Die Akte Queensrÿche – eine persönliche Geschichte
Unser geschätzter Kollege Blues Mike (seines Zeichens auch Gitarrist bei MoNoTyP) erzählt euch seine ganz persönliche Geschichte zur US-Band Queensrÿche.
Es war einmal die Königin des Reichs
Nur zu gut erinnere ich mich daran, wie ich damals das erste Mal von dieser Band aus dem wunderschönen Seattle hörte. Binnen weniger Tage, fanden sich Knaller wie „Walking The Shadows“ auf einem meiner ganz besonderen Mix-Tapes, nämlich meinem Take-Off Tape – d.h. jedes Mal, wenn ich im Flieger saß, drückte ich beim Abheben auf die Playtaste meines Sony Walkmans und o.g. Song drang in meine Gehörgänge.
Seinerzeit (Ende der 80er/Anfang der 90er) kamen auch gerade die ersten frühpubertären Demos gewisser bekannter Seattlesound-Vertreter nach Europa, aber Queensrÿche klangen absolut anders. Poppig progressive, mit wunderbarem Songwriting, intelligent, erwachsen und durchdacht.
Die Band war um ein Vielfaches massentauglicher als andere Bands mit progressiven Einflüssen und avancierte zur tatsächlichen Königin des Genres. Das äußerte sich auch darin, dass es zu einigen ihrer Songs ein exzellent in Szene gesetztes MTV Video gab. Mit den Alben Operation Mindcrime und Empire katapultierten sich die Herren Geoff Tate (v), Chris DeGarmo (g), Michael Wilton (g), Scott Rockenfield (dr) und Eddie Jackson (b) an die weltweiten Chartspitzen.
Gelobt sei Suite Sister Mary
Operation Mindcrime zählt bis heute zu einem der besten und einflussreichsten Konzeptalben der Musikgeschichte. Beim Anschauen der Live Performance dieses Meisterwerkes (damals noch auf VHS) bekommt man heute noch Gänsehaut – Suite Sister Mary sei Dank!
Der kommerzielle Durchbruch erfolgte dann aber letztendlich mit dem Empire Album (3-fach Platin für 3 Millionen verkaufte Einheiten), auf dem der taktisch klug eingesetzte Hit „Silent Lucidity“ fast in dieselbe Kerbe schlug wie einst Extremes „More Than Words“. Nicht ganz so schnulzig wie die Extreme-Nummer aus dem Jahre 1990, öffnete dieser Song jedoch die Tür zu einer breiteren Hörerschaft, die dann auch mit Weltklasse-Nummern wie „Jet City Woman“ noch gut klar kamen.
Der Fall des Empires
Mit dem wachsenden Erfolg wuchsen natürlich auch die Egos. Und davon gab es mindestens zwei in der Band, die für das „ein paar Schulkollegen aus Seattle gehen zusammen durch Dick und Dünn – bis ans Ende“-Dingen nicht so Recht geschaffen waren.
Es fiel den Musikern zunehmend schwerer, dem großen Erwartungsdruck standzuhalten und mit dem Album Promised Land begann der allmähliche Verfall. Ein Stilwandel, der von den Fans eher kritisch aufgenommen wurde. Ähnlich erging es allen nachfolgenden Alben, die weit hinter den einstigen Verkaufs- und Erfolgszahlen zurückblieben. Sicherlich erschwerten auch die neuen Musikströmungen den Abverkauf, gerade beim jüngeren und mainstreamorientierteren Publikum.
Die Soloalben von Geoff Tate und Michael Wilton (mit seiner Band Soulbender) waren schon Vorboten des Verfalls. Anfang des neuen Jahrtausends folgte dann ein obligatorisches Best Of Album, um die Kuh ein letztes Mal zu melken, wie man so schön sagt.
Lebenswege
Zu unterschiedlich waren vielleicht auch die einzelnen Charaktere. Geoff Tate mag eine klassische Gesangsdiva gewesen sein, doch er war das unverkennbare Aushängeschild der Band. Privat machte er sich als Winzer einen Ruf und entfernte sich auch persönlich und gedanklich immer weiter von Queensrÿche.
Bandkollege und Gitarrist Chris DeGarmo träumte bereits seit seiner Kindheit davon, Pilot zu werden. Diesen Traum machte er dann zur Wirklichkeit und stieg 1997 aus der Band aus, um erfolgreicher Business Jet Pilot zu werden. 2003 wurde er noch einmal um Hilfe gebeten und steuerte zum Album Tribe einige Ideen und Songs bei.
Geoff Tate hielt es noch bis ins Jahr 2012 bei der Band aus Washington Seattle, dann zog auch er von dannen.
Insidern nach sind die Mitglieder aber immer noch gute Freunde. DeGarmo hält den Kontakt zu allen ehemaligen Kollegen und Augenzeugen berichten davon, ihn mit Sänger Tate des Öfteren gemeinsam auf dem Golfplatz zu sichten.
Zwei Queensrÿche Coverbands
Die Musiker um Queensrÿche trennten sich mehr oder weniger im Guten. Es gab ein außergerichtliches Abkommen, nachdem die Musiker um Michael Wilton den Bandnamen weiterführen durften und Geoff Tate zumindest die Rechte an einer Aufführung von Operation Mindcrime und Empire bekam. So tingeln also beide Parteien durch die Weltgeschichte (Tates Band unter dem Namen Operation Mindcrime).
Was soll man als alteingesessener Fan dieser Band dazu sagen? Auf der einen Seite fehlt der Sänger, auf der anderen Seite die Musiker. Man kann den neuen Bandmitgliedern keinen Vorwurf machen, denn sie waren weder in die Historie, noch in die Kompositionsprozesse eingebunden. Einen charismatischen Sänger wie Geoff Tate zu ersetzen, ist so gut wie unmöglich. So ergeben sich am Ende des Tages zwei Coverbands, von denen keine in der Lage ist, das Erbe weiterzuführen, wenn auch beide gut performen.
To Reunion or not to reunion, das ist hier die Frage
Ganz so schlimm wie es bei Guns N‘ Roses zwischen Axl und Slash war, ist es hier natürlich nicht. Immer wieder gibt es Vermutungen und Gerüchte (die wir hier natürlich keineswegs schüren wollen) von einer möglichen Reunion. Aber Ihr wisst ja wie das ist…die Hoffnung stirbt zuletzt. Geoff Tate ist mittlerweile 59 Jahre alt, singt aber immer noch wie ein junger Gott. DeGarmo ist auch noch fit an der 6-saitigen, spielte zuletzt auf dem Album seiner Tochter und auch einige Gast-Tracks auf dem letzten Alice In Chains Output. Könnte also noch was werden, uns Fans würde es freuen. Bis dahin heißt es die alten Kracher zu hören und in Nostalgie zu schwelgen – „I remember now – I remember how it started“.
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Bildquellen
- Queensrÿche OM: amazon.de/queensryche
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