WORDS OF FAREWELL – das Interview

Interview mit Leo von WORDS OF FAREWELL zum RAGE AGAINST RACISM – FESTIVAL 2023
Bis zum Rage against Racism – Festival ist es nicht mehr lange. Und wie in jedem Jahr stellen wir euch die Bands vor, die mit dabei sind. Heute sind WORDS OF FAREWELL an der Reihe, die am Samstag, den 10. Juni 2023 spielen werden.
Ich hatte das Vergnügen, Leo (Keyboards) ein paar Fragen zu stellen, auf die er ausführliche und informative Antworten gegeben hat.
Leo, kannst du WORDS OF FAREWELL kurz vorstellen? Wie kam es zur Bandgründung und was sind deiner Ansicht nach eure wichtigsten Stationen?
Gegründet haben wir uns im Jahr 2006. Also ursprünglich entstanden aus dem gemeinsamen Musizieren im Schulorchester in Marl. Irgendwann fragte mich der verrückte Gitarrist von links „Bock auf eine Melodic Death Metal Band?“, und dann nahm das Ganze ziemlich schnell Fahrt auf.
Nach euren ersten Aufnahmen habt ihr ja schon bald ein Label hinter euch gehabt.
Ja, nach den ersten Produktionen in Eigenregie kontaktierten uns AFM Records aus Hamburg, mit denen wir dann in den Jahren 2012, 2014 und 2017 drei Studioalben veröffentlichten („Immersion“, „The Black Wild Yonder“, „A Quiet World“). 2020 erschien die EP „Inner Universe“, diesmal wieder komplett do-it-yourself. Daraufhin wurde das Label Seek&Strike Records aus Kalifornien auf uns aufmerksam, mit denen wir seitdem zusammenarbeiten. Die jüngste VÖ ist „Inner Universe II“ aus dem Jahr 2021. Aber wir arbeiten bereits an der nächsten Scheibe!
Die Worte, die ein Mensch vor einem Abschied auf Ewig sagt
Und wie war es mit Shows und Auftritten auf Festivals?
Die größeren Live-Auftritte auf Shows und Festivals quer durch Deutschland und auch im Ausland waren für unsere Entwicklung enorm wichtig. Und es war ein unbeschreibliches Gefühl, bereits mit einigen unserer größten Idole wie z.B. DARK TRANQUILLITY, INSOMNIUM, SCAR SYMMETRY die Bühne geteilt zu haben. Absolut großartig.
Das kann ich mir vorstellen. Was ich mich gefragt habe: woher kommt eigentlich euer Bandname?
Das müsste nun eigentlich unser Sänger Alex beantworten. Also ursprünglich kommt der Name aus dem Japanischen und meint die letzten Worte, die ein Mensch vor einem Abschied auf Ewig sagt.
So nah am ‚Abschied auf Ewig‘ klingt ihr eigentlich nicht. Was, welche Art Musik erwartet den Hörer, wenn er sich euer letztes Album anhört?
Brachiale Riffs, filigrane Gitarrenarrangements, detailverliebte Keyboards, aggressive Growls und an der einen oder anderen Stelle sparsam eingestreute Clean-Vocals.
Ok. Und was wird er außerdem zu sehen und zu hören bekommen, wenn er zu eurer Show beim RAGE AGAINST RACISM kommt? Zunächst einmal: sechs gut gelaunte, attraktive und bühnenerprobte Musiker. Wir lieben es, live zu spielen und die Energie ins Publikum zu transportieren. Das machen ja auch die Top 3 der Sätze, die wir am öftesten nach den Shows hören, deutlich: 3) jetzt verstehe ich, warum ihr euch vor der Show aufwärmt 2) warum habt ihr noch nie in Wacken gespielt? 1) Alter, seid ihr tight!
Da bin ich gespannt, welche Sätze ihr nach dem Rage zu hören bekommt. Aber mal wieder zurück zur Musik: Auffallend an eurer Musik ist ja u.a. der Einsatz von Keyboard/Sythesizer. War das von Anfang an so geplant? Oder wann ist das Keyboard dazugekommen?
