Interview mit Zaher Zorgati von MYRATH
MYRATH und ihre Musik habe ich schon mehrfach hier auf metal-heads.de vorgestellt und über ihre Konzerte berichtet. MYRATH ist ein Band aus Tunesien, die Metal mit Elementen tunesischer Musik verbindet. Jetzt hatte ich die Möglichkeit, mich mit Zaher Zorgati, dem Sänger der Band, über das neue Album Shehili zu unterhalten.
Das Interview mit Zaher Zorgati
Hallo Zaher, ich freue mich, dass wir uns heute über MYRATH und „Shehili“ unterhalten können.
Das neue Album habt ihr zusammen mit dem tunesischen Symphonie Orchester aufgenommen. Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?
In der Vergangenheit gab es ja schon so etwas wie eine Zusammenarbeit. Allerdings nur mit einigen Musikern des tunesischen Nationalorchesters. Es hat Spaß gemacht und war insgesamt sehr inspirierend für die weiteren Prozess. Der Unterschied zu den bisherigen gemeinsamen Aufnahmen besteht auch darin, dass wir zusammen mit dem ganzen Orchester spielen. Der Sound insgesamt viel satter und voller geworden ist. Und meiner Ansicht nach klingt es wirklich großartig
MYRATH heißt Vermächtnis – welche Bedeutung hat dies im Hinblick auf die Musik, die ihr macht, auf die Texte auf die Themen?
Der Name umfasst das kulturelle Erbe ebenso wie die folkloristische Überlieferung. Es gibt daher es eine enge Verbindung zur Musik. Die Verbindung zu den Texten ist nicht so eng. Manchmal verwenden wir unsere Muttersprache. Gerade für Leute, die MYRATH nicht so gut kennen, klingt das dann eher exotisch. Wichtiger ist für uns aber die Musik. Auch unsere traditionelle Musik ist ja multikulturell und dadurch sehr reich, da sie in ihren 3000 Jahren Geschichte viele Einflüsse erfahren hat. So gibt es Einflüsse der Berber-Musik genauso wie Elemente aus Andalusien und der afrikanischen Musik. Und wenn man auf die letzen 50 Jahre der tunesischen Geschichte zurückblickt, sieht man, dass Tunesien eines der offensten afrikanischen Länder war und sich eben auch europäischen Einflüssen geöffnet hatte. Also wirklich multikulturell.
Es war euch ja schon immer ein Anliegen, Metal Musik mit traditioneller Musik und populären Elementen tunesischer Musik zu verbinden. Wie kommt dies bei euren tunesischen Fans an?
Oh, ja, eine gute Frage! Genau diese Kombination macht MYRATH ja so einzigartig.
In Tunesien gibt noch andere gute Bands, aber sie spielen eher klassischen Heavy Metal. Und daher gefällt diese Mischung auch unseren tunesischen Fans so gut, weil es eine neue und frische Art, ein anderer Stil ist. Er ist nicht kompliziert, sondern kommt von Herzen. Wir wollen nicht nur eine gute Qualität, was die Komposition und die Produktion angeht, sondern Musik , die von Herzen kommt.
Die Texte sind ja teilweise auf Arabisch geschrieben. Lässt sich die Sprache gut mit Metal Musik verbinden?
Wir verwenden nicht die arabische Sprache, sondern die tunesische Sprache, in der verschiedene nordafrikanische Dialekte miteinander verbunden sind. Weißt du, die meisten Tunesier haben Vorfahren, die Berber waren oder Tataouine. Aus diesen Sprachen und Dialekten ist die Sprache entstanden, die von ca. 96 % der Tunesier gesprochen wird. Im mittleren Osten, also da, wo Arabisch gesprochen wird, wird unsere Muttersprache nicht verstanden.
Haben die Worte in eurer Muttersprache in den Songs eine ähnliche Funktion, wie die traditionellen Instrumente und Rhythmen, die ihr verwendet?
