Lenny Kravitz live auf DVD – „Just Let Go“ (VÖ: 23.10.2015)
Einen 150-minütigen Ohren- und Augenschmaus bietet uns die am 23.10.2015 erschienene Live-DVD „Just Let Go“ von und mit Lenny Kravitz.
Kein Bandmusiker – aber ein ganz normaler Typ, der die Musik liebt
Mit der ersten Einstellung offenbart Lenny uns einen Fakt:
„Ich wollte immer in einer Band sein…doch irgendwie endete ich als Solomusiker.“ So zumindest tönt seine Stimme aus dem Off, während wir vollkommen gegensätzlich zu dieser Aussage Zeugen eines freundlichen, intimen BAND Rituals werden, wahrscheinlich kurz vor der Stage Time gefilmt. Und ganz ehrlich, ob als Bandmusiker oder nicht, Herr Kravitz macht seinen Job als Rockstar plus Band großartig und scheint einen direkten Draht zu seiner gesamten Entourage zu haben.
Die uns vorliegende DVD präsentiert Live-Material der 2014er Europatournee in einer sich abwechselnden Mischung aus eben diesem Livematerial und diversen Interviews, mit dem Protagonisten und seinen Begleitmusikern. Die gefilmten Interviewsequenzen wirken zum Großteil authentisch und schnell wird deutlich, dass Lenny Kravitz sich stets in der Musik verliert, diese fühlt und live zu seiner wahren Identität findet.
Luxus Bonus mit Tiefblick
Die beim Label Eagle Vision/Edel erschienene DVD wartet mit einigen Bonussongs auf, die alle durch die Bank weg dem eigentlichen Hauptmaterial in Nichts nachstehen – ein Luxus den sich wahrlich nicht viele leisten können! Bei Lenny Kravitz gibt es keinen Ausschuss, wir bekommen 150 Minuten satte Qualitätsware.
Die Filmemacher finden einen sehr schönen Mittelweg, der die Message nicht zu tiefgründig und verkopft werden lässt, bzw. keine Ungleichgewicht zwischen musikalischer und persönlicher Information entstehen lässt. Ein kluger Schachzug – bedenkt man, dass hier die große Fan-Vielfalt von der Familienmutter bis zum Motorradrocker gleichermaßen auf ihre Kosten kommen möchte.
Man hält sich an der Oberfläche auf und bekommt trotzdem einen interessanten Einblick. Hierbei glänzt das Material mit gleichbleibender Qualität im Hauptfilm als auch im Bonusmaterial.
Retrosound und Look mit richtig guten Musikern der weiblichen Fraktion
Vom genialen Backgroundgesang bei „Fly Away“ bis zu den deftigen Grooves und Beats stimmt hier einfach alles. Die Bläsersätze kommen cool und lässig rüber und würzen die jeweiligen Songs immer wieder mit frischen Elementen. Und über allem thront der Verfechter der Gleichberechtigung – Lenny Kravitz. So finden wir an Drums & Bass mit Cindy Blackman und Gail Ann Dorsey virtuose Vertreterinnen der weiblichen Musikerfraktion.
Die abgestimmten Choreographien und stylischen Retro-Outfits passen einfach herrlich zusammen. Bei „Dirty White Boots“ hören wir schöne Vintage Sounds beim Gitarrensolo. Da schlägt das Gitarristenherz natürlich gleich höher! Gibson-lastig und sehr rockig werden die einzelnen Songs dargeboten. Bei „American Woman“ wird deutlich, wie distinkt Lennys Gespür für das „Live in Szene setzen“ seiner Songs ist. Und wenn man den Interviews genau lauscht, dann wundert einen die folgende Aussage des Gitarristen Craig Ross kaum, der zum überragenden Zusammenspiel auf der Bühne gemeinsam mit Lenny Kravitz folgendes von sich gibt:
„Ich denke, es ist das beste Lineup in dem ich je gespielt habe. Es reicht in dieser Band nicht aus, nur einen einzigen Stil spielen zu können, man muss eine weite Palette authentisch beherrschen, um hier zu bestehen.“
Was fürs Auge und fürs Ohr
Im Perlmutt Ketten-Muskelshirt und mit der obligatorischen Sonnenbrille auf der Nase, trägt Lenny hier gewohnt dick auf. Aber er war halt schon immer dafür bekannt, auch besonders den weiblichen Fans etwas fürs Auge zu bieten. Und das gelingt durchweg. Aber nicht nur der Frontmann sondern auch alle anderen Musiker setzen sich gut gestylt in Szene.
„Strut“ bildet das erste Highlight der – nennen wir sie mal Nicht- Hits. Der Rhythmus treibt einen voran und Craig Ross entlockt der weißen Gibson Les Paul Custom anspruchsvolle Zwischensoli mit dickem Sound. Es macht Spaß, der Combo zuzuhören.
