Björn Gooßes von KILLUSTRATIONS im Interview

‚metal-heads.de‘ schaut auch mal gerne hinter die Kulissen.

Vor einiger Zeit hatten wir beispielsweise Giannis Nakos von REMEDY ART DESIGN als Interviewpartner (Interview). Jeder hat tagtäglich die tollen Cover-Artworks der Alben vor Augen und gerade bei den Vinyls spielen diese beim Gesamtkunstwerk eines Musikalbums eine wichtige Rolle. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass man sich manche Alben von Bands, die man bisher nicht kannte, nur anhört, weil das Cover so geil aussieht. Nun haben wir Björn Gooßes als Interviewpartner gewinnen können.

Er hat sich als alleinverantwortlicher Künstler mit KILLUSTRATIONS (Homepage/Facebook) selbstständig gemacht. Aber nicht nur das! Er ist schon lange Zeit in der Metalszene verankert. Als Sänger war er beispielsweise 15 Jahre bei NIGHT IN GALES am Mikrofon zu Hause. Zur Zeit ist er Sänger bei den Bands THE VERY END und HARKON.

Ein „alter Hase“ und seine ersten Schritte

MH: Hi Björn! Du bist ja ein alter Hase in der Metalszene. Viele kennen Dich eher als Sänger, aber weniger werden vermutlich wissen, dass Du auch ein Meister der visuellen Künste bist. Was hat sich denn als Kind damals als erstes Talent herauskristallisiert?

Björn: Also ich kann mich daran erinnern, dass ich mich als Kind früher oft erst für das Visuelle interessiert habe. Ich hatte gerne mal was gemalt, aber ich war kein Nerd in dieser Hinsicht, der das zu seiner täglichen Passion erkoren hatte. Natürlich habe ich auch andere Dinge gemacht, die Kinder so machen. Ich habe viel draußen gespielt, bin auf Bäume geklettert und so weiter.

Letztlich flammte die Motivation mit der visuellen Kunst erst mit dem Einstieg in die erste Band so richtig auf. Seitdem bin ich auch immer für den visuellen Teil verantwortlich. So war es dann bei NIGHT IN GALES auch. Die ersten beiden Albumcover wurden zwar von anderen Künstlern gestaltet, aber ich habe schon an der Konzeption mitgewirkt. Das Debüt-Cover-Artwork wurde von Andreas Marschall gemalt. Ein legendärer deutscher Künstler, der viele geile Sachen gemacht hat, die mich auch geprägt haben. Vor allem zum Beispiel die Cover von BLIND GUARDIAN mit den Fantasymotiven, wo man so viele kleine Details erkennen konnte. Bei NIGHT IN GALES hatte ich beim ersten Album viele Metaphern mit Federn und Flügeln verwendet und wollte daher irgendwas mit dieser Thematik auf dem Cover haben. So ist dann bei Andreas die brennende Feder für das Cover des ersten NIGHT IN GALES Album entstanden.

Beim zweiten Album „Thunderbeast“

hat Thomas Ewerhard den Auftrag erhalten. Wir sind mittlerweile auch schon lange befreundet. Thomas war einer der ersten deutschen Künstler damals, der sich auf das Thema digitale Bildbearbeitung und Bildmanipulation spezialisiert hat.
Da habe ich mich schon sehr intensiv in die Gestaltung mit eingebracht. Das war schon krass und würde heutzutage keiner mehr du machen: Ich saß direkt neben ihm am Computer und habe ihn quasi dirigiert. Ich war bestimmt die totale Nervensäge, aber irgendwie hat unsere Zusammenarbeit funktioniert und wir waren damals beide mit dem Ergebnis sehr zufrieden. In der Retrospektive war es natürlich schon sehr 90’er Jahre lastig, aber hey…

Beim dritten Album „Nailwork“

von 2000 habe ich mir gedacht, dass ich anderen Leutennicht mehr auf den Sack gehen müsste und habe das selber in die Hand genommen. Ich war eigentlich nie das Computerkid und erst dafür habe ich mir einen angeschafft, um Bilder bearbeiten zu können. Bin dann mehr oder weniger ins kalte Wasser gesprungen. Hab mir Photoshop besorgt, Fotos gemacht und dann am Computer was zusammengestümpert.

Das war eigentlich erst einmal nur für den Eigenbedarf gedacht. Doch hat es immer weitere Kreise gezogen. Es sprach sich herum und es wollten dann immer mehr meine Dienste in Anspruch nehmen. Das passiert alles Anfang der 2000’er während meiner Studienzeit. Irgendwann gab es auch mal Kohle dafür. So veränderte sich natürlich auch mein Anspruch und die Ziele. Irgendwann entschied ich mich, das Ganze in Vollzeit zu machen und zu versuchen, davon zu leben. Das war ca. 2006. Bisher klappt das ganz gut.

