Frank Rossi von STATUS QUO: den Rücken durchdrücken

STATUS QUO haben am 07. September ihr aktuelles Studioalbum „Backbone“ veröffentlicht.
Grund genug für den Hellion, einer Einladung zum Interview mit Francis „Frank“ Rossi zu folgen, dem man eine eigene Art von Humor und Altersweisheit nachsagt. Unterstützt wurde der schmächtigste unserer Redakteure von seinem Kumpel Joachim „Achim“ Meyer, der die Bilder zum Ton geliefert hat.
Kurz nachdem geklärt war, wer der Anwesenden am besten Fürze imitieren kann (Punkt für Herrn Rossi…), konnte es ernsthaft losgehen.
Ein sehr spätes „Happy Birthday“…
Metal-Heads.de (MH): Frank, welcome to Germany! Und da runde Geburtstage nicht so häufig sind: mit gehöriger Verspätung noch „Happy Birthday“ zum 70. im Mai.
Frank Rossi (FR): Danke. Was an einem 70. Geburtstag „happy“ ist, klären wir vielleicht noch im Anschluss an dieses Gespräch.
MH: Meine Heransgehensweise dazu ist: ich bin ein 16-jähriger Junge, gefangen im Körper eines 50-jährigen alten Sacks…
FR: … das ist in manchen Situationen eine smarte Entschuldigung. Aber glaube mir – es funktioniert nicht immer. Versuch was anderes. Oder erklärst du deiner Madam, du hast die 16-jährige am Nebentisch angebaggert, weil du innen drin auch 16 bist, wenn dein Eheweib definitiv nach 40+ aussieht??? Na??? – Na also…
Das Drumherum bei STATUS QUO
MH: Ok, ich überdenke das vielleicht nochmal. Anderes Thema: wie zufrieden bist du mit der Promo für das neue Album bis hierhin?
FR: Ich bin sehr zufrieden. Der Terminkalender ist voll, in England und hier auf dem Kontinent. Ich hoffe, dass sich diese Resonanz auf das Album und den Zuspruch der Fans überträgt. Wir hatten die Zeit, da wurde eine Single vorab veröffentlicht. Damit ging es – wenn der Song „lief“ – in Radio – und TV-Shows und alle waren heiß auf das Album. Aber die Zeiten sind vorbei! Wir veröffentlichen keine Singles mehr. Es gibt sie physisch nicht mehr.
Die Leute haben so einfach Zugang zu Musik – brandneues und altes Material – wie zu keiner Zeit zuvor. Vor 12 oder 15 Jahren kamen die ersten Leute auf STATUS QUO zu und meinten zu uns, Musik müsse frei erhältlich sein. Ich stimme ihnen 100% zu. Solange jemand meine Gasrechnung bezahlt, mir den Kühlschrank voll macht und die Weihnachtsgeschenke für die Familie spendiert – go ahead!
Wir gehen hier 500 Jahre in der Zeit zurück. Damals wurde der fahrende Sänger am Hofe des Königs für sein Können bezahlt. Tja – oder eben nicht. Ganz wie es dem König an dem Tag gefiel.
Etablierte Bands im Vorteil…?
MH: Nun bist du aber in der Position, mit STATUS QUO eine etablierte Band zu haben…
FR: Das stimmt wohl. Aber ich sehe es an einem meiner jüngeren Söhne. Der ging mit einer Gruppe Jungs zur Schule, die Musik gemacht haben. Das ist heute auch leichter als früher. Eine Ecke irgendwo, eine Amp, ein Drumcomputer, ein Computer für die Aufnahme – los geht’s. Aber dann kommt der harte Teil. Vermarktung und die Möglichkeit, das aus der Vermarktung Geld hängen bleibt. Und dieser Teil der Story ist mehr und mehr frustrierend für die jungen Leute.
Heute wirst du Bänker, Ingenieur oder was auch immer und machst nebenher Musik. In meiner Zeit in den Anfängen von STATUS QUO wäre das ein materialistisches No-Go gewesen. Also wenn Eltern sagen, befriedige deine Bedürfnisse durch einen Job und nicht durch die Musik, dann sollte man die Musik vielleicht besser ganz lassen.
Effektivität bestimmt das Handeln
MH: Frank – inwieweit waren oder sind STATUS QUO eine Band, die overspill recordings in der Schublade liegen haben?
FR: Aktuell haben wir nur einen Song nicht mit aufs Album genommen, weil er sehr spät fertig war und mir zum Schluss nicht recht gefallen hat. [Frank holt das Handy hervor und sucht in den Audiodateien nach dem Song] Da ist schon eine gewisse Atmosphäre, aber es fehlt das letzte Bisschen, you know what I mean?