Es war immer geplant, Musik im Stil der Göteborger Schule zu machen, also Richtung alte IN FLAMES, DARK TRANQUILLITY, so was in der Art. Der allererste Song, den wir jemals zusammen gezockt haben, war „Sixpounder“ von CHILDREN OF BODOM. Dort ist das Keyboard ja alles andere als hintergründig. Dabei ist uns aber immer wichtig gewesen, dass die Keys nicht zu „bratpfannig“ oder dominant sind, das kann dann nämlich schnell mal billig klingen.
Keyboard im Metal
Das Keyboard ist im Metal ja nicht ‚obligatorisch‘. Welche speziellen Möglichkeiten ergeben sich für dich/für euch durch Keyboard/Synthesizer?
Ich liebe es, mit Sounds zu experimentieren. Da hat man am Syntie schon nochmal ganz andere klangtechnische Möglichkeiten. Im Songwriting lässt sich durch gezielten Einsatz von Keys noch eine ganz andere atmosphärische Ebene erreichen – auch wenn es natürlich manchmal anstrengend sein kann, wenn man es zu sehr übertreibt.
Über die Verwendung des Keyboards im Metal gibt es ja schon recht unterschiedliche Ansichten.
Ich weiß, Keys im Metal spalten die Geister. Aber ich finde, Größen wie Flake von RAMMSTEIN oder Jordan Rudess von DREAM THEATER, haben gezeigt, was alles machbar ist. Ich würde niemals wagen, auch nur annähernd einen Vergleich zu bemühen – ich versuche einfach, in unserer Musik den Mehrwert und mögliche Innovationen aufzuzeigen, ohne den kompromisslosen Gitarren (und das müssen sie auch sein!) den Raum streitig zu machen.
Gibt es ein (Metal) Album, bei dem das Keyboard eine wichtige Rolle spielt, das dir besonders gefällt?
Ich war seit früher Kindheit großer Fan des skandinavischen Melodic Death Metal; absolut herausragend in Sachen Keys waren für mich allerdings „Scenes From A Memory“ und „Systematic Chaos“ von DREAM THEATER. Rudess, dieser verdammte Zauberer!
The Inner Universe of WORDS OF FAREWELL

Euer aktuelles Album „Inner Universe II“ (so wie auch „Inner Univers I“) ist direkt, kraftvoll und dabei melodisch. Und bleibt dabei trotzdem aggressiv und schroff (und das gefällt mir daran). Ich habe den Eindruck, dass ihr von Album zu Album mehr ausprobiert habt und auch immer mehr progressive Elemente genutzt habt. Kannst du das bestätigen?
Kommt drauf an, was man unter progressiv versteht. Wenn man dabei eher an vertrackte Rhythmen und spielerische Arrangements denkt, finde ich tatsächlich unser Album „A Quiet World“ am proggigsten. In den letzten beiden EPs ging es wieder etwas mehr Richtung straight-forward-in-your-face. Soundtechnisch sind die beiden EPs jedoch mit Sicherheit deutlich moderner. Insofern ist auch da „progressiv“ nicht verkehrt, wenn es eher um modernen, fortschrittlichen Sound geht. Und an den Vocals haben wir zum Beispiel tatsächlich in den neuesten Produktionen einiges mehr ausprobiert, das stimmt wohl.
Wie ist es dazu gekommen, dass ihr statt eines Albums zwei EP veröffentlicht habt?
Momentan streiten sich die Gelehrten, wie sinnvoll es in Zeiten von schnelllebigen Streamingdiensten und Videoplattformen noch ist, komplette Alben zu produzieren und rauszuhauen. Supertraurig, egal von welcher Seite aus betrachtet. Kaum jemand nimmt sich noch die Zeit, wirklich ein komplettes Album bewusst am Stück zu hören. Bei uns lag die Entscheidung zur EP aber eher an pragmatischen Dingen: Die erste EP haben wir komplett in Eigenregie produziert und veröffentlicht. Das war ein Testlauf, um zu schauen, was wir auf eigene Faust erreichen können.
„Inner Universe I“ war ja auch bald komplett ausverkauft.
Ja, und jetzt müssen wir zusehen, dass wir unsere Hörerschaft erweitern und neue Regionen erreichen. Das geht tatsächlich etwas besser, wenn man nicht direkt all sein Pulver auf einmal verschießt.
