THE BLUE POETS: Interview mit Marcus Deml
Am 5.5.2018 spielten THE BLUE POETS im Yard-Club in Köln. Kurz vor dem Konzert hatte ich die Gelegenheit, Marcus Deml, Initiator, Gitarrist und Songwriter der Band zu interviewen.
Ein Interview kurz vor der Show
Hallo Marcus, ein Interview so kurz vor dem Konzert ist ja eher ungewöhnlich. Die meisten Musiker wollen dann ihre Ruhe haben.
Ich habe mich heute schon so über das Wetter geärgert, dass ich jetzt total entspannt bin.
Die Sonne scheint, besser kann es doch gar nicht kommen.
Das kostet dich halt unglaublich Zuschauer, weil die Leute im Biergarten sitzen. Ich denke mal, dass es uns heute 50% der Zuschauer kostet. Ja, und auf Tour sitzt man eh viel rum und da tut ein bisschen Abwechslung wie z.B. ein Interview ganz gut.
Wie bereitest du dich normalerweise auf einen Auftritt vor?
Vorher spiele ich noch ein bisschen Gitarre und dann geht’s los.
Zum Thema Abwechslung und Veränderung: Du hast viele Jahre mit Errorhead gespielt. Es hat weitere Veränderungen in deinem Leben gegeben und dann hast du dich mit The Blue Poets noch mal auf den Weg gemacht. Wie weit haben sich diese Veränderungen auf die Musik, die du jetzt machst, ausgewirkt?
Extrem. Aber ich bin immer bauchgesteuert. Abwechslung ist für mein Leben einfach wichtig. Die Lebensumstände diktieren das schon. Ich habe Errorhead 19 Jahre gemacht und da war es einfach mal Zeit für einen Tapetenwechsel. Letzen Endes sind die Platten, die man macht, wie bei einem Schriftsteller eine direkte Reflexion von dem, was passiert ist. Wir sind ja nicht Justin Bieber, der vielleicht denkt: Du musst jetzt irgendwelche Hits schreiben, das sind Trends, also mach‘ das mal.
Wie ist es eigentlich zur Gründung der Band gekommen?
Felix kannte ich schon lange. Er ist ja der Sohn eines ehemaligen Gitarrenschülers. Felix kam nach zwei Jahren Studium aus New York zurück. Ich habe mir dann drei You-Tube-Videos von ihm angeschaut und dann hatte ich einen Job für ihn. Gordon habe ich auf der Straße gefunden. Der hat wirklich Straßenmusik gemacht mit der Akustikgitarre. Ich habe ihn dann ins Studio eingeladen. Und es klappte sofort. Es gab keine Auditions. Das einzig Doofe war die Bassistenveränderung. [Anm.: von Marcus Setzer zu Phil Steen] Das war sehr kurzfristig und die genauen Beweggründe weiß ich bis heute nicht. Auf jeden Fall war es sehr anstrengend und stressig. Denn wenn du vier Wochen vor der Veröffentlichung mit einem neuen Bassisten kommst, den auch die Veranstalter nicht kennen, dann ist das schon unangenehm.
Was steht heute auf eurer Setlist?
Wir werden heute u.a. drei von den ersten Songs spielen, die ich zusammen mit Gordon geschrieben habe. Bei einem haben auch Phil und Felix einen Input gehabt. Bei uns kann jeder etwas zu den Songs beitragen. Wir versuchen das Schreiben nicht so auf Frank Zappa-Manier zu machen: hier hast du – und jetzt spiel.
Zukunftsmusik
Und was kommt jetzt als nächstes?
Hoffentlich ein Studioalbum. Wenn wir es uns dann leisten können.
Eines, das ihr dann gemeinsam entwickelt?
Ja, das ist übrigens auch ein Unterschied zu Errorhead. Da habe ich alles selbst gemacht: gespielt und gesungen im eigenen Studio und es dann an die besseren Musiker weitergegeben. Nach dem Motto: Hier, ist alles fertig und du singst jetzt das und du spielst dies. Die Musiker haben natürlich auch immer Freiheiten gehabt. Manchmal haben sie diese auch genutzt. Aber bei The Blue Poets läuft das jetzt anders: Wir haben uns zum Beispiel zum Kaffeetrinken bei mir getroffen. Ich hatte eine Grundidee und dann waren die anderen Herrschaften kreativ. So haben wir dann z.B. die drei Songs gemacht.
