Der Gästebeirat des RockHarz – denn die Fans gestalten mit

Ein Metal-Festival ist mehr als nur Musik, Bier und Camping – es lebt von der Gemeinschaft. Das ROCKHARZ Festival geht seit 2019 einen besonderen Weg und gibt seinen Fans eine direkte Stimme: mit dem Gästebeirat. Jedes Jahr treffen sich 10 bis 20 Festivalbesucher*innen mit den Veranstaltern, um über Verbesserungen und neue Ideen zu diskutieren. Dabei wurden bereits viele Vorschläge umgesetzt, von besseren Wegen und Parkplätzen bis hin zum beliebten Inklusionscamp.
Doch wie funktioniert diese Zusammenarbeit zwischen einem kommerziellen Festival und seinen Gästen wirklich? Wo gibt es Grenzen, und wie viel Mitbestimmung ist überhaupt möglich? Kai Wilhelm, der für den Bereich Presse & Kommunikation beim ROCKHARZ zuständig ist, gibt im Interview Auskunft darüber, welche Ideen der Gästebeirat eingebracht hat, welche Herausforderungen es gibt – und ob dieses Modell auch für andere Festivals taugt.

Festival und Gästebeirat – wie passt das zusammen?
MH: Das ROCKHARZ Festival ist ein kommerzielles Event mit einer klaren Organisationsstruktur von oben nach unten. Gleichzeitig bezieht ihr mit dem Gästebeirat die Fans aktiv in die Planung ein. Wie passt das zusammen?
KW: Nun, das ROCKHARZ ist ja ein über 35 Jahre organisch gewachsenes Festival und kein am Reißbrett entworfenes „Projekt“. Uns ist es von Anfang an wichtig gewesen ein Festival zu organisieren, welches klar auf die Bedürfnisse unserer Gäste ausgerichtet ist. Letztendlich machen wir das Ganze ja nicht für uns, sondern für eben unsere Besucher. Während es bei einer Größenordnung von beispielsweise 2000 Besuchern noch möglich gewesen ist auf alles mögliche ein Auge zu haben, direkt mit den Leuten vor Ort zu sprechen und selbst verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, gestaltet sich das schwieriger je größer die Kapazität ist. Das liegt einfach in der Natur der Sache. Mit 15 000, 20 000 oder jetzt 25 000 Gästen und der damit anfallenden Arbeit vor Ort ist es als Veranstalter schwierig alle Blickwinkel, Erfahrungen und Bedürfnisse aus Sicht eines Besuchers nachvollziehen zu können. Menschen sind nunmal verschieden, und unser Ansporn war es von jeher ein Festival auf die Beine zu stellen, bei dem sich jeder willkommen und berücksichtig fühlt, denn ohne unsere Gäste gäbe es wahrscheinlich kein ROCKHARZ, zumindest nicht in dieser Größenordnung. Wir haben immer schon versucht Feedback zu sammeln und uns intern damit auseinander zu setzen. Ganz früher ging das noch per Handschlag mit nahezu jedem einzelnen Gast auf dem Gelände, dann war unser Internet-Forum ein stark frequentierter Anlaufpunkt, welches später durch die zunehmenden Social-Media-Plattformen abgelöst wurde. Auch hier lesen wir nahezu alle Beiträge und lassen sowohl Lob als auch Kritik in unsere Planungen einfließen. Es hat sich aber herausgestellt, dass der direkte Kontakt und Austausch mit Besuchern immer am fruchtbarsten ist und die meisten konstruktiven Erkenntnisse liefert, weshalb wir den Gästebeirat ins Leben gerufen haben um eine zusätzliche Basis für diesen Austausch zu schaffen.

Gästebeirat des ROCKHARZ: Erfolgsstorys
MH: Welche konkreten Themen haben die Gäste in der Vergangenheit eingebracht, die ihr als Veranstalter vielleicht nicht selbst auf dem Schirm hattet? Gab es Überraschungen?
KW: Ganz konkret ist z.B. das Inklusionscamp in seiner jetzigen Form ein Ergebnis des Gästebeirats. Wir hatten zwar schon lange einen Campbereich in welchem wir z.B. barrierefreie WCs und Duschen bereitgestellt haben, aber der Umfang an weiterem Bedarf und potentiellen Verbesserungen – und auch die damit verbundenen Möglichkeiten – hat sich in der jetzigen Form erst ergeben, nachdem wir Betroffene zu unserem Gästebeirat eingeladen haben. Man muß aber gar nicht auf solch umfangreiche Dinge blicken, auch ganz einfache Belange konnten wir durch den Austausch mit dem Gästebeirat verbessern. Zum Beispiel Campbereiche die ungenügend ausgeleuchtet waren, oder die Positionierung von WC Camps, die an einer Stelle auf dem Platz mehr als ausreichend waren, während anderswo ein Engpass bestand. Das Schaffen von zusätzlichen Wasserstellen, Schattenplätzen, die Auswahl an Food/Non-Food Ständen, der Ablauf von Reservierungen oder generell des Ticket-Vorverkaufs, nahezu alles was die Leute auf dem Campingplatz bewegt wird auch im Gästebeirat diskutiert. Im übrigen ist auch die Idee eines ROCKHARZ Maskottchens im Gästebeirat entstanden als dessen Ergebnis wir nun unseren Hirschbert haben. (lacht)