Metalcore und skandinavischer Metal
Da habt ihr dann auf dem Rage eine gute Möglichkeit, neue Fans zu gewinnen. Welche Beziehung habt ihr eigentlich zu Metalcore? Wie weit seht ihr eure Musik in dieser Nähe oder davon beeinflusst? Manchmal ‚blitzt‘ da so was auf.
Hui, das ist ein sehr weites Feld. Mit klassischem Metalcore haben wir an sich nicht viel zu tun, auch wenn es sicherlich Gemeinsamkeiten gibt. Aber Melodic Death Metal und Metalcore sind schon zwei sehr verschiedene Welten. Lustigerweise spielt unser Drummer aber zum Beispiel in einer Metalcoreband Gitarre. Da er bei uns auch viel am Songwriting beteiligt ist, schließt sich die eine oder andere Ähnlichkeit nicht aus.
Manchmal werdet ihr dem skandinavischen Metal zugeordnet oder auch mit IN FLAMES verglichen. Welche Übereinstimmung siehst du? Gibt es ein Album von IN FLAMES, das dir gut gefällt?
Die alten IN FLAMES sind großartig. Großer Fan. Alles bis zur „Come Clarity“ lief damals rauf und runter in unseren Playlists. „Colony“, “Reroute to Remain“, „Soundtrack to your Escape“ – you name it! Insbesondere unsere Gitarristen haben sich in den Kindertagen der Band maßgeblich von Jesper und Konsorten beeinflussen lassen. Selbst wenn wir vielleicht nicht so klingen wie IN FLAMES – sie waren für uns damals in den 2000ern Einstiegsdroge und Startschuss.
Waren Alexander und du die beiden gitarrenbegeisterten Jungs, die 2006 beschlossen, eine Heavy Metal Band zu gründen? Ihr seid zumindest diejenigen, die von Anfang an dabei waren, oder? Seid ihr dafür zuständig vorzugeben, wie WORDS OF FAREWELL klingen sollen? Oder wie sieht Songwriting bei euch aus?
Die beiden gitarrenbegeisterten Jungs waren Erik und Phillipp (er ist nicht mehr dabei), Alex und ich haben mit Vocals und Keys komplettiert. Den größten Output gab es selbstverständlich damals, einfach, weil wir als Schüler im Vergleich zum Studium und Berufsleben noch deutlich mehr Zeit hatten. An sich ist bei uns Songwriting aber sehr offen und demokratisch – wenn jemand eine Idee hat, schauen wir, ob sie allen gefällt. Wenn ja, wird sie weiterverfolgt. Wenn nein, wird entweder so lange gemeckert, bis sie verändert wurde und gefällt – oder erstmal zu den Akten gelegt wird.
Endlich wieder live
Wer schreibt bei euch die Texte? Woher kommen die Themen? Gibt es – aus deiner Sicht – so etwas wie einen roten Faden (z.B. bei „Inner Universe I und II“)?
Das ist tatsächlich eine Frage, die Alex beantworten müsste, denn er schreibt fast alle Texte. Er beschäftigt sich beispielsweise auf den neueren Scheiben viel mit Tiefen und Abgründen der menschlichen Psyche. Themen, bei denen uns insbesondere im amerikanischen Raum oft schon das Feedback entgegengebracht wurde, dass Menschen sich in den Texten wiederfinden und sie ihnen eine echte Hilfe sind. Aber wie gesagt – das müsste jetzt Alex genauer beantworten!
With venues closed, concerts postponed, festivals cancelled, and stages empty, it feels like we all are stuck in limbo. But metal ist very much alive. Metal will be back! Til we meet again, dear friends.
Im Video von „Born of Sleep“ steht im Vorspann: „With venues closed, concerts postponed, festivals cancelled, and stages empty, it feels like we all are stuck in limbo. But metal ist very much alive. Metal will be back! Til we meet again, dear friends.“ Inzwischen konntet ihr wieder auftreten und habt in den letzten Wochen mehrere Shows gespielt. Habt ihr den Eindruck, dass der Metal „zurückgekommen“ ist?
