DVD Review „The Ritchie Blackmore Story“ (VÖ: 20.11.2015)
Musikalisch „Wow“, privat „Mau“
Über 134 Minuten Gesamtlaufzeit bietet uns die vorliegende DVD-Dokumentation „The Ritchie Blackmore Story“ , die just am 20.11.2015 beim Label Edel Germany GmbH erschienen ist. Eine hochinteressante musikalische Retrospektive mit verhältnismäßig wenigen privaten Einblicken. Ein für dieses Genre klassischer Mix aus Live Schnipseln, vornehmlich aus der Deep Purple Ära und Interviews mit dem Who is Who sind hier 1a aufeinander abgestimmt und in künstlernaher Atmosphäre dargeboten.
Insight Stories
Die Macher gehen hier chronologisch vor und streuen immer wieder schöne Insight Stories ein, die einem das Weggucken – geschweige denn Ausschalten – einfach unmöglich machen! Die Ritchie Blackmore Story ist zwar eine mehr musikalische Story, aber sie vermag es, uns die Person Ritchie Blackmore gut nahe zu bringen. So hält man sich nicht lange mit den üblichen Eckdaten auf, wie z.B. dass good old Richie, geboren in 1945, natürlich ein krasser Außenseiter und Einzelgägnger war, der schon mit 5 Jahren durch merkwürdige Kommentare auffiel und konsequenterweise ein schlechter Schüler aber exzellenter Musiker war. Ja, wir kennen diese a-typischen Stories bekannter Musiker, nur hier erzählt Ritchie sie selbst und zwar mit einem sehr netten Schmunzeln, bei dem sich der weltberühmte Schnäuzer auf und ab bewegt. Wer den Saitenhexer bisher nicht kannte, wird ihn hier kennenlernen und sich selbst fragen: „Warum erst jetzt?“ Und eine weitere Frage, nämlich die nach seinem Ansehen und Status, bzw. doch eher verhaltenen Bekanntheitsgrad, stellen sich auch die vielen populären Interviewpartner, alle voran Gene Simmons von Kiss.
Als Schmied eines der wohl bekanntesten Gitarrenriffs (Smoke On The Water) sollte der Mann doch eigentlich dort oben im Gitarrenolymp stehen, mit Eddie, Jimi und Jimmy. Die Doku erläutert mit der nötigen Geduld, wie es sich um Ritchie Blackmore verhielt, wie schwierig der Umgang mit ihm war/ist und wie sehr sich genau dieser Fakt auch auf sein Image auswirkte und aus ihm praktisch den Chuck Norris der Gitarrenwelt machte.
Posterboy im Kinderzimmer zukünftiger Stars
Illustre Musiker wie Steve Vai, Joe Satriani und Lars Ulrich verbeugen sich verbal vor dem Purple Gitarristen. Sie erinnern sich an Zeiten, in denen in ihren Kinderzimmern Poster von Ritchies Strat, oder von Deep Purple hingen und wie der Musiker Einfluss auf sie nahm. Brian May hinterfragt wo Ritchie diese Technik her hatte – und auch Steve Lukather fragt, wie Blackmore noch zeitlich vor Hendrix so innovativ sein konnte. Und immer wieder werten geschickt ausgewählte Live Sequenzen diese Doku auf und lassen sie hervorstechen aus dem Dschungel, sonst oft weniger gut recherchierter Musikdokus.
Das As der Londoner Szene
Ritchie Blackmore ist ein Misterium, welches eigentlich seit Jugend an der beste Gitarrist sein wollte und es im harten England der Nachkriegszeit schnell zum angesagten Session Musiker in London schafft. Touren mit Jerry Lee Lewis und Gene Vincent festigen seinen Ruf als As! In der Band von Chris Curties lernt er Jon Lord kennen, der Rest ist Geschichte. Im September 1968 folgt das erstes Deep Puple Album und es wird die Welt des Hard Rock für immer verändern.
Eine ehrliche Haut mit einem Bier in der Hand
Die Interviews mit ihm finden überwiegend in „Kneipenatmosphäre“ mit einem Bier auf dem Tisch statt. Ritchie ist gesprächig, wirkt wie der Kumpel von nebenan und lässt einzelne Milestone Stationen offen und ehrlich Revue passieren. Es wird auf der DVD nicht zu tief analysiert, die Interviewpartner sprechen eher als Fans, denn als Musiktheoretiker. Was auch auffällt, ist das alle Beteiligten sich gut artikulieren in der englischen Sprache und daher sehr gut zu verstehen sind – ein dicker Pluspunkt, der den Spaßfaktor weiter nach oben treibt. Einziges Manko ist allerdings, dass wir keinen Song komplett zu sehen/hören bekommen. Zudem hätte der Fokus auch etwas mehr auf Ritchie liegen können, denn so wirkt es stellenweise zu sehr wie eine reine Deep Purple Story.
