ÁRSTIÐIR LÍFSINS: Hermalausaz
ÁRSTIÐIR LÍFSINS mit EP „Hermalausaz“
Die deutsch-isländische Band ÁRSTIÐIR LÍFSINS hat am 21.12.2023 eine EP mit dem Titel „Hermalausaz“ herausgebracht.Seit ihrer Gründung 2008 haben ÁRSTIÐIR LÍFSINS bisher fünf Alben und drei EPs veröffentlicht.
Heute besteht die Band aus Marsél Dreckmann (Erzähler, Vocals) Stefán Drechsler und Árni Bergur Zoëga (Instrumente und Vocals).
ÁRSTIÐIR LÍFSINS lassen Folk- und Ambient-Elemente in eine Black Metal Struktur einfließen und nutzen neben den genretypischen auch klassische Musikinstrumente. Die Vocals reichen von gutturalem Gesang zu Chorgesang und Erzählung. In den Texten geht es um Themen der nordischen Sagenwelt. Daher ist es stimmig, dass die Texte in Altnordisch verfasst sind.
Zuletzt haben sie „Saga Á Tveim Tungum I und II“ (2019 und 2020) herausgebracht. Hier erzählen sie die Geschichte zweier fiktiver Geschwister im Norwegen des frühen 11. Jahrhunderts.
Hermalausaz: Ýrr und Þistill
Die jetzt veröffentlichte EP „Hermalausaz“ besteht aus zwei Stücken, jeweils mit einer Spielzeit von ca. 20 Minuten. Stücke mit einer solchen Länge brauchen eine gute Struktur und einen Spannungsbogen. Dies ist ihnen durch ein konsistentes und dennoch abwechslungsreiches Songwriting gelungen.
Sie verbinden dunklen, peitschenden Metal mit akustischen Elementen und garstige, keifende Vocals mit majestätischen Chören zu einer dichten und einnehmenden Atmosphäre. Dabei ist der Wechsel zwischen den Stilelementen fließend.
Die Texte zu den beiden Stücken „Ýrr“ und „Þistill“ sind sowohl von skaldischen Gedichten der Edda als auch von Inschriften auf Runensteinen inspiriert. „Hermalausaz“ z.B. ist ein Teil der Inschrift des Stentofenten-Runesteins.
Wache auf, Ýrr, ich wecke dich an den Türen der Toten
„Ýrr“ beginnt mit dem sanften Rauschen von Wellen, die ans Ufer schlagen. Akustische Gitarrenklänge gehen über in schwere Akkorde. So baut sich mit den zunächst zurückhaltenden Drumms eine Atmosphäre auf, in die man sacht hineingezogen wird.
Wenn dann die tiefen und dunklen Vocals einsetzen, ist man mitten in der Geschichte. Tempo und Intensität steigern sich, das Drumming und auch die Vocals werden aggressiver.
Einige Textzeilen stammen aus dem Zauber von Gróa (Grógaldr), dem Lied von Atli (Atlamál in grænlenzku) und Baldurs Träumen (Baldrs draumar). Alle eher düster, unheimlich, über dunkle Zauber und Albträume. Auch wenn man den Text nicht versteht, spürt man doch die Klagen, die Unsicherheit, die in eine Mischung aus Wut und angstvolle Fragen übergeht.
Weiter geht es mit vielschichtig angelegten schwarzmetallischen Passagen, die von wütenden Drumms und schnellen Riffs geprägt sind. Leidenschaftlicher Gesang, mächtige Chöre, keifende Klagen und melancholische Wehmut. Und immer wieder ruhige, akustische Passagen, mit wunderschönen Melodien. Streichinstrumente intensivieren die Wärme dieser Momente. Ab 18:25 entwickelt sich eine Melodie, die mit „Long er for/ Lang ist die Reise“ in einen Chorgesang mündet, der mir einen Ohrwurm verschafft hat.
Das Ende knüpft an den Anfang an: ruhig laufen die Wellen auf den Strand.
Þistill – den Höllenhund bekämpfen
Der dramatische Beginn mit bissigem Gesang ist dem erwähnten Höllenhund angemessen. Die rhythmischen Strukturen haben etwas Tosendes und Treibendes.
Der mehrstimmige Gesang betont einerseits diese Wildheit und Kraft, sorgt aber gleichzeitig dafür, dass die Atmosphäre dunkler und bedrückender wird. Die folgende akustische Passage klingt unheilvoll, man hört den Schrei des Sturms.
Im Mittelteil wird es ruhiger, mit feinen Melodien. Kraftvoll und marschierend geht es weiter. Die Verzweiflung, die daraus hervorklingt, verschafft mir Gänsehaut.
Der abschließende akustische Teil fasst die Dramatik und Traurigkeit, das Einlassen auf das Schicksalhafte zusammen, bis der Song ruhig, aber auch beschwörend endet.
Wieder mit Tiefe und Vielschichtigkeit, in der die altnordische Geschichte lebendig wird
„Hermalausaz“ ist ein großartig geworden. Hier verbinden sich Black Metal, Folk, Ambient und Elemente klassischer Musik zu einem vielschichtigen Klang. Die Komplexität sowohl der Musik als auch der Gestaltung der Texte macht die Faszination und Anziehungskraft aus.
ÁRSTIÐIR LÍFSINS nehmen uns mit auf eine Reise durch (Alb)Träume und (innere) Auseinandersetzung, durch Höhen und Tiefen.
ÁRSTIÐIR LÍFSINS haben sich, obwohl sie an der Grundstruktur nichts verändert haben, immer weiterentwickelt. Das Drumming ist komplexer geworden, der Einsatz klassischer Instrumente hat zur Vielschichtigkeit beigetragen und die verschiedenen Möglichkeiten der Vocals, des Chorgesangs noch differenzierter genutzt. Das setzt sich mit „Hermalausaz“ fort.
Strophen aus verschiedenen Teilen der Edda zu nehmen und sie in eine eigene Erzählung einzubinden, ist eine Möglichkeit, sich den Themen und Texten von einer anderen Seite her zu nähern. Der tiefe volle Gesang verleiht den so gesungenen Zeilen eine besondere Schönheit. Dass sie dabei konsequent das Altnordische genutzt haben, erschwert nur auf den ersten Blick den Zugang, da die Musik auch für sich ‚spricht‘.
„Hermalausaz“ wird für alle, die ÁRSTIÐIR LÍFSINS bereits kennen, ein Genuss sein. Und denjenigen, die sie bisher nicht kennen: „Hermalausaz“ lohnt sich – sowohl für Black Metal Fans als auch diejenigen, denen eher Folk-Elemente im Metal gefallen.
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Bildquellen
- árstiðir lífsins: Archerontic Arts
- AL_Hermalausaz_1: Archerontic Arts
- árstiðir lífsins hermalausaz: Archerontic Arts
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