IGORRR, Master Boot Record & Imperial Triumphant – Ein Abend zwischen Genie und Wahnsinn

Ein Konzertabend, der in keine Schublade passt: IGORRR aus Frankreich machten auf ihrer aktuellen Tour Station am 12. Oktober in der Live Music Hall in Köln. Und sie brachten zwei höchst unterschiedliche, aber ebenso exzentrische Support-Acts mit – Imperial Triumphant aus den USA und Master Boot Record (MBR) aus Italien.
Den Auftakt bildeten Imperial Triumphant, deren avantgardistischer Black-/Death-/Jazz-Metal sonst vor allem durch seine starke theatralische Performance lebt. Doch diesmal kam diese nicht voll zur Geltung: Das Bühnenbild war bereits komplett mit dem Equipment von IGORRR zugestellt und lediglich notdürftig abgedeckt – eine ästhetische Dissonanz, die der sonst so präzise inszenierten Show den Raum nahm. Musikalisch jedoch überzeugte das Trio auf ganzer Linie. Das aktuelle Album, zugänglicher als frühere Werke, verlieh dem Set eine neue Dynamik und bot auch jenen einen Einstieg, die bislang keinen Zugang zur komplexen Welt der Band gefunden hatten. Auf kleineren Bühnen funktioniert die direkte Interaktion der New Yorker erfahrungsgemäß besser – hier blieb sie etwas auf Distanz, aber die Intensität der Darbietung war dennoch beeindruckend.
MBR mit Ritt durch die Frühzeit der Computergeschichte
Master Boot Record (MBR) übernahmen im Anschluss und verwandelten die Bühne in ein flimmerndes Retro-Labor. Ihre audiovisuelle Show war ein wilder Ritt durch die Frühzeit der Computergeschichte: Pixel-Ästhetik, DOS-Prompts, Game-Sequenzen und Techno-Visionen trafen auf virtuos gespielte Gitarren und orchestrale Synth-Arrangements. Die Selbstbeschreibung der Band auf Bandcamp – „I am a 486DX-33MHz-64MB processing avant-garde chiptune, synthesized heavy metal & classical symphonic music. 100% Synthesized, 100% Dehumanized.“ – trifft es erstaunlich gut. Doch während die Show musikalisch wie visuell faszinierte, blieb ein Wermutstropfen: Am Merch fanden sich Shirts mit Symbolen wie Vegvísir und Valknut – nordische Zeichen, die auch in neurechten und neonazistischen Kontexten Verwendung finden. Für eine italienische Band ohne erklärten kulturellen Bezug wirkt das zumindest unreflektiert und irritierend.

Dann IGORRR: Das Projekt um Multiinstrumentalist Gautier Serre entfaltete auf der Bühne ein kontrolliertes Chaos aus Barock, Breakcore und Metal. Riesige Schlagzeug- und Perkussions-Sets flankierten die Bühne, zwischen ihnen wechselten sich Sängerin und Sänger ab, verschmolzen mal in kontrastierenden Gesängen, mal in ekstatischen Ausbrüchen. Kein Song glich dem anderen, und doch fügte sich alles zu einem schlüssigen Gesamtkunstwerk aus Wahnsinn und Präzision. IGORRR demonstrierten eindrucksvoll, warum sie seit Jahren als einzigartige Erscheinung der Extrem-Avantgarde gelten.
Dass sie dabei auch über sich selbst lachen können, zeigte ein Blick ans Merch: Für zwölf Euro gab es bedrucktes Toilettenpapier – versehen mit echten Hasskommentaren aus den sozialen Medien. Ein schräger, aber treffender Kommentar auf jene, die mit dieser Musik nichts anfangen können.
Fazit: Ein Abend zwischen musikalischer Vision und ästhetischer Reizüberflutung – herausfordernd, faszinierend und alles andere als gewöhnlich.
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Bildquellen
- Igorrr und MBR – Cologne 2025 – Merch: (c) 2025 Matt / metal-heads.de
- Igorrr – Cologne 2025 – 2: (c) 2025 Matt / metal-heads.de
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- Igorrr – Cologne 2025 – 3: (c) 2025 Matt / metal-heads.de
- Igorrr – Cologne 2025 – Titelbild: (c) 2025 Matt / metal-heads.de
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