HERETOIR „Solastalgia“ Review

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Genre: Post Metal
Release: 19.09.2025
Label: AOP Records
HERETOIR (Facebook) wollte ich unbedingt in meiner Review-Liste mit aufnehmen, da sie mich mit ihren bisherigen Singles sehr beeindruckt hatten. Freunde von leichten eingängigen Songs brauchen gar nicht weiterlesen, denn die Musik von HERETOIR ist weit davon entfernt. In extremer Form wird hier mit einer emotionalen Tiefe gearbeitet, die man nicht nur konsumieren, sondern auch begreifen und reflektieren muss. Also ist das Hören dieser Songs nicht ein schneller Snack, sondern ein Prozess, der Aufmerksamkeit erfordert. „Solastalgia“ ist bereits das sechste Album der Band, welches sich mit der Trauer über den Verlust der natürlichen Umwelt und der Zerrissenheit des modernen Menschen auseinandersetzt. Der Begriff „Solastaligia“ beschreibt also den Schmerz über ökologische und gesellschaftliche Krisen. Schwere Kost, die in epischen ausufernden Songs in über 60 Minuten ausgebreitet wird.
Das triste Cover Artwork gibt Rätsel auf. Was für ein Tier ist darauf zu sehen? Ist es ein prähistorischer Raubvogel? Was trägt er in seinem mächtigen Schnabel? Eine abgetrennte Gliedmaße? Wie auch immer, es ist ein ungewöhnliches Motiv und bietet Spielraum für allerlei Interpretationen.
Das Thema wird auch explizit im Song „The Ashen Falls“ angesprochen, dass in gewisser Weise die Ohnmacht des Menschen im Angesicht der Zerstörung des menschlichen Umfelds, sprich die Ausbeutung und Vernichtung des natürlichen Habitats. Aber auch das allgemeine menschliche Miteinander oder vielmehr Gegeneinander mit Lügen, Täuschung und Gewalt führt zu einer existenziellen Leere.
Musikalisch sind HERETOIR schwer zu fassen. Denn auch wenn wir uns im extremen Metal mit maximaler Ausdruckskraft, so greifen hier viele musikalische Einflüsse ins Geschehen ein. „The Ashen Falls“ avanciert nach ruhigem Beginn zu einem echten Blastbeat-Monster. In der ganzen harten Ausstrahlung entfalten sich aber darüber hinaus wunderbare melodische Landschaften, auch mal gerne in reduzierteren bzw. ruhigeren Klanggefilden. Der Opener ist direkt eine ergreifende Erfahrung, die in ihrer Trostlosigkeit aber auch irgendwie Hoffnung aufkeimen lässt.
Das Album zeichnet auch eine Menge großartiger cineastischer Motive. Der Song „Inertia“ hypnotisiert mit einer gewissen Monotonie und vermittelt eine große Traurigkeit oder vielleicht symbolisiert es auch das Feststecken in einem Zustand der Hilflosigkeit und Apathie. Dazu passend schließt sich das bedrückende Instrumentalstück „Rain“ an, welches durch das sanfte warme Pianospiel hervorgerufen wird. Zu monoton wird es mir dann allerdings mit dem letzten „offiziellen“ Track „The Same Hell MMXXV“, der die Reise abschließt. Das hat schon was von transzendentaler Einschlafmusik. Hier gefallen mir weder die Instrumentierung noch die Vocals, da sie mir zu gleichförmig und emotionslos sind.
Der harmonischste Song auf dem Album ist „The Heart of December“, bei dem luftige Melodien, die im Gegensatz zu den harten verzweifelten Songs fast durch die Ohren zu schweben scheinen. Zurückhaltende Drums, eine Akustikgitarre und sanfter Gesang bestimmen den Song. Eine stimmungsvolle Oase auf dem Album, die vor dem Ende an Intensität gewinnt, jedoch dann milde ausläuft. „Burial“ zelebriert wieder das kontrastierende Spiel zwischen energischen Ausbrüchen und gedämpften Momenten. Es ist einer der Songs auf dem Album, die einen komplexeren Aufbau haben. Nicht so leicht (be)greifbar, aber unheimlich intensiv.
Dies trifft sicherlich auch auf den längsten Song „Season Of Grief“ zu, der mit 10 Minuten Spielzeit daherkommt. Das gehaltvolle Konzept geht auch hier völlig auf und füllt die Zeit sehr gut aus. Besonders der hochdynamische Teil ab Minute 04:50 hat es mir angetan. Im folgenden kommt der Song dann fast zum Stillstand, doch dann legen HERETOIR noch mal nach. Ein epischer Track!
„Solastalgia“ als Titeltrack ist das letzte massive Aufbäumen auf dem Album, auch wenn es nicht der letzte Track ist. Ein monumentales Erlebnis mit einer spürbaren Präsenz, die sich ohnehin durch das gesamte Album zieht. Es herrscht ein gutes Gleichgewicht zwischen kolossalem Angriff und einer gefühlvolle Aura, so dass dem Hörer auch Rückzugsorte ermöglicht werden.
„You Are The Night“ hat trotz knackiger Härte schon teilweise irgendwie einen balladesken schwermütigen Charakter mit einem rauschenden Wasserfall von Melodien , die sich gewaltig über den Hörer ergießen. Intensiv und packend! Hier geht es um die dunkle Leere und der Suche nach dem trostspendenden Licht in der Dunkelheit und vielleicht auch darum, dass man die Dunkelheit als Teil von einem selbst akzeptieren muss.
Fazit
„Solastalgia“ ist introspektiv, ästhetisch anspruchsvoll und emotional kompromisslos. Wie eingangs erwähnt entsteht ein Werk, das nicht einfach nur Musik ist – sondern ein emotionaler Zustand, ein Klangraum für existenzielle Reflexion. Heretoir gelingt es, eine beeindruckende Balance zwischen Härte und Zerbrechlichkeit zu schaffen. Die Songs sind emotionale Landschaften, die von Trostlosigkeit und Verzweiflung geprägt sind, aber es gelingt HERETOIR sich nicht in der Dunkelheit zu verfangen und sich aufzugeben. Sie lassen in der Dunkelheit ein Licht an, einen Hoffnungsschimmer. Dies zeigt sich teils in den Texten, aber auch in schönen melodischen Fragmenten.