Wir verwenden verschiedene traditionelle Instrumente, da ihr Klang einfach wärmer ist. Diese Instrumente und auch die musikalischen Strukturen haben insgesamt eine größere Bedeutung als die Wörter. Manchmal verwenden wir unsere Muttersprache in den Texten wie ein Gewürz, um den Lyrics mehr Aroma zu geben.
In den Texten geht es um Verrat, Lügen, Krieg, den Umgang mit Ängsten und Kummer…
Ja, aber auch um Liebe und Hoffnung.
…und darum, doch stärker sein, als andere gedacht haben. Das sind ja einerseits sehr persönliche Themen, die man aber auch politisch betrachten kann. Was steht für euch im Vordergrund?
Für mich spielt beides eine Rolle. Jeder Song hat seinen ganz eigenen Charakter. Sowohl was die Musik angeht als auch die Texte. Und jeder Song hat sein ganz eigenes Thema.
Nehmen wir z.B. „Dance“. Dance erzählt dem Balletttänzer Ahmad Joudeh, der von der ISIS mit dem Tode bedroht wurde, aber weiterhin seinen Traum zu tanzen verfolgte. Er ließ sich den Satz: „Dance or die“ auf den Nacken tätowieren. Er hat für seinen Traum gekämpft. Das hat uns beeindruckt und deshalb haben wir den Song Dance geschrieben. Das ist einerseits eine persönliche Geschichte. Aber es gibt auch einen politischen Aspekt: jeder von uns muss gegen den Strom tanzen, für Ungezwungenheit und Freiheit. Jeder von uns muss für die Freude am Leben tanzen. Das ist die wirkliche Botschaft des Songs.
Wie siehst du die augenblickliche Situation in Tunesien? 2011 fanden die ersten freien Wahlen statt, was ein wichtiger Schritt zur Demokratie war. Aber auch heute noch sind viele Leute unzufrieden, von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen.
Es ist alles soweit in Ordnung. Wir sind hinsichtlich der Sicherheit wirklich zufrieden. Aber politisch gesehen ist es das reinste Chaos. Es ist irgendwie verrückt: es gibt zu viele Parteien. Und dann die radikalen islamischen Parteien. Die meisten Tunesier sind dagegen. Ich respektiere die Anschauung dieser islamischen Parteien. Doch die Ansichten religiöser Fanatiker: das ist nicht Tunesien. Denn Tunesien ist ein offenes und liberales Land. Wir wollen kein religiöses System. Ich will – genauso wenig wie die meisten Tunesier- kein System wie z.B. in Saudi Arabien. Ich wünsche mir Freiheit: Freiheit der Rede, freien Journalismus. Wir kämpfen für unsere Vorstellungen: wir wollen das Leben genießen, die Musik, das Theater, die Kultur.
Gibt es in Tunesien eine Metal-Szene?
In der Vergangenheit gab es eine große Metal-Szene in Tunesien. Jetzt sind nur noch etwa drei Bands übrig geblieben. Die Szene ist also leider wirklich klein. Aber wir kämpfen darum, wieder größer zu werden. Denn wenn wir z.B. mit MYRATH größer werden, haben wir mehr Einfluss: auf den Staat und die Regierung. Wären wir z.B. so groß wie METALLICA, würde man vielleicht auf uns hören. Wir hätten dann vielleicht die Möglichkeit, Festivals zu organisieren und etwas für die Jugend zu tun. Aber wir versuchen, ihnen etwas von der Freude am Leben, an der Musik einfach daran, das Leben zu genießen, zu vermitteln. Das ist uns wichtig.
Wann habt ihr das letzte Mal in Tunesien gespielt?
Wir haben seit 15 Jahren nicht mehr dort gespielt. Im letzten Jahr haben wir vor ca. 7800 Fans im Amphitheater von Karthago gespielt. Das war eine Mischung aus alten und jungen Leuten, Männern und Frauen. Wie du siehst, konnten wir auch Frauen für den Metal gewinnen. Wenn wir mehr Kraft und Einfluss erhalten, hat das auch Einfluss auf die jungen Leute, so dass sie eigene Konzerte und Festivals organisieren.
