THE HAWKINS: Interview mit Johannes Carlsson
Interview mit Johannes Carlsson von THE HAWKINS zum neuen Album „Silence Is A Bomb“
THE HAWKINS bringen am 4. September 2020 ihr Album “Silence Is A Bomb” heraus.
Es ist ein vielschichtiges Album mit tollen Melodien und voller Energie geworden. (Mehr und Genaueres dazu in der Review.) Es gibt viel zu entdecken: musikalisch aber vor allen Dingen auch in den Lyrics. Da mir Wortspiele und Anspielungen z.B. auf Literatur, Musiker, Musikstücke oder Ideen Spaß machen, hatte ich auch in dieser Hinsicht viel (Entdecker-) Freude an diesem Album. Über zwei dieser Anspielungen habe ich mich mit Johannes Carlsson, der für die Lyrics verantwortlich ist, unterhalten.
Hey Johannes, die Texte auf eurem ersten Album „Aint Rock ‚N Roll“ sind sozialkritisch. Ob es um den Umgang mit Erwartungen geht, die die Umwelt an den Einzelnen hat, oder um ein Thema, das nicht nur in Schweden relevant ist: den Umgang mit Nazis (wie in „Fuck All I’m Outta Here“ oder „The Astronomical Fool“)
Die Texte des neuen Albums sprechen mehr oder weniger direkt persönliche oder soziale Aspekte an. Mir sind dabei auch einige interessante Anspielungen aufgefallen, zu denen ich dich etwas fragen möchte.
Erzähl‘ doch mal kurz aus deiner Sicht, worum es in den Texten geht.
Die Texte für „Silence is a Bomb“ sind wirklich sehr persönliche Geschichten. Es ist in gewisser Weise ziemlich verrückt, wenn ich darüber nachdenke. Fast jedes Lied ist ein Spiegelbild einer Person in einem extremen Geisteszustand. Für mich repräsentiert das Album den Aufbau von Dingen, über die ich bisher nicht gesprochen hatte. Und ja, um ehrlich zu sein, fast alle (!) Musik bietet die Möglichkeit, etwas auszudrücken, das man sonst nicht ausdrücken könnte. Dieses Album ist so voller intensiver Emotionen, dass das genau das ist, was es für mich darstellt.
Die Texte beschäftigen sich mit ernsthaften, lebensbestimmenden Themen. Die Musik ist Rock ‚N‘ Roll und dann wieder doch nicht, ein wenig Punk (?). Für mich die perfekte Musik, um mit einem Cabrio auf der Landstraße zu fahren. Temporeich, etwas chaotisch, verschwitzt und verkommen.
Zunächst erwartet man bei so einer Musik nicht unbedingt gesellschaftskritische und differenzierte Texte.
Wieso passt das für euch so gut zusammen?
Für mich funktioniert es gut aufgrund der Kontraste innerhalb des Songs und der Tatsache, dass es tatsächlich unerwartet ist und daher fasziniert oder sich reibt. Die wahrscheinlich größte Bedeutung hat beim Musikhören das Gefühl, etwas zu lieben, und dabei nicht wirklich verstehen zu können, warum man es tut. Du fühlst es in der Songstruktur, den harmonischen Anteilen, der Ausführung, den Texten und abhängig von dem Kontext, in dem die Musik gehört wird. Diese Momente treten entstehen von Zeit zu Zeit, wenn man Musik hört und erlebt. Sie sind wahrscheinlich das reinste Gefühl der Liebe, das ich fühlen kann. Für mich hat dies auch etwas Magisches. Es bringt mich dazu zu leben und mich zu entwickeln und etwas zu erschaffen. Und dieses Gefühl möchte ich durch meine eigene Musik hervorrufen. Das ist so etwas wie eine Bestimmung.
Welche Rolle spielt der Kontrast dabei?
Ich benutze gerne Kontrast, um etwas auf den Punkt zu bringen oder eine Reaktion hervorzurufen. Der Kontrast kann Abstraktion und unbeantworteten Fragen erzeugen. Weil Kontraste provokativ und unangenehm sein können und oft eine Menge Warum – Fragen hinterlassen. Vielleicht finde ich das Kontrast-Ding später langweilig, aber im Moment macht es Spaß.
