Blind Guardian – Marcus Siepen im Interview Teil 2

So liebe Leute, hier nun der versprochene zweite Teil unseres Interviews mit Marcus Siepen von Blind Guardian, der wirklich lange und ausführlich erzählt hat. Ich hoffe ihr habt beim Lesen genauso viel Spaß wie ich beim Interview selber. Los geht’s:
Blind Guardian auf dem Rage Against Racism?
metal-heads.de (MH): Wir von metal-heads.de haben ja letztens als Medienpartner das „Rage Against Racism“ bei euch um die Ecke in Duisburg präsentiert. Ein tolles Festival, umsonst und draußen und das auch noch zwei Tage lang. Natürlich etwas kleiner. Ist so etwas für eine Band wie Blind Guardian mittlerweile ausgeschlossen oder könntet ihr euch vorstellen auch solche Gigs zu spielen?
Marcus Siepen (MS): Ich würde gar nichts ausschließen, nein. Das kommt drauf an, wenn es vom Zeitpunkt und allen anderem her passt. Ich habe überhaupt kein Problem damit, auch kleinere Gigs zu spielen. Es muss nicht alles irgendwas großes sein. Die Größe des Konzerts oder des Events sagt ja nichts über die Qualität oder den Spaßfaktor aus. Du kannst ne kleine Club-Show spielen und am nächsten Tag in Wacken vor über 100.000 Leuten und es kann beides gleich geil sein. Die Größe des Publikums hat für mich exakt gar nichts mit der Qualität des Konzertes zu tun. Ich persönlich bin sogar ein Freund von kleineren Festivals, denn das ist die Art von Festival mit der wir aufgewachsen sind. Also Dynamo Open Air bevor es auf dem Flugplatz mit 150.000 Leuten war, sondern wirklich noch als es auf dem Marktplatz war, kein Eintritt, eine Bühne, sechs Bands und zwischen jeder Band ist auch mal Ruhe. Mag ich, ich mag auch das Rock Hard Festival und das Dong Open Air finde ich total geil. Klein, gemütlich und überschaubar. Das ist so mein Ding.
Ist der Metal wirklich tot?
MH: Wenn man so lange dabei ist wie ihr… Da hieß es ja schon wiederholt „der Metal ist tot“, was ich persönlich gar nicht finde…
MS: Metal war nie tot! Also, ich weiß nicht, wo der Spruch herkam. In den 90ern haben sie alle gesagt, der Metal ist tot, weil Grunge da war. Wenn ich jetzt uns als Beispiel nehme: in den 90ern haben wir die Tales From The Twilight World, Somewhere Far Beyond, Imaginations From The Other Side und die Nightfall In Middle-Earth rausgebracht. Da kann ich nicht sagen, dass der Metal tot war und es gab ja noch genug andere Bands, die in den 90ern durchgestartet sind. Von Dream Theater über In Flames bis hin zu was weiß ich nicht was.
MH: Die alten Heroen sterben aber langsam aus. Die letzte Tour von Black Sabbath ist gerade durch.
MS: Ja, das ist aber altersbedingt, nicht weil der Metal tot ist.
Neue Bands und Innovationen
MH: Gibt es denn noch Innovationen künstlerischer Art? Technisch ist klar, da hat sich viel weiter entwickelt.
MS: Es gibt nach wie vor hervorragende Bands. Es wird schwieriger, Bands zu entdecken. Obwohl schwieriger kann ich noch nicht mal sagen. Es gibt halt sehr, sehr viele Bands. Ich glaube, dass es für neue Bands heute schwieriger ist, sich durchzusetzen, weil alleine über YouTube Clicks funktioniert es nicht. Überhaupt müssen die Leute erst einmal auf deinen YouTube-Channel aufmerksam werden. Aber ich entdecke immer wieder Sachen, die ich vorher noch nicht kannte. Zum Beispiel war ich, glaube ich, letztes Jahr auf einem Amorphis Gig und die hatten zwei Support Bands. Einmal Textures aus Holland, die ich schon länger kenne und sehr mag und dann noch Poem aus Griechenland. Die kannte ich überhaupt nicht, aber die haben mich total weggeblasen. Unglaublich geile Band, leicht progressiv, modern, aggressiv. Die fand ich total geil. Vielleicht eine kleine Tool Schlagseite ab und zu, aber ansonsten sehr eigenständig. Von daher, ja es gibt immer noch hervorragende, neue Bands zu entdecken.
Blind Guardian und die Suche nach Inspiration
MH: Vielleicht auch eine Möglichkeit selber nochmal neue Inspirationen zu bekommen?
MS: Also, Inspirationen kannst du von allem kriegen. Das kann ein Stück sein, dass du im Radio hörst oder ne Band sein, die du live irgendwo entdeckst. Das kann ein Buch sein oder auch irgendwas sein, was in den Nachrichten kommt. Inspirationen gibt es von überall. Irgendwas triggert einen Prozess in deinem Gehirn. Das kann logischerweise auch einfach sein, wenn ich zuhause auf dem Sofa sitze, die Gitarre in der Hand und vor mich hindaddele. Irgendwann spielst du irgendwas und denkst, oh das ist aber cool. Diesen Moment musst du halt möglichst schnell einfangen, weil sowas vergißt du auch unglaublich schnell wieder und dann ist es weg.
MH: Das geht natürlich heute dann auch dank Handy viel einfacher.
