Meine Alben des Jahres
Meine Alben des Jahres: AGENDA, THE HAWKINS, BURY TOMORROW, LONG DISTANCCE CALLING, PANZERBALLETT, IA, Kjell Braaten, KATLA
Jedes Jahr wieder die Frage: was waren deine Alben des Jahres? Und jedes Jahr wieder fällt mir die Antwort schwer. Denn auch in diesem für die gesamte Musik- und Veranstaltungsszene katastrophalen Jahr gab es wunderbare Alben. Trotz oder wegen der Pandemie kam es zu Aktionen und kreativen Aktivitäten, die mich teilweise sprachlos gemacht haben. Ob es nun große oder kleine gestreamte Konzerte waren oder solche in Autokinos, per ‚Video-Konferenz‘ gemeinsam Musik gemacht wurde, Podcasts entstanden oder Bands trotz aller Schwierigkeiten und Unvorhersehbarkeiten neue Alben herausgebracht haben: ich bin allen, die daran beteiligt waren, dankbar für das, was sie uns Fans ermöglicht haben.
Da die Alben, die mich nach wie vor begeistern und begleiten, verschiedenen Genres zugeordnet werden können und mich in ganz unterschiedlicher Weise ansprechen und bereichern, kann und will ich keine „Best of – Liste“ erstellen, sondern euch etwas über die Alben und die Musiker erzählen.
RUMBLE MILITIA: 35 Jahre Punk-Metal gegen Dummheit und Intoleranz
Noch oft während des Jahres habe ich an diese Truppe und ihr vehementes Eintreten gegen die o.g. Dummheit und Intoleranz gedacht. Seit 1985 haben sie Stellung bezogen gegen Kommerz, den Ausverkauf im Musikgeschäft und gegen rechte Gesinnung. Und immer noch ist das aktuell.
AGENDA und THE HAWKINS
Sowohl die Alben als auch die Shows mit AGENDA und THE HAWKINS machen Spaß und gute Laune. AGENDA kommen aus Wuppertal und sind grundsätzlich klassisch in Hard Rock und Heavy Metal beheimatet. Dabei bleibt es in ihrer Musik aber nicht, sondern sie beschreiten einen eigenen Weg mit schnellen Riffs, rauen Vocals und viel Abwechslung in Tempo und Dynamik. In den Texten geht es um vielfältige, alltägliche Dinge. Im Januar erschien ihr Album „Maverick“.
THE HAWKINS aus Arboga in Schweden veröffentlichten im September das Album „Silence Is A Bomb“. Musikalisch stehen THE HAWKINS für eine direkte und erfrischend moderne Rockmusik, die sich am Rock’N’Roll der 60er und 70er Jahre orientiert. Temporeich, druckvoll, unbeschwert und verspielt sind die Adjektive, die mir als erste dazu einfallen. Im Gegensatz zu der eher lockeren Musik stehen die Texte, die sich mit emotional und psychisch extremen Zuständen befassen oder sich kritisch mit gesellschaftlichen Zuständen befassen. Mit Sänger Johannes Carlsson habe ich über die Musik und die Texte gesprochen (hier das Interview).
BURY TOMORROW
BURY TOMORROW greifen in den Texten, die von Shouter Daniel Winter-Bates stammen, das Thema psychische Gesundheit auf. Zusammen mit verspielten bis eingängigen Melodien, aggressiven Shouts und harten Riffs ist ihnen ein persönliches und eindringliches Album gelungen. Jason Camerons einschmeichelnde Stimme und Daniel Winter-Bates rohe Shouts kontrastieren und ergänzen sich gleichzeitig wie z.B. in „The Grey“ ganz wunderbar. „Choke“ mit seinen wütenden Leads und „The Agonist“ mit einen zum Mitschreien auffordernden Shout-Response-Part habe ich immer wieder im Ohr bzw. in der Playlist.
LONG DISTANCE CALLING: How do we want to live?
Dieses Album ist mit dieser Fragestellung genau richtig im corona-geprägten Jahr 2020. Auch wenn es vorrangig um das Verhältnis von Mensch und Maschine, persönlicher Freiheit und technischem Fortschritt geht, steht doch auch die Frage nach der Konkretisierung humanistischer Grundwerte im Raum. „How Do We Want To Live?“ ist wieder ein instrumentelles Album. Elektronische Elemente im Einklang mit den Instrumenten. Da LONG DISTANCE CALLING auf die Frage keine Antwort geben, bietet das Album Raum, um sich selbst Gedanken zu machen. Welche Gedanken Jan Hoffmann (Bass) sich dazu gemacht hat, hat er mir in einem Interview erzählt.