english version

Genre: Post Metal
Release: 19.09.2025
Label: AOP Records
I really wanted to include HERETOIR (Facebook) in my review list because I was very impressed by their previous singles. Friends of easy, catchy songs don’t need to read any further, because HERETOIR’s music is far from that. In extreme form, they work with an emotional depth that you not only have to consume, but also understand and reflect on.
So listening to these songs is not a quick snack, but a process that requires attention. „Solastalgia“ is already the band’s sixth album, which deals with the grief over the loss of the natural environment and the inner turmoil of modern man. The term „Solastalgia“ thus describes the pain of ecological and social crises. Heavy fare that is spread out in epic, sprawling songs lasting over 60 minutes.
The dreary cover artwork is a mystery. What kind of animal can be seen on it? Is it a prehistoric bird of prey? What is it carrying in its mighty beak? A severed limb? Either way, it is an unusual motif and offers scope for all kinds of interpretations.
The theme is also explicitly addressed in the song „The Ashen Falls“, that in a certain way the powerlessness of man in the face of the destruction of the human environment, i.e. the exploitation and destruction of the natural habitat. But also the general human togetherness or rather antagonism with lies, deception and violence leads to an existential emptiness.
Musically, HERETOIR are hard to pin down. Even though we are dealing with extreme metal with maximum expressiveness, many musical influences intervene here. After a quiet start, „The Ashen Falls“ becomes a real blastbeat monster. However, wonderful melodic landscapes unfold amidst all the hard expression, sometimes in more reduced or quieter sound fields. The opener is immediately a moving experience, which in its desolation also somehow gives rise to hope.
The album draws a lot of great cinematic motifs. The song „Inertia“ hypnotizes with a certain monotony and conveys a huge sadness, or perhaps it symbolizes being stuck in a state of helplessness and apathy. The depressing instrumental piece „Rain“ follows suit, which is evoked by the soft, warm piano playing. However, the final „official“ track „The Same Hell MMXXV“, which concludes the journey, is too monotonous for me. It’s a bit like transcendental music to fall asleep to. I don’t like the instrumentation or the vocals here, as they are too uniform and emotionless for me.
The most harmonious song on the album is „The Heart of December“, with airy melodies that almost seem to float through your ears in contrast to the hard and rough songs. Restrained drums, an acoustic guitar and gentle vocals define the song. An atmospheric oasis on the album that gains in intensity before the end, but then fades out gently. „Burial“ again celebrates the contrasting interplay between energetic outbursts and subdued moments. It is one of the songs on the album that has a more complex structure. Not so easy to grasp, but incredibly intense.
This certainly also applies to the longest song, „Season Of Grief“, which has a playing time of 10 minutes. The rich concept works perfectly here too and fills the time very well. I particularly like the highly dynamic part from minute 04:50 onwards. The song almost comes to a standstill in the following, but then HERETOIR pick up the pace again. An epic track!
„Solastalgia“, the title track, is the last massive upsurge on the album, even if it is not the last track. A monumental experience with a palpable presence that runs through the entire album anyway. There is a good balance between colossal attack and a soulful aura, so that the listener is also given places to retreat to.
Despite its crisp heaviness, „You Are The Night“ somehow has a ballad-like, melancholy character with a rushing waterfall of melodies that pour over the listener. Intense and gripping! It’s about the dark emptiness and the search for the comforting light in the darkness and perhaps also about the fact that you have to accept the darkness as part of yourself.
Conclusion
„Solastalgia“ is introspective, aesthetically sophisticated and emotionally uncompromising. As mentioned at the beginning, an experience that is not just music – but an emotional state, a sound space for existential reflection. Heretoir succeeds in creating an impressive balance between harshness and fragility. The songs are emotional landscapes characterized by desolation and despair, but HERETOIR manage not to get caught up in the darkness and give up. They leave a light on in the darkness, a glimmer of hope. This is partly reflected in the lyrics, but also in beautiful melodic fragments.

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Bildquellen
- HERETOIR Bandfoto-1-by Anne C- Swallow: Sure Shot Worx
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