Harsh-Vocals-Workshop mit Britta Görtz: Schreien auf Teufel komm raus
Metal-Instrumentalisten sind regelrechte Virtuosen. Doch auch Metal-Vocals müssen aufwändig gelernt und ausdauernd geübt werden. Wie das geht, lernt der Growl- und Scream-Nachwuchs im Harsh-Vocals-Workshop mit Britta Görtz. Die norddeutsche Death-Metal-Frontfrau gibt hierzu Lehrgänge und Unterricht. Beispielsweise bei Powervoice.
Die Gäste bei einem dieser Workshops im Oktober im Süden Hamburgs sind auffällig gemischt. Nämlich von der zwölfjährigen Schülerin bis hin zur Professorin. Frauen und Männer etwa hälftig verteilt. Und alle eint das Interesse am Extreme-Metal-Gesang. In diesem Feld ist Trainerin Britta Görtz eine wahre Koryphäe. Denn sie ist Frontfrau von Hiraes und Critical Mess, war früher bei Cripper und ist auch im All-Female-Metal-Projekt Chaos Rising aktiv.
Britta Görtz: „Im Metal ist viel Raum für Hässlichkeit“
„Im Metal ist viel Raum für Hässlichkeit“, erklärt die erfahrende Trainerin und Metal-Musikerin. Deshalb müsse sich niemand schämen. Gemeint ist hier natürlich der Bereich der Extreme Metal Vocals. Harsh Vocals nennt sie das als Oberbegriff. Im Workshop selbst geht es dann um die drei Teilbereiche Growling, Shouting und Screaming. Ihnen liegen zwei grundlegende Techniken zu Grunde.
Los geht’s im Harsh-Vocals-Workshop von Britta Görtz mit den so genannten False-Cord-Vocals. False Cord ist der Fachbegriff für die Taschenfalten. Diese liegen dicht über den Stimmbändern. Bringt man beides in ungleiche Schwingung, entsteht eine Verzerrung. Und das ergibt das vor allem für den Death Metal charakteristische Growling. Tief, grob, derb. Aber das hat wenig mit Druck zu tun. Vielmehr mit kontrollierter, gleichmäßiger Ausatmung.
Deshalb erhalten alle Gäste einen mit Wasser gefüllten Eimer und einen lebensmittelechten Schlauch. Die Aufgabe ist nun, über den Schlauch in die Flüssigkeit auszuatmen. Gleichmäßig, langsam und ruhig. Und gegen den Widerstand. Gleichmäßig blubbern muss das Wasser im Eimer. Damit trainieren die Extreme-Metal-Coachees nicht nur Technik, sondern auch Kondition. Denn das ist ganz schön anstrengend. Und nach wenigen Minuten sind alle Beteiligten sichtlich platt. Auch vom gemeinsamen, lautstarken Totlachen.
Video von Stimmbändern der Trainerin versehentlich zensiert
„Die Gesundheit der Stimme wird von guter Atmung und Atemtechnik bestimmt“, sagt die Trainerin. Atmung und Körper müssen also verbunden werden, müssen im Einklang sein. „Das ist Stimmsport.“ Deshalb zeigt Britta Görtz auch eine Abfolge von Aufwärmübungen, die an Teile des Sonnengruß beim Yoga erinnern. Der ganze Oberkörper wird aufgewärmt. Schließlich entstehen dort die Klänge. Auch die brettharten.
Britta Görtz zeigt eine Video-Aufnahme von ihren Stimmbändern und Taschenfalten beim Growling. Der Blick ins Organ ist hilfreich. Und er zeigt anschaulich, wie das alles technisch funktioniert. Denn die Sängerin vermittelt sehr viel Basics und Grundlagen, um Fehler und damit gesundheitliche Probleme zu vermeiden. Es wird immer wieder klar, dass ihr das ein besonderes Anliegen ist. Amüsanter Funfact: „Das Video war nach zwei Tagen wegen Anstößigkeit wieder offline“, so erzählt die Trainerin mit einem Augenzwinkern von ihren Erfahrungen mit den Automatismen sozialer Medien. Alle lachen. Und das ist charakteristisch für den Harsh-Vocals-Workshop mit Britta Görtz. Die Trainerin versprüht immer gute Laune und hat einen spontanen, teils bissigen Humor. Sie bringt ihre Gäste ständig zum Lachen. Und die solidarischen Verlegenheitslacher ob des gemeinsamen Grunzens, Schreiens, Quakens und Quietschens machen den Abend zu einem höllischen Spaß.
Der Harsh-Vocals-Workshop mit Britta Görtz lehrt auch Vocal-Fry-Techniken
Dann spielt Britta Görtz eigene Songs vor. Und diese auch nur mit isolierter Gesangsspur. Der Vergleich überrascht. Denn ohne die druckvolle Musik sind die Vocals kaum wiederzuerkennen oder einzuordnen. Die brutale Härte im Extreme Metal entsteht also erst im Zusammenspiel mit den Instrumenten.
Der zweite Teil des Harsh-Vocals-Workshop mit Britta Görtz dreht sich um Vocal-Fry-Techniken. Und die klingen wie das Gebrutzel beim Frittieren (Engl.: to fry). Doch das ist ein bisschen komplizierter als die False-Cord-Übungen. Denn hier müssen die Stimmbänder auf zwei Achsen in Vibration kommen. Erst dann entsteht wieder die gewollte Verzerrung. Es entstehen Obertöne, ohne dabei hohe Töne zu singen. Deshalb wird diese Technik vor allem beim Screamen verwendet. Und das klingt dann rauschig, hell und „brutzelig“, wie Britta Görtz sagt. „Am Anfang ist es schwer reinzukommen und darin stabil zu bleiben. Tastet Euch ran und probiert das fünf Minuten.“
Überhaupt ist der Zeitfaktor erschreckend, gerade für die bereits Aktiven unter den Teilnehmenden. Um richtig, also gesund und stimmökonomisch, zu singen, braucht es Übung und lange Ruhephasen. Fünfzehn Minuten Warm-Up, fünf Minuten konzentriert an einer Technik arbeiten und dann ein Cool-Down. Mehr ist anfangs an einem Tag erstmal nicht drin. Das frustriert, ist aber wichtig, wie Britta Görtz immer wieder betont. Ein ganzes Set zu singen ist da also erstmal in weiter Ferne.
Für die kommenden Wochen steht folglich intensives, hartnäckiges und ausdauerndes Üben auf dem Plan. Denn Britta Görtz gibt auch Fortsetzungs-Workshops. Dort gibt es dann den Deep Dive ins Thema und die angerissenen Techniken. Doch um an diesen teilzunehmen, sollte man „mindestens eine ganze Stunde durchhalten“, sagt die Trainerin. Das klingt nach Hausaufgaben.
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Bildquellen
- Britta Görtz Workshop Portrait: (c) 2022 Matt / metal-heads.de
- Britta Görtz Workshop Wassereimer: (c) 2022 Matt / metal-heads.de
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