Die goldenen 90’er?

MH: Das hört sich gut an, denn von der Musik alleine kann man heute ja nicht mehr leben. War das in den sogenannten goldenen 90`ern eher möglich?

Björn: Das konnten wir damals aber auch nicht. Wir haben noch das Ende der sogenannten goldenen 90’er miterlebt, wo es mit NIGHT IN GALES noch solide Budgets gab, mit denen man arbeiten konnte. Aber es war damals so und auch heute noch so. Alles, was an Ende an Gewinn rumkommt, wird wieder in die Band gesteckt. Sprich in Album- oder Merchproduktion.

Anfang der 2000’er lies das mit den Budgets merklich nach. Und als ich zehn Jahre später mein Abschiedsalbum mit NIGHT IN GALES aufgenommen habe, war das nur noch ein Bruchteil dessen, was es mal gab. Aber das war okay, weil sich auch andere technische Möglichkeiten ergeben haben, um ein Album aufzunehmen. Die ersten beiden Alben haben wir noch mit einer Bandmaschine aufgenommen. Da musste alles bei der Aufnahme von vorne bis hinten passen und konnte nix rausschneiden und später zusammenfummeln. Heute kann man sehr viel effizienter arbeiten und braucht dafür weniger Mittel.

Früher kurz nach dem Abi hat natürlich jeder so seinen kleinen Rockstarfilm gefahren. Aber da hat man für den Moment gelebt und sich sowieso nicht viel Gedanken um die Zukunft gemacht und ob man von der Musik leben könnte. Später ist man natürlich realistischer und denkt zweimal drüber nach, wofür man das schmale Budget raushaut. Über HARKON brauchen wir dahingehend gar nicht reden. Da finanziert sich noch gar nichts. Da haben wir ja erst eine EP gemacht und ein paar Konzerte gespielt. THE VERY END hat schon einen anderen Status und wirft ein klitzkleines Bisschen ab. Die Band trägt sich quasi von selbst und man muss nicht so viel aus eigener Tasche reinstecken. Das darf man heutzutage auch schon als Erfolg bewerten, denke ich.

Zeiten ändern sich

MH: Also gab es die goldenen Zeiten eigentlich nicht?

Björn: Also ich bin der Meinung, dass es die goldenen Zeiten gar nicht gibt oder gegeben hat. Also, zumindest abseits von den zur Verfügung stehenden Budgets. Es ist doch so… Wenn man in einer bestimmten Zeit aufwächst, dann prägen einen die Dinge, die einen in dieser Zeit begleiten, man wird sich immer an diese erinnern und als Klassiker empfinden. Und diese ändern sich wie sich auch die Zeiten ändern. Für mich z.B. sind Alben, die Anfang der 90’er entstanden sind, sehr prägend gewesen und werden immer etwas besonderes bleiben. Da wären z.B. „Dehumanizer“ bin BLACK SABBATH oder „Lucifuge“ von DANZIG oder „Countdown To Extinction“ von MEGADETH.

Daher gibt es für mich diese klassischen goldenen Zeiten zumindest aus Musikhörer-Sicht einfach nicht. Klar sind das heute andere Zeiten, aber dafür hat man als kleine Band viel mehr Möglichkeiten ohne großen finanziellen Aufwand Songs zu produzieren und sich zu präsentieren.

MH: Denkst du, dass man heute noch so einen Kultstatus wie IRON MAIDEN, ZZ TOP oder METALLICA erreichen kann?

Björn: Ich denke schon, dass so etwas möglich ist, aber die Zeiten sind schnelllebiger geworden. Denn als die Szene kleiner war, haben sich die Fans auf wenige Bands gestürzt.Wenn du einen tollen Song mit einem geilen Video machst, kann es auch heute passieren, dass du über Nacht zum Star wirst. Das ist selten, aber es fördert zumindest im Grundsatz immer noch eine Art Goldgräberstimmung. Natürlich ist dadurch das Angebot bzw. die Szene viel größer geworden und es ist schwieriger, etwas vom großen Kuchen abzubekommen.

Merchverkauf zum Selbstkostenpreis?

MH: Ich hatte letztes Jahr Eure limitierte Deluxe Holzbox zu einem wahren Schnäppchenpreis bei Bandcamp erstanden. Da habe ich mir die Frage gestellt, ob man da überhaupt noch einen Gewinn erzielt oder ob es reine finanzielle Schadenbegrenzung ist.