Rauch auf dem Wasser und der ewig Unzufriedene
Der Casinobrand in Montreaux, bei dem der Rauch über den anliegenden See zieht inspiriert Richie zu einem Jahrhundertriff – Smoke On The Water. In lebhaften Bildern erzählen die Zeitzeugen von dieser wunderbaren Geschichte. Jedes Kind das Gitarre spielen lernt, versucht sich irgendwann an diesem Riff. Ritchies emotionaler Ansatz beim Musizieren war ein echter Game Changer in der Gitarristenszene. Es wird klar, dass Ritchie sein Leben lang auf der Suche nach den richtigen Musikern war. Letzten Endes muss man anerkennen, dass er einfach nur ehrlich sein Ziel verfolgte und keine Kompromisse eingehen konnte und wollte. Und genau das polarisierte die Menschen und Fans.
Go Wild In California
So wie beim Cal Jam hat man Ritchie nie zuvor gesehen. Die kurzen Einspieler auf der DVD sind beeindruckend. Der Emotionale Peak, in dem Blackmore seine Gitarre zerschmettert und ins Publikum wirft, um anschließend die Petroleum getränkten Marshalls in die Luft zu jagen – ein Statement für die Ewigkeit – etwas, das wir heute bei kaum noch einem Musiker erleben. Hier geht es nicht um sinnlose Eskapaden im Gangster Rapper Style, hier geht es um ein komplettes Statement, um einen vorläufigen Höhepunkt eines Lebenswerkes. Dieser wichtige Punkt in der Karriere ist gut eingefangen auf der DVD durch die Interviewpartner herrlich in Worte gepackt.
Am Ende des Regenbogens wartet die dunkle Seite
Der Rainbow-Ära wird glücklicherweise ein sehr großes Kapitel gewidmet. Mit Ronnie James Dio trifft Blackmore wieder auf frischen musikalischen Input. Schöne Anekdoten darüber, wie alle Rainbow Musiker herausfinden dass ihre gemeinsame Lieblingsband ABBA ist, machen diese Doku sehr sympathisch. Der Bericht beschönigt aber auch nicht die dunkle Seite des Herrn Blackmore – er konnte auch handgreiflich werden, wie z.B. Brian May bezeugt. So bestätigt Ritchie selbst, dass er hart an sich arbeiten musste um sein Temperament in den Griff zu bekommen.
Personalkarussell
Im Zuge der Doku werden wir immer wieder Zeuge des stetig rotierenden Bandkarussells und der musikalischen Entwicklung, in welcher Ritchie auch lernen muss mit der Zeit zu gehen. Nach allem was man bisher in dem Bericht gelernt hat, stellt man sich die Frage ob es in 1993 nicht die beste Entscheidung für alle war, dass Ritchie Deep Purple verließ.
Gusto mit Nachgescmack
Der Bericht hinterlässt einen sehr gemischten Nachgeschmack, der zwar keinen Zweifel am musikalischen Können des Mr Blackmore lässt, aber auch ehrlich zu der Frage anregt, ob seine vertrackte Art nicht auch oft eine Kreativbremse war. Letzten Endes können wir nur hoffen, dass er in dem mittelalterlichen Musikprojekt mit seiner Angetrauten seine Erfüllung gefunden hat.
Mehr ist mehr
Wer mehr will muss sich das komplette Bonusmaterial anschauen, denn hier geht der Bericht erst richtig ans Eingemachte. Ritchie plaudert offen über seine Schulzeit, über Amerika, Mitmusiker, Einflüsse und vieles mehr. Zwar sind die Parts für sich gehalten immer nur relativ kurz, aber sie offenbaren sehr schöne Insights.
Gelungenes Werk
Die Ritchie Blackmore Story ist eine durchweg gelungene Dokumentation, die alle Schaffensphasen durchleuchtet und einen schönen Einblick in Richies musikalische Geschichte bietet. Ein sehr gelungenes Werk, dass auch absoluten Nichtfans und Unwissenden einen abwechslungsreichen und interessanten Dokutrip bietet. Das Gesamtpaket wartet dann auch noch mit einer Doppel-CD auf. Eine absolute Kaufempfehlung – Daumen hoch, Musikerherz was willst du mehr?!
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Bildquellen
- Richie Blackmorre: www.amazon.de
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