Orden Ogan, Noch ´ne Band, Unleash the Archers – Nijmegen, Doornrosje, 17.10.2017
Female fronted Metal
hat es ja schon immer gegeben. Ich erinnere mich an Lita Ford, Doro Pesch und… ach ja, Sabina Classen.
Mir ist eigentlich egal, ob vor mir auf der Bühne Männer oder Frauen stehen, ich kann nur das Gerede nicht ertragen, dass sich sozusagen jetzt die Szene öffnet und immer mehr Frauen, bisher im Metal zumeist als Partnerin eines Metalheads präsent, nun zu Protagonistinnen in der Szene werden. Für mich sieht das eher so aus, als ob die geneigte männliche Zielgruppe einer Szene, in der Sexismus Mainstream ist, mit dem versorgt wird, was sie gerne sehen möchte.
„Sex sells“ sag ich da nur und wenn ich mir den Zuspruch z. B. von den Sisters of Suffocation anschaue, dann muss ich schon klar sagen, dass da keine Qualität für die Ohren der Verkaufsschlager ist, sondern höchstens die für die Augen.
Macht nichts
Mein Freund Daniel ist als typischer Metalhead bereit, landauf, landab Unleash the Archers hinterherzureisen. Brittney Hayes erfüllt auf den ersten, zweiten, dritten und wohl auch den tausendsten Blick alle Klischees. Sieht gut aus und post in figurbetonter Kleidung im typischen Power Metal Stil über die Bühne. Aber… und da unterscheidet sie sich meiner Meinung nach von den drei oben genannten Damen… die Frau kann singen! Ich meine nicht im Heavy Metal Sinne singen… die Frau kann wirklich und unfassbar gut singen. Da sitzt jeder Ton, die Stimme ist glasklar, das hab ich bei Mann oder Frau live kaum mal in dieser Qualität gehört.
Die Archers geben 30 Minuten Vollgas, der gegebene Sound hat extra die Backround Vocals im Untergrund verschwinden lassen, um ihrer Stimme mehr Raum zu geben… eine gute Entscheidung des Mischers 😉 Die Frau ist eine echte Wucht, ich glaube da haben noch 2 Gitarristen und ein Bassmann auf der Bühne gestanden… aber sorry, das Konzept der Band geht voll auf, Brittney ist der absolute Mittelpunkt der Show und fasziniert. Ich werde Daniel nunmehr den Archers hinterherfolgen, nicht der Musik wegen… ist klar, ne?!
Positiv herausheben aus dem Rest der Band möchte ich allerdings noch den Schlagzeuger. Nicht, dass er mir musikalisch oder stilistisch besonders aufgefallen wäre… aber die Vokuhila und der Pornobalken machen ihn zu meinem persönlichen Helden. Stilecht!
Rhapsody of Fire
Kurioserweise gibt es immer wieder Bands, die unter meinem Radar fliegen und die mir, außer vielleicht namentlich,
überhaupt nicht bekannt sind. So auch Rhapsody of Fire. Dennoch lasse ich mir die Gelegenheit nicht entgehen und bin in der 5. Reihe relativ weit vorne mit dabei… sofort wird klar, dass auch hier eine technisch unantastbare Band am Werk ist… die mir aber überhaupt nicht gefällt. Nicht, dass ich was Schlechtes über die Band sagen könnte oder wollte, die Show ist solide, die Musiker spielfreudig, die Fans gehen gut mit… aber mir ist das zu „cheesy“. Zu schmalzig. Der schmale Grad des Powermetals ist doch eben nicht etwas zu weit über die Grenze zu gehen und dann irgendwie nicht mehr kraftvoll und pathetisch zu sein, sondern irgendwie ein Disneyabklatsch von Märchen, Mittelalter und Heldentum.
Den Leuten gefällt es aber, die Zuschauer gehen gut mit, besonders gern hab ich den Typen neben mir gehabt, der im schwarzen Businesshemd voller Inbrunst mitsang. Ich muss ihm zu Gute halten, dass er eine Narbe vom Adams- bis zum Augapfel trug, die ihn für mich um einige Prozent mehr Metal hat sein lassen als die Band vor mir.
Eine super Gelegenheit mir das Doornrosje genauer anzuschauen.
Wir waren erst vor zwei oder drei Jahren hier, zu Powerwolf. Es war ein herrlicher Laden, mitten im Wohngebiet, tausende Aufkleber erzählten von den zahllosen Bands, die aufgetreten waren, alles hatte den Charme einer alten Musikstätte, in der sich schon Berühmtheiten die Klinke in die Hand gegeben hatten, bevor man ihrer gewahr wurde… viel Punk, Metal, purer Rock! Und jetzt?