Björn: Da kann ich Dir gar nicht so genau was zu sagen. Denn da kümmert sich das Label drum. Aber warum sollte man nicht den Restbestand zu einem geringeren Preis raushauen, bevor sie in den Regalen verstauben? Natürlich ist es auch wichtig für ein kleines Label wie Apostasy Records, dass ja quasi als One-Man-Army von Tomasz betrieben wird, dass man sich nicht mit einer unüberlegten Aktion finanziell ins Knie schießt. Unser oberstes Ziel ist es, dass möglichst viele Leute unsere Musik zu hören bekommen und Gefallen daran finden. Da haut man unter Umstanden auch mal Sachen für nen günstigen Kurs raus, wo nicht so viel Gewinn hängenbleibt. Ich würde beim Merchstand auch niemanden wegschicken, wenn er ein paar Euro zu wenig inner Tasche hat, aber total gerne ein Shirt hätte. Dann sage ich: „Hier nimm! Erfreu dich daran!“

Visuelle Kunst als vielfältiges Handwerk

MH: In Eurer Box war eine Stück Bandage enthalten. Diese war Teil des Coverartworks für das Album. Der Giannis von Remedy Art Design macht z.b. alles digital und Ryan T. Hangkock aus England malt klassische mit Farbe und Pinsel. Welche Techniken fließen bei dir ein?

Björn: Im weitesten Sinne schimpft sich das Mixed Media, was ich als Ansatz verfolge. Ich bin kein guter Zeichner oder Maler. Ich nutze meine Fähigkeiten am Grafiktablet eher, um Kleinigkeiten hinzuzufügen oder zu retuschieren. Das sind dann aber Details, die nicht zwingend im Vordergrund stehen. Primär arbeite ich mit Fotos. Ich würde mich allerdings auch nicht als Fotograf bezeichnen. Für mich sind die Fotos Mittel zum Zweck, um meine Arbeit zu gestalten und meinen künstlerischen Ausdruck zu generieren.

In letzter Zeit habe ich Gefallen daran gefunden, Objekte selber zu bauen und diese dann fotografieren. So z.B. der geflügelte Sarg auf dem Cover von THE VERY END. Den habe ich nachgebaut, dann mit Bandagen umwickelt und anschließend mit Blut beschmiert. Ist schon ne geile Geschichte, weil du es aus jeder Perspektiven fotografieren kannst und das Ganze einfach eine ganz andere Haptik und Tetxur hat als etwas rein Digitales. Für das Video zu „Zeitgeist“ hatten wir dann hinten im Sarg nen Loch reingebohrt und mit einer Spritze das Blut durchgepumpt.

MH: Das Albumcover von „Bipolar“ der Band UNDERTOW war auch ziemlich speziell.

Björn: Das war tatsächlich das Aufwendigste, was die Vorbereitung angeht. Dafür habe ich nur sehr wenig am Computer nachbearbeiten müssen. Das Ding ist halt komplett selber gebaut. Die Basis ist eine ca 80 x 80 cm große Holzplatte, auf der ich die ganzen gesammelten und weiß bzw. schwarz angemalten Objekte platziert und fixiert habe.

Painted In Blood

MH: Du hast mit zwei weiteren Künstlern das Projekt ‚Painted In Blood‚ ins Leben gerufen. Welche Künstler sind das?

Björn: Ja genau. Neben Thomas Ewerhard ist auch Jan Meininghaus beteiligt. Er malt noch relativ viel konventionell, mit Tusche auf Papier oder mit Pinsel auf Leinwand. Aber er arbeitet auch digital. Die Artworks, die wir dann ausstellen, sind dann in der Regel Drucke auf Leinwand. Wir bieten aber auch noch Drucke im kleineren Format auf dickem Papier an, quasi hochwertige Posterdrucke. Thomas bietet seine Leinwanddrucke auch inklusive handgemachten Bilderrahmen an. Diese sind dann aus Holz oder Metall gefertigt und geben dem Ganzen noch mal einen zusätzlichen individuellen Touch.

Die letzten Jahre haben wir viel auf Festivals ausgestellt. Begonnen haben wir damals in der Bochumer ‚Sold Out Gallery‘. Von dort aus ging es schnell auf die ersten Festivals, wie ‚Summer Breeze‘, ‚Copenhell‘, ‚Rock Hard‘, ‚Wacken‘, ‚RockHarz‘ etc.