Zumindest sind wir es! Es war nach den letzten Jahren echt wie eine Art Aufwachen. Teilweise lief es noch etwas schleppend an, aber inzwischen ist es bei den Shows wirklich wieder wie früher oder sogar noch etwas besser. Die Konzerte sind in unserem Fall etwas größer geworden und wir erschließen neue Gegenden und Hörer. Allerdings haben wir von vielen Veranstaltern, dass es momentan noch echt hart ist. Vorverkäufe laufen nicht mehr so gut wie vorher, gleichzeitig wird alles noch teurer als bisher.
Welche Konsequenzen hat das konkret für die Konzerte und speziell für euer Konzerte?
Das heißt, die Leute überlegen sich sehr gut, für welches Konzert sie Geld ausgeben wollen. Das ist für uns noch fast ein Glücksfall: da wir oft selbst veranstalten, können wir die Preise einigermaßen niedrig halten. Aber Bands im mittleren Preissegment, also diejenigen, bei denen Konzerttickets zwischen 40 und 60 Euro kosten sollten, damit es sich rentiert, haben momentan glaube ich echt die Arschkarte gezogen.
Wie schätzt ihr die aktuelle (Death) Metal Szene ein, wie lebendig erlebt ihr sie?
Ich glaube, momentan sind viele einfach dankbar, dass es wieder vorwärts geht. Diejenigen, die schon vor zehn Jahren im Death Metal zu Hause waren, sind nach wie vor treu. Gleichzeitig sehen wir auch viele jüngere Fans auf unseren Shows. Aber man muss den Leuten halt gute Angebote machen und abliefern, statt auf der Stelle zu treten und im Gestern stehenzubleiben. Musik ist ein Kontinuum, das sich ständig verändert und weiterentwickelt – und so tun es auch die Fans. „Früher war alles besser“ zu sagen, fände ich sehr platt, denn das war es nicht.
Rage against Racism und der Vorzug kleinerer Bühnen
Ihr spielt im Juni auf dem Rage against Racism – Festival. Welche Berührungspunkte mit dem Thema Rassismus habt ihr als Band, bei euren Shows?
Bei unseren Shows selbst hatten wir glücklicherweise bisher keine direkten Berührungspunkte, denn wir haben die Metalheads auf unseren Konzerten bisher immer als äußerst tolerante und weltoffene Menschen kennengelernt. Wir lehnen Festivals und Shows, auf denen tendenziell nationalistisches oder fremdenfeindliches Gedankengut verbreitet wird, allerdings auch grundsätzlich ab. Bekämen wir eine entsprechende Anfrage, würden wir direkt ablehnen.
Das Rage against Racism ist kein großes Festival. Spielt ihr eigentlich lieber auf großen oder kleinen Bühnen?
Ganz klares „beides“! Wir lieben es, nah am Publikum zu sein und mit den Leuten zu interagieren. Man kriegt eine direkte Rückmeldung über das, was man auf der Bühne tut und wie es draußen ankommt. Das geht auf größeren Bühnen schnell verloren. Man ist weiter weg und hört tatsächlich auch weniger von den Leuten. Gleichzeitig hat es natürlich einen ganz besonderen Charme, auf einer großen Bühne für viele glückliche Metalheads Musik zu machen.
Was wünscht ihr euch vom Rage against Racism – Publikum? Und gibt es etwas, das du unseren Lesern bis dahin mit auf den Weg geben willst?
Wir spielen sehr früh am Samstag. Wir wünschen uns, dass sich die Metaldurstigen hierdurch nicht davon abhalten lassen, trotzdem abzugehen und mit uns ordentlich Party zu machen – betrachtet es als Warm-Up für einen großartigen zweiten Festivaltag! Und an die Leser: falls ihr noch die Zeit habt, haut uns in eure Playlists und verliert euch auf der Schatzsuche in unserer Musik – es lohnt sich, die vielen kleinen Details zu entdecken!
Das kann ich nur unterstreichen! Ich freue mich auf das Rage, eure Musik, die Leute dort! Für heute erst einmal: herzlichen Dank für das Interview!
Und hier eine Kostprobe:
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Bildquellen
- Words of Farewell 2022: Words of Farewell
- Words of Farewell band: Words of Farewell band
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