Daher ist es unser Traum, groß und bekannt zu werden, auf einem großen Festival einen guten Slot zu bekommen. Dann sind wir auf dem Weg, eine große Band zu werden und können in unserem Land Einfluss nehmen und dazu beitragen, dass sich die Musikszene weiter entwickeln kann.
Du scheinst ja auch gerne nach Deutschland und speziell nach Köln zu kommen. Welche Verbindung gibt es hier?
Mein Onkel und ein paar Cousins leben in Köln. Und sie sind 100-prozentig kölsch.
Ja, das habe ich bei kurzen Gesprächen mitbekommen. Und du hast ja auch ein paar kölsche Ausdrücke benutzt, als du in Köln die Songs angesagt hast.
Ja klar, das mache ich, wenn ich dort bin. Ich komme gerne nach Deutschland und es gefällt mir dort sehr. Und das sage ich nicht, weil du aus Deutschland bist, sondern weil ich die Mentalität mag, die Offenheit und wie hingebungsvoll sich die Leute manchmal den Dingen widmen.
Noch einmal zurück zum Album. Hast du einen Lieblingssong?
Oh, das ist ganz schwer zu sagen. Aber lass mich mal so sagen: Monster in my closet, Darkness arise und Stardust sind meine Top 3.
Einige Leute sagen, dass die neuen Songs (die bereits bei den Konzerten im letzten Jahr zu hören waren) kommerzieller klingen als eure frühen Sachen. Wie siehst du das?
Ja, das stimmt, da haben sie Recht. Sie sind kommerziell, aber es sind gute Songs, die sich selbst meine Großmutter anhören würde. Das Label hat entschieden, dass die ersten drei Songs, die veröffentlicht werden, eher in diese Richtung gehen sollen.
Ihr habt ja verschiedene Videos gemacht. U.a. zum Song „Dance“. In dem Video spielt ihr wieder alle mit. Ist das Schauspielern interessant für dich?
Ich mag die Schauspielerei, denn ich liebe das Kino. Und in der Schauspielerei habe ich mich auch gefunden.
Ist das Video ein Teil eines Gesamtkonzeptes?
Ja das Video gehört zu einer Trilogie. Der erste Teil ist Believer, dann kommt Dance und No Holding Back bildet den Abschluss.
Wie geht es bei euch weiter? Welche Shows stehen an? Zunächst das Sweden Rock-Festival im Juni und dann Wacken. Im September spielen wir wieder in Japan und im November spielen wir als Special Guest eine Tour in Europa.
Werdet ihr dann auch wieder eine Tänzerin dabei haben?
Ja, wir werden dieses Mal Elena dabei haben, die professionell und richtig mystisch ist.
Da bin ich schon gespannt.
Ich bin sicher, dass sie dir gefallen wird.
So, wir kommen zum Ende….gibt es noch etwas, das du unseren Lesern sagen möchtest?
Ja, dass ich hoffe, dass sie das neue Album mit offenen Armen und Ohren annehmen. Ich hoffe, dass sie offen an dieses neue Genre, an diesen Blazing Desert Metal herangehen und dass er ihnen gefallen wird.
Ich grüße alle Leser von metal-heads und hoffe, dass wir uns sehen, wenn wir nach Deutschland kommen und Freude und den heißen Wind aus Tunesien mitbringen werden.
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute!
Das neue Album heißt Shehili, was so viel wie ‚heißer Wind‘ bedeutet und den heißen Wind meint, der von der Sahara her in Richtung Mittelmeer weht, der bei uns Scirocco genannt wird. Mehr zum Album könnt ihr hier auf metal-heads.de lesen
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Bildquellen
- Myrath 14.03.18 Jungle Club Köln: Bildrechte beim Autor
- Myrath 14.03.18 Jungle Club Köln: Bildrechte beim Autor
- MYRATH_Shehili_2019_1330_Photocredit_Nidhal_Marzouk_px1000: networking media / pic by Nidhal Marzouk
- myrath dance: earMusic
- Myrath interview mit Zaher Zorgati: networking media / birgit@metal-heads.de
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