Als ich den Titel des Albums sah, war ich schon sehr gespannt, was ihr daraus machen würdet.
Als ich den Text des Titelsongs gehört habe, in dem du auf „4‘33‘‘“ von John Cage in einem tollen Wortspiel Bezug nimmst, dachte ich daran, was Cage zum Thema „Stille“ gesagt hat. Also dass es keine Stille gibt, keinen leeren Raum oder leere Zeit, da immer Geräusche da sind.
Ich freue mich, dass du das mitbekommen hast! Ja, ich denke, das war teilweise einer seiner Gründe, „4’33“ zu schreiben. Ich war fasziniert von seinem Gedanken, dass er den Klang der Stille, der Umgebung mehr genoss als komponierte Musik. Weil ihm gefiel, dass Klänge nicht versuchen, etwas auszudrücken. Dass ihm die Geräusche so gefallen, wie sie sind, und nicht mit irgendwelchen Hintergedanken konstruiert wurden.
Was bedeutet Stille für dich? In welcher Hinsicht ist sie eine Bombe?
Die Stille, auf die wir in unserem Album Bezug nehmen, hat allerdings wenig damit zu tun. Ich wollte nur ein wenig über John Cage sprechen (haha). Die Stille auf die wir Bezug nehmen, ist mehr. Es ist die Stille, in der die Gedanken in einer Abwärtsspirale eskalieren. Aber es ist auch eine Stille, die durchbrochen wird. Der Ballon wird irgendwann platzen.
In „Cut Moon Bleeds“ nimmst du den Satz „Silence is a bomb“ wieder auf. Außerdem verwendest du mit „Mate Ka Moris Ukun Rasik An“ einen Titel von PROPAGANDHI, in dem die Menschenrechtsverletzungen in Ost-Timor durch das indonesische Suharto-Regime angesprochen werden.
Das klingt alles recht „kryptisch“. Worum geht es dir hier?
Du hast ja tatsächlich zugehört. Nicht alle Interviewer machen das (haha)! Das freut mich!
Ich bin ein bisschen ambivalent, wenn es darum geht, etwas in dieser Hinsicht über die Songs zu sagen. Einerseits sollen sich die Zuhörer mit dem, was der Song übermittelt, ein eigenes Bild machen. Das liebe ich an Kunst, dass man durch die Entwicklung und Interpretation eines Songs etwas nicht nur etwas über sich selbst lernen kann, sondern dass es auch eine „Kreativitäts-Dopamin-Kick“ werden kann.
Andererseits liebe ich die Analyse. Und ich verspüre den Drang zu erklären, was die ganzen Bezüge und Hinweise bedeuten.
Um also auf deine Frage zurück zu kommen: „Cut Moon Bleeds“ ist im Wesentlichen ein Lied über persönliche und kreative Freiheit. PROPAGANDHI symbolisieren das für mich. Ich habe mich in ihre Musik, ihre Texte verliebt und darin, wie sie als Band sind. Aber auch, welche Entscheidungen sie im Laufe der Zeit getroffen haben. Das hat viel für mich bedeutet.
Und alles begann mit dem Song „Mate Ka Moris Ukun Rasik An“. So gesehen ist diese Anspielung auch eine Hommage. Es gibt auch noch eine weitere Ansicht, die ich damit ansprechen möchte. Aber ich überlasse es dem Hörer, dies herauszufinden.
Übrigens, wenn du noch mal hinhörst, findest du wahrscheinlich noch weitere lustige Referenzen.
Ja, habe ich schon. Ich glaube, darüber könnten wir uns noch lange unterhalten. Für heute aber soll es erst einmal genug sein.
Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern mit auf den Weg geben willst?
Ja, zieht euch unser neues Album „Silence Is A Bomb“ rein. Hört es vom Anfang bis zum Ende und wiederholt das Ganze!
Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Danke für die Antworten!
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Bildquellen
- The Hawkins Köln Blue Shell 10: Bildrechte beim Autor
- the hawkins johannes carlsson: soundchaser@metal-heads.de
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