MYRKUR: Folkesange
Vor ein paar Tagen ist das Album Folkesange von MYRKUR erschienen. Die Ankündigung bzw. die Veröffentlichung des ersten Songs hatte einerseits begeisterte, andererseits auch heftige ablehnende Reaktionen hervorgerufen. Doch solche Reaktionen sind Amalie Bruun aka MYRKUR nicht neu. Sie gab es schon zum vorangegangenen Album, das Black Metal – Puristen fast als Beleidung betrachteten.
Kurz nach Erscheinen des Videos zu „Leaves Of Yggdrasil“ vom Album Folkesange schrieb Amalie Bruun:
I am used to everything I do gets very polarizing responses. But I didn’t think Leaves Of Yggdrasil and its video would get these extreme reactions too. “The black metal scene threatened to kill her so I hope she doesn’t return to that.” Was one of the comments and I appreciate the concern for me after the time I would get death threats and hate-mail on a daily basis. But rest assured this is not why I have created a folk-record. And there is no telling where I will go next, what I care about is artistic freedom and not the boundaries of genre and labels.
Künstlerische Freiheit und andere Wege
Musiker, Komponisten haben schon immer mit ‚Genregrenzen‘ gespielt. Und im Metal gibt es unzählige Sub-Genres (407 sind es, wenn man die Zählung des Dunklen Parabelritters zugrundelegt). Manche Hörer können sich auf Veränderung und Entwicklung in der Musik nicht gut einlassen. Aber müssen sie dann Bands und Musiker beschimpfen, die einmal andere Wege gehen wollen?
Abgesehen davon konnte man bei Amalie Bruun bisher noch nie sicher sein, welchen Weg sie einschlagen wird. Denn die EPs und auch das Debut M waren noch geprägt von einem Black Metal mit Folk-Elementen. Das 2017er Album Mareridt ist ein atmosphärisches Black Metal-Album durchzogen von Dark-Pop – Anteilen.
Folkesange hingegen ist ein reines Folk-Album geworden, mit dem sie Volkslieder und nordische Mythen aufgreift und neu arrangiert.
Wer sich also ein Album wie M oder Mareridt gewünscht hat, wird enttäuscht sein. Wer sich von schönen Melodien, gesungen von einer wunderbaren Stimme, mit mittelalterlichen Instrumenten modern arrangierten Liedern einfangen lassen möchte, wird viel Freude an Folkesange haben.
Folkesange – Lieder über Generationen weitergetragen
Der Opener „Ella“ beginnt nur von Amalie Bruuns Stimme getragen. Trommelschläge und Melodien gespielt u.a. mit der Nyckelharpa schaffen eine raue, schroffe Grundstimmung über der die klare Stimme schwebt.
„Fager Som En Ros“ ist ein schwedisches Volkslied über ein Mädchen, das einen Jungen verführen will. Es ist ein leichter, schwebender Song.
„Leaves Of Yggdrasil“ englisch gesungen Nornen unter der Weltenesche Yggdrasil, die das Schicksal der Menschen bestimmen und von der wunderschönen Jungfrau, von der die Männer seit altersher träumen, und die ihr zukünftiges Schicksal bestimmen.
Von „Ramund“ gibt es einige Adaptionen von Metal- und Folkbands. (Z.B. von der faröischen Band TYR.) MYRKUR wählt hier – ebenso bei „Tor i Helheim“, einer Geschichte aus der isländischen Edda– eine andere Herangehensweise: reduziertes Tempo und dazu ein ausgeschmücktes Arrangement.
„Svea“ lädt zum Träumen ein und kann durch den mehrstimmige Trall – Gesang, der sich auf Lautmalerei beschränkt, und die mittelalterliche Instrumentierung, die auf die sonst so omnipräsente Nyckelharpa verzichtet, überzeugen.
Nordische Mythen, alte Geschichten, Natur, Romantik und eine wunderbare Stimme
„Harpens Kraft“ gibt es in verschiedenen Versionen überall in der nordischen Volksmusik. Ein romantischer und zugleich (natur)mystischer Song: er spielt auf der Harfe mit goldenen Saiten, um sie vor ihrem Schicksal zu bewahren. Durch Amalie Bruuns feenhaften Gesang ist es ein federleichter Song geworden, der zum Tanz einlädt.
In „Gammelkäring“ wird eigentlich über alte Frauen gesungen, die Wolle spinnen und auf die man nicht hören sollte, da sie den lieben langen Tag Unsinn erzählen. MYRKUR gehen – zumindest musikalisch – sanft mit ihnen um. Daher vermisse ich die dabei sonst zum Tanz übliche Rhythmisierung durch Trommeln.
Die dann folgende Ballade „House Carpenter“, die die amerikanische Folk-Sängerin Joan Baez ja schon so wunderbar gesungen hat, fügt sich durch die Interpretation von Amalie Bruun gut in das Gesamtkonzept ein, auch wenn es sich um eine schottische Ballade handelt.
Alte Lieder in moderner Produktion
„Reiar“, Gudernes Vilje“ und schließlich „Vinter“ machen deutlich, dass es MYRKUR nicht einfach nur um eine Neuauflage von Volksliedern geht, sondern darum, die Wirkung von Liedern, die die Jahrhunderte überdauert haben, mit modernen Möglichkeiten auszudrücken.
Denn „Gudernes Vilje“ überzeugt vor allen Dingen durch den Gesang und die Instrumentierung, die mittelalterliche Instrumente mit ‚modernen‘ – wie Cello und Klavier verbindet. Mit diesem Song zeigt sich auch die hervorragende Produktion. Es war eine gute Wahl, dafür Christopher Juul von HEILUNG zu gewinnen, dessen Arbeit einen großen Anteil daran hat.
Lässt man sich auf die Musik ein, kann man die nordische Natur spüren und eine Ahnung von der Bedeutung mythologischer Elemente bekommen.
Dichte Klänge, die ein Gefühl von Einsamkeit und Kälte hervorrufen. Dann wieder helle, leichte Passagen, die wie die letzten Regentropfen wirken, auf die dann die Sonne scheint.
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Bildquellen
- Amalie Bruun: Relapse Records
- myrkur folkesange: Relapse Records
- myrkur folkesange: Relapse Records
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