MS: Oh ja, viele Ideenschnipsel habe ich auf dem Handy. Denn das hast du immer dabei. Im Zweifelsfall summst du halt eine Melodie da rein oder spielst mit der Gitarre. Heute kann man die Sachen viel bequemer festhalten. Zum Glück! Die Technik muss ja für irgendwas gut sein.
Früher war es einfacher
MH: Ist es denn für neue Bands heute wirklich so viel schwerer, Aufmerksamkeit zu bekommen, respektive dann zu behalten?
MS: Ich glaube, die Szene hat sich insofern verändert, dass Plattenfirmen anders agieren als damals. Als wir angefangen haben in den 80ern hatten die Plattenfirmen wirklich langfristige Pläne und wollten eine Band über mehrere Jahre etablieren und aufbauen. Und so wie ich das sehe, bekommst du heute als Newcomer eine Chance. Du kriegst ein paar Scheine in die Hand gedrückt, darfst dann ein möglichst günstiges Debütalbum aufnehmen und wenn das funktioniert, darfst du es nochmal versuchen. Und wenn das nicht funktioniert, bist du weg vom Fenster. Das heißt, du hast genau eine Chance. Das hat sich geändert und das macht es definitv nicht einfacher für neue Bands. Aber wie gesagt, dieses Gesunde über einen längeren Zeitraum wachsen, sehe ich heute bei vielen Bands nicht mehr.
Masse an Konzerten
MH: Ich finde auch es ist schwieriger geworden. Als ich angefangen habe Musik zu hören, zu Konzerten zu gehen, gab es eine Handvoll Konzerte im Monat. Und jetzt könnte ich an einem Tag zu drei oder vier verschiedenen Konzerten gehen.
MS: Ja, du wirst fast schon totgeschlagen und die Leute können logischerweise nicht jeden Tag auf ein Konzert gehen und eine Karte kaufen. Wer hat denn dafür schon das Geld? Das ist auch das nächste Ding. Dieser Mythos, Bands verdienen durch Konzerte und Merchandise Geld. Das stimmt so nicht. Denn Konzerte kosten Geld und wenn du eine unbekannte Band bist, kommen keine Leute zu deinem Konzert und dann verdienst du auch nichts. Beim Merchandise gibt es teilweise Klauseln. Da verdient noch die Plattenfirma mit und die Hallen wollen teilweise auch noch Prozente und da bleiben einer Band teilweise nur noch 20% vom Shirt übrig und das ist meistens noch unter dem Herstellungspreis.
MH: Und neben dem Geld, muss man als Fan auch erst einmal die Zeit haben so viele Konzerte zu besuchen. Job, Familie… Da suchen sich viele schon genau aus, wo sie hingehen oder kommen gar nur zum Headliner. Was Neues zu entdecken, wird so schon schwer.
MS: Dabei ist das doch auch Teil des Spaßes, das ganze Drumherum. Das Interessante ist doch auch das Beiwerk. Wer spielt da sonst noch, gibt es was Neues zu entdecken.
Blind Guardian und die Suche nach der Vorband
MH: Ist das für euch denn auch ein Kriterium eine Vorband auszusuchen?
MS: Wir sind da sehr wählerisch. Beim letzten Mal Orphaned Land, war sogar mein Vorschlag. Wir hatten uns zusammengesetzt und überlegt, wen können wir denn mitnehmen. Ich habe sofort Orphaned Land auf den Tisch gebracht. Zum einem, weil ich die musikalisch sehr mag und die meiner Meinung nach sehr gut zu uns passen. Auch wenn sie was anderes machen, aber es gibt viele Überschneidungen. Und zum anderem kenne ich die Jungs seit vielen Jahren, wir sind miteinander befreundet und ich wusste, dass sie menschlich gut reinpassen. Und das ist auf Tour durchaus auch wichtig und nicht unangenehm, wenn du nette Leute um dich herum hast.
MH: Bei mir zumindest hat es geklappt. Ihr hattet Anfang der 90er mal Depressive Age als Vorgruppe und die haben mich damals auch echt überzeugt. Konzept ist also aufgegangen.
MS: Ja, siehst du. Es gibt viele gute Packages da draußen.
Neue Tourpläne?
MH: Abschließend dann noch die Frage, ob ihr schon Pläne für eine neue Tour habt?
MS: Für eine Tour nicht. Wir spielen diesen Sommer insgesamt zwölf Shows, über die Hälfte davon haben wir schon gespielt. Wir waren fast zwei Jahre für die letzte Platte auf Tour. Jetzt wollen wir uns aufs Songwriting konzentrieren, damit irgendwann auch ein neues Album kommt und dann geht es wieder von vorne los. Also mehr ist erst einmal nicht geplant.
Und so endet unser Interview mit Marcus Siepen von Blind Guardian. Abschließend nochmal ein großes Dankeschön für die ausführlichen Antworten und interessanten Einblicke. Viele Konzerte wird es die nächste Zeit ja leider nicht mehr geben, wie uns Marcus am Schluss mitgeteilt hat. Die Wartezeit auf die nächste Tour können wir aber mit dem tollen Album zur letzten Tour „Live Beyond The Spheres“ verkürzen. Den Link findet ihr unten oder ihr besucht Blind Guardian mal auf ihrer Homepage oder bei Facebook für Neuigkeiten. Stay tuned!
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Bildquellen
- Rock Pit Lemmy: Bildrechte beim Autor
- Blind Guardian Band: Nuclear Blast
- Blind Guardian Marcus Siepen: Bildrechte beim Autor
- Blind-Guardian-Live-Band-720×340: Nuclear Blast
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