Allerdings ist der Durchlauf auf einem Festival natürlich ein ganz anderer. Die zeitliche Dauer ist zwar kürzer, aber dafür ist die Hütte im Gegensatz zu einer Ausstellung in einer kleinen Galerie im Ruhrpott immer voll.

Ausstellung beim RAGE AGAINST RACISM?

MH: Du trittst mit HARCON auf dem RAGE auf. Machst du da auch ne Ausstellung?

Björn: Ich glaube, dass würde wahrscheinlich nicht allzu viel bringen. Erstmal würde mir wahrscheinlich der Platz fehlen. Ich würde nicht in einem 3×3 Meter Pavillon ausstellen wollen. Da würden die Bilder nicht so wirken und mehr wie so ein Verkaufsstand rüberkommen. Die kleinste Ausstellungsfläche hatten wir mal auf Rock Hard Festival 2022. Und da hatten wir immerhin ein 9 x 8 m Zelt. Die Bilder haben auch mehr Ausstrahlung, wenn sie auf einer größeren Leinwand gedruckt sind.

Ich weiß gar nicht, ob das Interesse beim RAGE AGAINST RACISM überhaupt da wäre. Doch wenn ich genauer darüber nachdenke, dann gäbe es in der Mühle selber tatsächlich Möglichkeiten etwas aufzuhängen. Da ist ein kleines Foyer und der große Backstageraum. Also wenn ich es mir recht überlege… wenn die Jungs mich fragen würden, dann könnte man über was nachdenken. Grundsätzlich bin ich für alles offen. Also warum nicht?

MH: Du hast auch Motive für das Rage-Shirt entworfen, nicht wahr?

Björn: Ja in der Tat verarzte ich die Jungs seit einigen Jahren mit Shirtmotiven.

MH: Was sagst du zur Entwicklung des Vinylbooms? Wie kritisch siehst du die Preisentwicklung?

Björn: Ist das wirklich so krass geworden? Ich habe nur mitbekommen, dass die Produktionen hinterhängen und man als Band lange Wartezeiten einplanen muss.
Aus künstlerischer Sicht finde ich Vinyl super. Ich selber habe allerdings seit 30 Jahren keinen Plattenspieler und seit 10 Jahren keinen CD-Spieler
und konsumiere größtenteils digital. Ich kaufe auch physische Produkte z.B. auf Konzerten, wenn ich ne Band geil finde. Das mache ich für den Support. Ich finde streaming auch völlig in Ordnung, wenn man auch seine Bands dann irgendwie auf einem anderen Weg unterstützt. So habe ich z.B. gerade das letzte Album „Diversum“ von IN THE WOODS, was ich ziemlich geil finde, digital auf Bandcamp gekauft.

MH: Wie sieht es denn rein musikalisch aus? Was sind die nächsten Pläne mit THE VERY END und HARKON?

Björn: Die Pandemie hat beide Bands ordentlich ausgebremst, aber ebenso gibt es bei beiden Bands sowohl neues Material als auch massivst Bock, wieder was zu veröffentlichen. THE VERY END dürften in Kürze zumindest für eine kleine Zwischendurch-Single ins Studio gehen, während HARKON im Sommer auch endlich die Produktion des Debutalbums in Angriff nehmen werden!

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Bildquellen

  • Night In Gales Cover Toward: Amazon
  • NIGHT IN GALES Cover Thunderbeast: Amazon
  • NIGHT IN GALES Cover Nailwork: Amazon
  • THE VERY END Ltd Box-2-: beim Autor
  • THE VERY END Ltd Box-3-: beim Autor
  • KILLUSTRATIONS-T-Shirt-1-: beim Verfasser
  • Killustrations Björn Gooßes Titelbild-2-: Killustrations

Metalhead

Seit meiner Kindheit höre ich gerne Rockmusik. Es hat mit Gary Moore, Scorpions, Billy Idol, Bon Jovi, Dire Straits, AC/DC usw. angefangen, also quasi mit den Großen der 80'er und 90'er Jahre. Mit zunehmendem Alter ging der Musikgeschmack immer mehr auch in die härtere Richtung. So finden sich mittlerweile auch viele Core-Platten, so wie Black-und Death-Metal Kracher in meiner Sammlung. Daher bin ich in fast allen Bereichen des Rock und Metal unterwegs. Eine besondere Vorliebe habe ich für den Underground entwickelt, wo es richtig brennt und es viele hochklassige Bands gibt, die den Großen der Branche in nichts nachstehen, ganz im Gegenteil. In diesen Sinne: Stay tough, stay heavy!

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