Ideen gab es in der Band zu allen Zeiten ständig. Ich sitze nicht abends im Halbdunkel im Zwiegespräch mit höheren Mächten und warte auf die Eingebung. Wenn ich abends herumsitze und zur Gitarre greife, dann kommen die Ideen für eine Melodie. Oder manchmal auch nicht. Hier sieht man das Ying und Yang in der modernen Technik. Ich habe so etwas wie mein Notizbuch [er hält sein Handy hoch] immer und überall dabei.
[Er spielt einen weiteren Track] Hier, das ist nur der Beat einer Drum Machine. Warum ist da etwas Atmosphärisches…
MH: … Ghost in the Machine??? …
FR: … du liest zuviel gruselige Science Fiction, mein Sohn!
Die Sache mit Rick…
MH: Meine Frage hat einen einen eher traurigen Hintergrund gehabt. Denn ich würde gerne wissen, wie viele von Rick Parfitts Ideen ist auf „Backbone“ zu finden.
FR: Nichts, um ehrlich zu sein. So haben wir auch nie gearbeitet – jedenfalls nicht zuletzt und für Jahre davor. Was du auf „Backbone“ hörst, ist von mir und von mir alleine. Rick hat tolle und schöne Songs geschrieben, aber irgendwann hat ihn diese Gabe verlassen.
Er hätte es geschafft, sein Level zu halten, wenn er sich mehr angestrengt hätte. Dann andererseits musste er sich nicht abmühen, denn wir haben immer genug Songs ohne seinen Input zusammen bekommen für das jeweils anstehende Album.
MH: Hattest du Deja Vus im Studio an die Zeiten mit Rick, als „Backbone“ aufgenommen wurde?
FR: Nein sorry. Es wäre schön für den Mythos vom Rock’n’Roll-Lifestyle, wenn ich davon berichten könnte. Aber nein. Wir haben Rick immer unterstützt, wenn er nicht so konnte, wie er wollte – oder umgekehrt. Wir haben uns damit über Jahre arrangiert. Aber das hat nichts Nostalgisches.
STATUS QUO schießen aus allen Rohren
MH: In mehr als 50 Jahren deiner Karriere hast du technische Trends kommen und gehen sehen. Tapes waren hip, CDs waren hip, Vinyl war tot, jetzt lebt es wieder. In welchem Format würdest du „Backbone“ am liebsten veröffentlicht sehen?
FR: Ist mir egal!
MH: Warum?
FR: Weil wenn du den Song nicht magst, kaufst du ihn dir nicht, egal wie schön die Verpackung ist. Das Format spielt dabei keine Rolle. CD oder MP3? Egal. Wir haben jedes Format abgedeckt. Die Plattenfirmen sind gut darin eingespielt, dich als Band abzuzocken. Da spielt ein Format keine Rolle. Als Band bist du machtlos.
MH: Dann wäre doch die Alternative für eine Band, die Dinge in die eigenen Hände zu nehmen, um sich von den Labels selbständig zu machen.
Endlich die Wahrheit über Sex and Drugs and Rock’n’Roll!!!
FR: Das passiert heute auch, du weißt das bestimmt besser als ich. Aber immer noch zu viele Bands schauen zurück auf die späten 60er Jahre oder die 70er und fallen auf den Mythos rein von Sex and Drugs and Rock’n’Roll. „Wow, ich bin in einer Band! Wow, jetzt schnell ein Album und dann geht es los mit Sex and Drugs and Rock’n’Roll!“. Bullshit. Sie laufen etwas hinterher, was sie jederzeit haben können. Jeden Freitag- und Samstagabend. Geh‘ in deine Lieblingskneipe für den Rock’n’Roll, nimm‘ einen Drink weniger, als du vertragen kannst und dann nimm‘ deine Freundin mit nach Hause. Dann hast du Sex and Drugs and Rock’n’Roll. Dafür brauchst du nicht in eine Band zu gehen.

Francis Rossi 01
Opa ist ein Rockstar
MH: Und wo wir von den jungen Leuten sprechen: wie cool bist du in den Augen deiner Enkel?
FR: Für die bin ich – wie auch für meine Kinder – nur der Vater oder Großvater. Keiner von denen rennt rum und gibt damit an, er hätte einen berühmten Opa oder Vater. Einige meiner Kinder waren sogar zeitweise peinlich berührt, wenn sie mitbekommen haben, was STATUS QUO hier und da veranstaltet haben. Den meisten war es piepegal.
Swiss Connection
MH: Ich mag deinen unverstellten Blick auf die Gegebenheiten. Aber kommen wir nochmal auf die Musik zu sprechen. Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit mit den Schweizer Jungs von GOTTHARD für den Song „Bye Bye Caroline“?