Also mit viel Bauchgefühl?
Im Idealfall: Ja. Aber ich habe mich schon dabei ertappt, dass ich mit brummendem Kopf im Studio saß und dachte: du musst jetzt eine zweite Blue Poets Platte machen. Aber das ist der falsche Ansatz, glaube ich, wenn man mit zu viel Kopf an die Sache geht. Dass man so denkt: das klingt wie vom ersten Album, das klingt nicht genug wie vom ersten Album…
In den Texten zum aktuellen Album hast du viele Facetten des Lebens abgebildet. Waren das Texte, die du schon länger im Kopf hattest?
Ne, aber der große Unterschied bei den Blue Poets war, dass die Texte zumeist zuerst geschrieben wurden. Die Thematik war klar. Ob es nun wie bei „For A God“ die vielen Nachrichten waren, die ich geguckt hatte oder ob es ein banaler Liebestext war oder ein Abschiedstext. Die Poets sind das Textorientierteste, das ich je gemacht habe. Und Gordon schreibt ganz andere Sachen, denn er ist 27 und hat noch ganz andere Prioriäten als ich.
Die Anfänge
Wann hast du eigentlich angefangen, Musik zu machen?
Spät. Mit 10 spielte ich das erste Mal Bongos auf dem Dachboden mit zwei anderen Kumpels. Dann spielte ich mit 11 in einer Punk-Band mit dem Namen „Gesichtsgünter“ den Bass. Da werden jetzt die Leser denken: das sieht man heute noch, wenn er auf der Bühne steht und seine Grimassen reißt (lacht). Mit 12 wollte ich tatsächlich Gitarrist werden. Aber ich war zu doof für das Instrument. Ich habe auf die Bundstäbchen gedrückt und mich gefragt, wieso kein Ton herauskommt. Dann habe ich die Gitarre erst einmal neu lackiert und ohne Saiten weitergespielt. An einem 14. August, ein paar Tage nach meinem Geburtstag habe ich mir vom Ersparten und dem Geburtstagsgeld eine Akustikgitarre für 200 DM gekauft und dazu ein Gitarrenbuch.
Ab dem Tag wurde es bitterernst. Nach sechs Monaten gab’s eine Phase wo mir die Finger wehtaten, ich nicht mehr weiterkam und mich fühlte, wie ein talentloser Vollidiot. Da habe ich eine Woche ausgesetzt, aber dann habe ich den Hintern zusammengekniffen und seitdem war ich von blindem Ehrgeiz zerfressen.
Und wann hast du gemerkt, dass du mit der Gitarre dein Leben gestalten willst?
Sofort. Ok, so nach einem Jahr, also mit 15. Da war ich in England für einen Sprachaustausch-Urlaub.Da hatte ich mir meine erste E-Gitarre geliehen. Und mein Gott, war ich auf einmal angesagt. Bei den Mädels und bei den Jungs. Das war super. Ich spielte da bestimmt auch schon locker zwei Stunden pro Tag und merkte irgendwie: ich fühle mich total wohl. Ab da war es eigentlich klar und spätestens mit 16 war das mein Weg. Da gingen dann auch die Auftritte los in Jugendzentren oder auf Geburtstagsparties. Ich hatte dann auch schon immer eigene Bands, die zwei- bis dreimal in der Woche probten.
Und der Cream-Song „Sunshine of your Love“ war der erste Song, den du vor Publikum gespielt hast?
Ja, das war wohl der erste Song, den ich live gespielt habe. Das war bei einer Musikpraktikumswoche am Gymnasium. Mein Physiklehrer sagte: wir haben jetzt eine Woche Zeit und wir üben diesen Song ein. Ich weiß nicht mehr genau, ob es der allererste Auftritt war, aber es war einer der ersten. In der Aula der Bettina-Schule in Frankfurt. Vor 400 schreienden Menschen. Zumindest kam es mir so vor.
Ist das heute ein Schlüsselsong für dich oder eher ein Andenken?
Mh, das ist so beides. Da ich den Song immer gemocht habe, habe ich mir überlegt, wie ich ihn covern könnte. Ich hatte eine Idee, wie man den Song neu kleiden könnte. Das haben wir dann innerhalb einer halben Stunde eingeprobt und dann ist er so auf die Platte gekommen. Ich finde ihn super, aber heute werden wir ihn nicht spielen
Ich mag den auch richtig gerne. Schade, dass ihr ihn heute nicht spielt. Das Live-Album, das ihr jetzt herausgebracht habt, ist ja das Ergebnis mehrerer Shows.