Ein gekonnter Trommelwirbel der Superdrummerin leitet „It Ain’t Over ‚Til It’s Over“ ein, die Überhymne im Repertoire des Herrn K. Lässig trägt er die Les Paul auf den Rücken geschwungen und singt sicher seinen großen Hit, um dann ein wirklich tolles Solo zu spielen, das mit warmen Sounds und gekonnten Licks überzeugt. Er hat es halt drauf! „New York City“ bildet die Ode an die Stadt, die ihn wohl am meisten prägte. Sicherer Disco Beat vom Bass und feine Filmschnipsel unterlegen gut die Großstadtstimmung. Und der Sound trägt uns davon, unterlegt von feinen Kadenzen im Refrain, die noch lange nachhallen. Ein wirklich charmanter Song, der die Klasse der Musiker , mit der Dynamik zu spielen, sehr schön zum Vorschein bringt. Das Bad in der ersten Reihe genießt Lenny Kravitz sichtlich, während Craig Ross seine Rhythmusgitarre in Hendrix´ „Foxey Lady“ Stil kitzelt und die Menge lauthals „New York, New York“ im Refrain mitsingt. Das ist große Klasse.
Die Aufnahmen des Soundchecks offenbaren, dass wir hier wahrscheinlich sehr wenige Overdubs vermuten dürfen. Es sitzt alles locker, flockig, tight!
Rock und Groove wie vom Musikgott persönlich komponiert
„Always On The Run“ glänzt groovend und schmatzend. Die Nummer rockt, dass sich die Träger der Halle zu verbiegen drohen. Mit zwei schwarzen Custom Les Pauls fliegen Lenny und sein Gitarrenmann einen Funk Blues Soul Angriff auf uns, der zudem noch von ultracoolen Fingerakrobatik des Gitarristen gekrönt wird. Hier muss doch der Musikgott persönlich seine Finger im Spiel haben, denn diese Live Interpretation ist unverschämt gut. Und genau bei dieser Nummer wird klar, dass Lenny Kravitz keine hohlen Phrasen drischt wenn er im Interview preisgibt: „Ich lasse die Band gerne atmen und gebe den Musikern wirklich viel Freiraum.“
Gerade die Brass-Section (Blasmusiker) darf ihre Instrumente gekonnt an die Grenze treiben.
Neue Sounds
Sein neuester Hit „The Chamber“ sorgte beim ersten Hören für erstaunte Gesichter und Kritikerstimmen wurden laut, dabei kommt er live richtig gut rüber. Siebziger Jahre Pop Rock mit Kiss Anleihen, treibendem Bass und tightem Rhythmus. Live ist Live und an „The Chamber“ erkennt man gut, wie schön sich ein Song live entfalten kann.
Ohne Sonnenbrille, ohne Netz und doppelten Boden
In „Let Love Rule“, trifft man dann auf den besinnlichen Lenny Kravitz, ohne Sonnenbrille, ohne Netz und doppelten Boden. Seine Gibson ES spielt er bluesig angerissen und wechselt die Dominant Septakkorde gekonnt. Semiakustischer Klang, weich und bluesig. Lenny ruled mit seiner rauhen Stimme und die Hammond B3 tönt erneut im vielgeliebten 70’s Style.
Ein Feuerwerk, das man so schnell nicht vergisst
Mit der Flying V bewaffnet lässt Kravitz bei „Are You Gonna Go My Way“ ein wahres Feuerwerk auf uns los. Wie ein aggressiver Hornissenschwarm meißelt sich die Nummer in unsere Ohren. Das Publikum frisst dem Leitwolf aus der Hand. Nur zu gerne würde man genau in diesem Moment in der Menge stehen und mitfeiern. Cool, wie die Drummerin dann in eine Schluss-Jam überleitet, um so Lenny den Weg zu bereiten, damit dieser sich vom Publikum verabschieden kann. Es sind genau solche Musiker und Wegbegleiter, die oftmals das Zünglein an der Waage sind und Lenny Kravitz hat mit der Wahl seiner musikalischen Begleiter einen perfekten Griff getan.
Alles in allem ist dieser etwas andere Konzertfilm sehr kurzweilig und man kann ihn getrost in einem durch schauen. Gerade die Interviews lockern das Werk enorm auf und über die Songauswahl, Qualität und Aufmachung lässt sich hier gewiss nicht streiten. Die Kameraperspektiven aus dem Zuschauerraum heraus und von der Bühne hinein in die Halle sind gut getimt. Wer auf den besonderen Retro Sound im zeitgemäßen Soundgewand steht und sich auch noch für die eine oder andere Hintergrundinformation interessiert, ist hier bestens bedient.
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Bildquellen
- Lenny Kravitz: www.amazon.de
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