FR: STATUS QUO und GOTTHARD sind sich seit den 1990ern mehrmals über den Weg gelaufen. Aber richtig kennen gelernt habe ich Leo [Leoni, git] eigentlich erst während der Tour von „Rock Meets Classic“. Es ist ein toller Effekt dieses Tourformats, dass man sich kennenlernt, auch wenn man aus ganz unterschiedlichen musikalischen Ecken kommt. Und Leo – wenn man bedenkt, dass er ein kleiner Italiener ist – hat sich als ganz wunderbarer Mensch erwiesen. Irgendwann hat er überlegt, mit uns einen Song zusammen zu schreiben. Da sagte ich ihm: „Moment mal, das ist vielleicht nicht nötig. Ich hätte da eventuell schon was Passendes.“. Dann bin ich mit ihm und Rick in unsere Garderobe gegangen und habe ihm was von meinem Handy vorgespielt. Das haben wir auf der Tour noch ein paar Mal besprochen und nach der Tour habe ich ihm die Files geschickt. Dann haben wir uns bei ihm in einem Studio getroffen, den Song eingespielt und fertig. Und einmal mehr war besonders mir egal, ob es den Leuten gefällt oder nicht. Den ich hatte den Spaß dabei, diesen Song auf die Beine zu stellen.
STATUS QUO vor der Bühne
MH: Gehst du eigentlich selber zu Livekonzerten?
FR: Nein, das reizt mich nicht. Ich blicke mit anderen Augen auf eine Show. Und – ganz wichtig – ich mag es viel lieber, meine Zeit Zuhause zu verbringen. Ich bin über Jahrzehnte soviel unterwegs gewesen, dass es für mich ein Ausdruck von Luxus ist, entscheiden zu können, abends einfach Zuhause zu bleiben. Die kleinen Dinge im Leben, du weißt schon…!
Ich habe mir die EAGLES angeschaut, in 2007, glaube ich. Und ich war ehrlich gesagt enttäuscht. Ich habe sie ’79 in der Wembley Arena gesehen. Ich war da mit ein paar Showbiz-Kumpels, Pete Townshend [von THE WHO] zum Beispiel. Wir standen da und sagten beide: „Fuck!“. Die EAGLES waren so großartig, dass es uns schon weh tat. Uns flogen die tollen Songs nur so um die Ohren, Mannomann. Und dann haben sie „Already Gone“ mit dem Orchester gespielt, meinen Lieblingssong von ihnen. Wow, das war ein Abend! Und mir wurde – wieder einmal – klar: die Leute kommen, um ihre Lieblingssongs zu hören, egal, wie sehr sie dir selber schon aus dem Hals raushängen. Das habe ich für STATUS QUO noch einmal mit nach Hause genommen. Als Musiker verfällt man gerne dem Trugschluss, dass die Leute auf dein Konzert gehen, weil sie dich mögen oder vielleicht sogar bewundern. Quatsch, träum‘ weiter. Sie sind da wegen deiner Songs, die ihnen etwas bedeuten oder die sie einfach nur gut unterhalten. Ende und aus.
Irgendwelche Idole, Herr Rossi…?
MH: Würde es Sinn machen, wenn ich dir ein Buch mit allen Telefonnummern von noch aktiven Musikern geben würde, damit du sie für eine spontane Session anrufen kannst? Wen würdest du anrufen und warum?
FR: Nein, das würde ich nicht tun. Du denkst gleich, ich würde tiefstapeln, aber ich bin ehrlich: egal, was andere Leute sagen – ich finde meinen Fähigkeiten an der Gitarre sind eher mittelmäßig. In meinem musikalischen kleinen Zirkel komme ich damit klar, offensichtlich. Aber wahrscheinlich ist unser Drummer sogar ein besserer Gitarrist als ich, und ich meine das jetzt 100% ernst. Und dann ist da wieder Anspruch und Wirklichkeit für mich. Die Leute denken, es muss doch toll sein, mit X oder Y jammen zu können. Für mich wäre es das nicht.
Eventuell würde ich überlegen, Jeff Lynne [von ELO] anzusprechen. Von ihm könnte ich mir was abgucken, wenn wir zusammen einige seiner Stücke zocken würden. Ich würde nicht meine Version seiner Songs spielen wollen sondern seine Songs ebenso gut wie er selbst, verstehst du? Denn ich möchte nicht mich spielen hören, sondern ihn.
MH: Frank, mit Blick auf die Zeit: vielen, vielen Dank für das Interview…!
— Danke an dieser Stelle an Achim, dass du so spontan Zeit hattest, unter der Woche mit deiner Kamera vorbei zu kommen!
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Bildquellen
- Francis Rossi 02: Bildrechte beim Autor
- Francis Rossi 03: Joachim "Achim" Meyer
- STATUS QUO: (c) metal-heads.de / Amir Djawadi
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