Ja, acht oder neun Songs sind aus Hamburg. Die anderen sind aus Duisburg und Joldelund und Bruchsal. einmal: ich wollte keine Live-Platte rausbringen aber ich habe die Aufnahmen gehört und fands erst mal geil. Und dann dachte ich mir: wir sitzen jetzt hier an einer neuen Studioplatte und vielleicht sollten wir einfach ein Lebenszeichen raushauen. Wenn wir schon so tolle Aufnahmen haben, dann machen wir das jetzt.
Entwicklung von Band und Songs
Haben sich die Songs über die Zeit, die ihr sie live gespielt habt, sehr verändert?
Ja, findest du nicht? Du hast uns doch mehrfach gehört. Ich finde sie direkter, sie sind bauchgesteuerter. Man merkt einfach, dass wir ein Jahr unterwegs sind, dass wir uns menschlich nähergekommen sind. Ok, manchmal mehr als man möchte. Das verändert die Musik. Ich finde, dass die Band eine Entwicklung gemacht hat.
Wenn man euch auf der Bühne sieht, hat man schon den Eindruck, dass die Chemie stimmt.
Das hoffe ich, sonst würden wir das nicht machen. Die Chemie ist schon gut und wenn sie nicht gut wäre, dann gäbe es die Poets nicht mehr. So einfach ist das.
Zwischen den Songs nutzt du die Gelegenheit etwas zu erzählen: über die Bandmitglieder, Geschichten und kleine Anekdoten. Erzählst du gerne Geschichten?
Kommt drauf an, wie ich drauf bin. Manchmal gelingt es mir auch nicht gut und da ist es echt peinlich, wenn ich es dann auf den Aufnahmen höre. Aber gestern zum Beispiel war es großartig, weil alle auf der Bühne lagen und lachten und das Publikum auch. Gestern war so ein seltsamer Abend. Wir waren alle gleichzeitig konzentriert , waren da, im positiven Sinne, also sehr gelöst. Deshalb waren die Ansagen komplett andere. Manchmal sagt man ja dasselbe, weil man inzwischen mehr als 40 Shows auf dem Buckel hat, manchmal gab es Improvisationsmomente, die sehr gut waren.
Welche Rolle spielen Geschichten grundsätzlich für dich? Liest du z.B. gerne?
Beim Lesen bin ich sehr ungeduldig. Aufgrund einer Augenkrankheit, die sich inzwischen aber verbessert hat, habe ich lange Jahre nicht viel gelesen, aber dafür Hörbücher gehört. Wenn ich unterwegs bin, höre ich auch gerne Geschichten im Radio.
Du hast ja nicht nur The Blue Poets ins Leben gerufen, sondern auch ein eigenes Label gegründet. Welches Motiv steckt dahinter?
Ein eigenes Label bedeutet für mich, dass ich jederzeit eine Platte veröffentlichen kann. Ich kann Songs aber auch digital herausbringen. Da habe ich die Technik und das ist daher nicht nur europaweit sondern auch weltweit möglich. Ich bin unabhängig in meinem eigenen Tonstudio. Ich drehe mittlerweile auch Filme, mache zum Beispiel Gitarrenvideos. Der Nachteil ist natürlich, dass es wahnsinnig viel zu tun gibt. Teilweise auch richtig absurde Arbeit, die mit der Musik an sich nicht viel zu tun hat, wie z.B. Verhandlungen mit der Bank. Es gibt so viel zu organisieren. Seien es Termine, weil das Cover gemacht werden muss, oder ae-mails und facebook -nachrichten beantwortet werden müssen. Aber so lange es kein Management oder Label gibt, das meine künstlerische Vision wirklich mitträgt, mache ich so weiter.
Wirst du auch andere Musiker oder Bands herausbringen?
Nein. D.h. prinzipiell gerne, aber das ist zeitlich gar nicht möglich.
Vielen Dank für das Interview!
Kurz danach begann die Show. Den Konzertbericht könnt ihr HIER auf metal-heads.de lesen.
Mehr zu THE BLUE POETS findet ihr DORT
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Bildquellen
- THE BLUE POETS Köln Yard Club 5.5.18: Bildrechte beim Autor
- THE BLUE POETS Live Power Album Cover: Triple coil Music Foto by Kirsten Ott
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