierende Songs
Gerade der Post-Black-Metal mit seinen vielen „bunten“ Facetten, zusammengesetzt aus Postrock, Post-Hardcore und ziemlich viel Atmosphäre erzeugt in bemerkenswerter Weise Emotionen höchsten Grades. Das konnte ich bei Konzertbesuchern (u. a. HFTS oder Heretoir) und auch an mir persönlich beobachten. Woran meinst du, liegt das? Am oft langsam ansteigenden Intensitätsgrad bis zum explodierenden Höhepunkt oder an den melancholischen Melodien?
J.J.: Definitiv. Die lang aufbauenden Songs, die irgendwann explodieren, schüren schließlich minutenlang die Energie des Hörers, die sich ja auch irgendwo entladen muss. Das ist es auch was den Post Black Metal so intensiv macht. Und natürlich das Nebeneinander von stark verhallten, oft cleanen Delay Gitarren und den wüsten, oft meditativen Rhythmusgitarren. Natürlich trägt aber auch die sich stätig verbessernde Aufnahmequalität in dieser Sparte zur Entwicklung des Post Black Metal bei.
Viele Anhänger deiner Werke wünschen sich sicherlich eine Rückkehr KARGS auf die Bühnen. Kannst du absehen, ob dies in naher Zukunft Wirklichkeit werden könnte?
By the way: Warst du eigentlich sehr enttäuscht, mit HFTS nicht die Asien-Reise antreten zu können?
J.J.: Karg gibt’s eh auch live wieder, zwar nicht allzu oft aber z.B. nächstes Jahr am Dark Easter Metal Meeting in München. Und ja, das mit China war für mich nicht gerade das Jahreshighlight, ganz im Gegenteil.
Auch ich springe auf den populären Ranking-Zug: Welche Alben zählst du bis dato zu deinen All-time-Top-Five?
Modern Life is War – Witness
Lântlos – .neon
Fall of Efrafa – Elil
Gold Kids – The Sound of Breaking Up
Oathbreaker – Eros/Anteros
Das ist aber natürlich nur ein ganz ganz grober Überblick…
Zum krönenden Abschluss dieses Interviews (und auch Jahres) möchte ich gerne von dir ein paar persönliche Highlights aber auch Niederlagen aus 2018 erfahren. Hast du schon konkrete Pläne für 2019 und welche Botschaft möchtest du den Menschen da draußen mitgeben?
J.J.: Naja, da gab‘s einige. Neue Alben zu veröffentlichen ist natürlich immer ein Highlight und sicherlich auch das erste Karg Konzert nach 5 Jahren. Auch dass ich heuer zwei Wochen in den Rocky Mountains war, war sicherlich ein Highlight. Niederlagen definitiv China und das mein Hund vor zwei Wochen gestorben ist. Konkrete Pläne gibt’s nicht, bringt eh nix, Pläne zu schmieden, kommt eh alles anders…
Vielen Dank für das Interview!
Weitere Infos findet Ihr hier:
Harakiri for the Sky: FACEBOOK
Karg: FACEBOOK
Seagrave: FACEBOOK
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Bildquellen
- HFTS_JJ-2_2018: Michael Kogler
- HFTS_JJ_2018: Michael Kogler
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