Ein Neubau! Mitten in der Stadt, direkt am Busbahnhof. Wo ist die ganze Nostalgie hin? Kann denn, verdammt noch mal,
nicht irgendwas so bleiben wie es ist? Haben die Holländer etwa keine AfH, die sich engstirnig und gehirnamputiert gegen Alles und Jeden zur Wehr setzt? Hm… sieht nicht so aus. Na, so ein Glück!
Denn der Bau selbst ist im Licht der untergehenden Sonne ein Highlight. Dahinter verläuft zudem die Bahnlinie, das Doornrosje ist also perfekt angebunden an den ÖPNV. Auch fahrtechnisch war das ein Klacks, Parkplätze im angrenzenden Wohngebiet waren ebenfalls vorhanden, der fast leere Parkplatz in der Nähe nahm wohl nur einen Gulden… oder nen Euro… wir haben ihn nicht genutzt.
Innen ist alles wohlgeordnet, zwei sehr freundliche Herren an der Kasse, dem folgt die Garderobe, Merch, Lounge mit Bar. P
erfekt. Alles in gediegenem Schwarz… so macht man das! Modern, funktional und schlichter Chique! Die Treppe hoch gibt es einen Raucherraum. Der ist zwar nicht so zum Kotzen vollgenebelt, wie der auf dem Flughafen Hong Kongs, den ich jedem empfehlen kann, der vielleicht doch mal ein Krebsleiden in seinen Lebenslauf integrieren möchte, aber doch schnell bis zum Anschlag zugenebelt. Über den perfekt isolierten Konzertsaal (ich glaube oben im Haus sind Wohnungen) lässt sich nichts sagen, auch hier scheint alles perfekt und funktional angeordnet. Dazu, natürlich, die schon ob des Timbres immer freundlich wirkenden Niederländer… eine perfekte Location in einer bildschönen Stadt, ich kann sie nur empfehlen. Einige nette Gespräche später (Ich weiß jetzt Alles über Rhapsody of Fire, fragt mich!) wurde es Zeit den Headliner anzuschauen.
Orden Ogan
Ehrlich gesagt für mich ja der Grund Daniel zu begleiten. Die Jungs machen seit 1996 Musik. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte: Gut 15 Jahre achtbar und kommerziell absolut erfolglos. Zum Rage against Racism Festival kamen sie vor gut 10 Jahren für 50 Euro Spritgeld und ne Kiste Bier… wobei keiner von ihnen Bier trank! Jetzt, da sie erfolgreich sind haben sie uns nochmal unterstützt… als Headliner. Und haben wieder nur das genommen, was sie brauchten, um nicht draufzuzahlen.
Dabei war die Band konsequent nett, zuverlässig, enspannt, unkompliziert. Profis im „ghosting“. Auf einmal sind sie dann wieder weg. Das sie nicht noch ihr Geschirr selbst abgespült haben, um niemandem Arbeit zu machen, kann hier weder bestätigt, noch dementiert werden. Rockstars auf sauerländisch halt.
Seit ein paar Jahren läuft es aber für Orden Ogan, ich meine gehört zu haben ein Wink Dave Mustaines sei da nicht ganz unschuldig dran… mit der Ravenhead LP bekam die Band einen Schub von Fans, den sie sich absolut verdient hat. Vor Allem aber macht der Orden ordentlichen Metal und hat mit seinem Stilmix melodischen Metals auch ein prima Wiedererkennungspotential geschaffen.
Die Bühne steht nun in voller Größe zur Verfügung und die Jungs gehen mit großer Spielfreude auf die Bühne. Das Doornrosje ist mit einem überraschend jungem Publikum ausverkauft, das die Band textsicher durch den Abend begleitet. Mein Highlight des Abends ist der Titeltrack des Albums „Gunmen“ (HIER unsere Review), das im Juli erschienen ist und den Saal in voller Länge und Breite hymnisch erfüllt. Die Tour ist noch nicht beendet, vielleicht schafft ihr es noch die drei Bands zu sehen. Das solltet ihr!
Denn drei Bands für jeweils 5,40 Euro
sind in diesem Falle ein Preis- Leistungsverhältnis, dass man schon als Diebstahl bezeichnen kann. Denn jede Band war über alle Maße professionell, gute drei Stunden Musik in bester, moderner Location, für jeden was dabei (Daniel: Brittney, Narbenmann: diese andere Band, Yioni: Orden Ogan)… ein ganzer Abend purer Metal vom Feinsten. Man hätte auch beim doppelten Preis nicht mit der Wimper gezuckt und die Bands waren es allemale wert.
NEWSLETTER. FREITAGS. KOSTENLOS.
Bildquellen
- Brittney Hayes, Unleash the Archers: (c) metal-heads.de - Yionni Rage
- Giacomo Voli, Rhapsody of Fire: (c) metal-heads.de - Yionni Rage
- Nijmegen Doornrosje: (c) metal-heads.de - Yionni Rage
- Seeb, Orden Ogan: (c) metal-heads.de - Yionni Rage
Neueste Kommentare