Mitbestimmung ist ein großes Wort
MH: Mitbestimmung ist ein großes Wort – am Ende muss ein kommerzielles Festival aber auch wirtschaftlich tragfähig bleiben. Wo liegt die Grenze zwischen dem, was die Gäste wollen, und dem, was umsetzbar ist? Gab es schon Konflikte?
KW: Konflikte in der Form eher nicht. Frei nach dem Motto „Es gibt keine dummen Vorschläge“ hören wir uns erstmal alles an, was uns angetragen wird. Wir setzen nicht voraus, dass jeder Gast sich über die Tragweite, Machbarkeit oder Kosten von Ideen und Vorschlägen im Klaren ist, aber genau dafür gibt es ja unsere Beiratstreffen. Wir hören zu und erörtern dann was man evtl umsetzen kann, was möglich – und auch was nicht möglich ist weil z.B. die nötige Infrastruktur nicht vorhanden ist, oder weil Kosten und Nutzen in einem ungesunden Verhältnis zueinander stehen. Hierbei legen wir in den Beiratstreffen auch transparent offen, wie wir arbeiten und was potentielle Änderungen z.B. an Aufwand und Kosten verursachen, und stellen im Anschluss nochmal die Erkenntnisse gegenüber. Oft ist es uns als Veranstalterteam im konstruktiven Austausch möglich, einen Kompromiss zwischen „must have“ und „nice to have“ Vorstellungen zu erarbeiten und anzubieten.

Gästebeirat: Was das ROCKHARZ kritischen Stimmen entgegnet
MH: Kritische Stimmen könnten sagen, dass ein Gästebeirat am Ende nur ein „symbolisches“ Gremium ist, weil die Veranstalter letztlich allein entscheiden. Was entgegnet ihr solchen Stimmen?
KW: Wie schon erläutert ist der Gästebeirat bei uns ja nicht im luftleeren Raum entstanden, oder weil irgendjemand das für eine hippe Idee gehalten hat. Der Beirat entstand in einem Prozess, um den Austausch mit Gästen zu ermöglichen, den wir von unserer Seite aus immer gesucht haben, einen Rahmen zu geben, auch – und vor allem – weil uns dieser Austausch selbst vorwärts bringt. Am Ende profitieren wir auch als Veranstalter von diesem Austausch, was einer reinen Symbolpolitik widerspricht. Wir sind uns sicher, dass die Entwicklung, die das ROCKHARZ in den letzten Jahren genommen hat, in diesem Rahmen nicht möglich gewesen wäre, wenn wir nicht bestrebt gewesen wären, die Meinung und den Austausch mit unseren Gästen in unsere Entscheidungen mit einfließen zu lassen. Für uns sind die regelmäßigen Treffen mit dem Beirat nicht zuletzt auch ein Stimmungsbarometer für das, was den Gast bewegt. Vielleicht wäre es für uns ja eine schöne Einnahmequelle ein Zirkuszelt, Streichelzoo und Riesenrad auf den Platz zu stellen? Also mal fantasiert – nicht dass wir das jemals in Erwägung gezogen hätten (lacht) – wir stellen diesen Vorschlag im Gästebeirat zur Diskussion: Wenn die Hälfte der Leute fassungslos den Kopf schüttelt, weil sowas auf dem ROCKHARZ „keiner braucht“ – dann ist für uns klar, dass wir auf derartige Gimmicks verzichten. Wenn die Mehrheit im Gästebeirat bereit ist lieber 50 Cent mehr für’s Bier zu zahlen, anstatt 20 wild blinkende Werbetafeln im Infield aufzustellen, dann nehmen wir das als Gewicht in unsere Entscheidungsfindung genauso auf, wie, also rein beispielhaft, eine pauschale Preiserhöhung von XX,- Euro pro Ticket, um damit ausschließlich die Kosten für eine LED-Wand für die Übertragung von Bühnenbildern zu finanzieren. Natürlich obliegt die letztendliche Entscheidung uns, aber wir würden die Zeit und den Aufwand für die Betreuung eines Gästebeirats nicht investieren, wenn es uns egal wäre, was deren Anliegen sind. Wir sind am Ende immer noch ein kleines, überschaubares Kernteam, welches es sich als mittelständisches Familienunternehmen gar nicht leisten kann, Entscheidungen komplett ohne Berücksichtigung der Anliegen unserer Gäste zu treffen.

Ist ein Gästebeirat ein übertragbares Modell?
Glaubt ihr, dass sich dieses Modell auch für andere Festivals eignet, oder ist es etwas, das speziell zum ROCKHARZ passt?
Ich weiß ehrlich gesagt überhaupt nicht, ob es solche oder ähnliche Modelle bei anderen Festivals gibt. Es steht uns auch nicht zu, die Notwendigkeit für andere Veranstalter zu beurteilen. Es gibt da draußen sehr viele gute Festivals und Open Airs, die jeder für sich einen für sie funktionierenden Weg gefunden haben, eine großartige Veranstaltung auf die Beine zu stellen. In dem Fall schauen wir einfach nur auf uns, und für uns hat sich eben dieses Modell und Vorgehensweise bewährt, die – wie schon erwähnt – über Jahre gewachsen ist und sich entwickelt hat.

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Bildquellen
- ROCKHARZ_Gaestebeirat-2025_Jens-Hecker_10.jpg: Presse & Kommunikation | ROCKHARZ
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