PANZERBALLETT und ihr Planet Z
Als Jan Zehrfeld 2005 mit PANZERBALLETT auf die Bühne ging, war diese Art der Musik, die er als „Jazzmetal“ bezeichnete, neu. Neu, ungewöhnlich, gewöhnungsbedürftig, interessant, herausfordernd, virtuos und komplex in der Umsetzung. Aber immer mit Groove und Humor.
Und so ist auch „Planet Z“. Es wurde weiter experimentiert und daraus Neues entwickelt. Neben Stücken aus der Feder von Jan Zehrfeld wurden Kompositionen z.B. von Nélida Béjar (s. auch undercoverfiction ensemble) Leonard Kuhn (von der Techno-Jazzband Jazzrausch Big Band) oder auch Richard Wagner (ja, der Richard Wagner) für PANZERBALLETT arrangiert. Doch es kommt noch mehr: Auf dem Album trommeln Weltklasse-Drummer aus den Bereichen Jazz, Fusion, progrock. Marco Minnemann (THE ARISTOCRATS), Morgan Ågren, der an mehreren Projekten von Frank Zappa beteiligt war, oder auch Gergő Borlai (TRIBAL TECH).
„Planet Z“ ist eine Herausforderung an die rhythmischen Fähigkeiten bzw. Möglichkeiten der beteiligten Musiker und auch der Hörer. Da gibt es etliche vertrackte Rhythmusgefüge eingebettet in groovende Strukturen, viel Jazz, viel Metal. Und mittendrin der „Walkürenritt“ von Wagner. Ein tolles Album, das auch nach etlichen Durchläufen nichts an Spannung verliert.
„InitIAtion“ von IA: „What will I understand without a guiding light?”
IA kommen aus Finnland. Sie haben in ihrem Konzeptalbum „InitIAtion“ schamanische Elemente aufgegriffen und sie progressiv in Metalstrukturen eingebunden. Den Rahmen bildet die Initiation, die Einführung in die Rolle des Schamanen. Aber sie wollten mit dem Album auch persönliche Geschichten erzählen. Und so verbindet sich die Erzählung, wie sich beim Schamanen die innere Kraft entwickelt, sich das Selbstkonzept verändert, mit eigenen Erfahrungen.
Für die Integration schamanischer Elemente in Metalmusik gibt es in Finnland mehrere Beispiele. Zu den auch außerhalb von Finnland bekannten Bands gehören KORPIKLAANI und insbesondere ihr Frontmann Jonne Järvelä mit seinen Soloalben. IA knüpfen hier an, nutzen aber andere Formen. Prägend ist das komplexe Drumming von Ukri Suvilehto, der sonst bei ABBATH trommelt, im Zusammenspiel mit Yrjö Gävert (Bass). So haben sie dynamische Klanglandschaften geschaffen, die von meditativer Atmosphäre bis hin zu dramatischer Präsenz reichen. Und wer sich darauf einlässt, kann Meditatives ebenso erleben wie kraftvollen gradlinigen Metal.
KJELL BRAATEN: Ferd – eine Reise und der Nachhall des Vergangenen in der Gegenwart
Kjell Braaten hat mich mit auf die Suche nach den Wurzeln nordischer Musik genommen.
Wer die Musik der Wikinger bisher mit Bands wie SKÁLMÖLD, MÅNEGARM, TÝR oder auch AMON AMARTH in Verbindung gebracht hat, erhält hier einen anderen Blick auf die Musik der Wikingerzeit. Viel weiß man nicht darüber, da Wikinger selbst kaum etwas aufgezeichnet haben. Berichte von Handelsreisenden wie Ibrahim Al-Tartushi oder die Aufzeichnungen christlicher Mönche sind aufgrund der kulturellen und religiösen Unterschiede als Quelle wohl eher mit Vorsicht zu betrachten. Wikinger waren auch Reisende, die von ihren Reisen eben auch Musikinstrumente mitgebracht und sich von der Musik der Länder, die sie besuchten, inspirieren ließen.
Kjell Braaten hat sich vor allen Dingen von den Instrumenten und den Eindrücken aus der Natur der nordischen Gebiete inspirieren lassen. Dadurch ist es ihm gelungen, Vergangenes, Altes, das jedoch auch heute noch in uns nachhallt, mit Neuem zu verbinden. Es wird spürbar, dass er mit Neugier und Respekt die Möglichkeiten der Instrumente und die Klänge der Natur verbunden hat. Wenn man sich auf diese Reise einlässt, kann man sich mitnehmen lassen an die Orte, von denen Kjell sich hat inspirieren lassen, seinen Geschichten zuhören und sich von den Rhythmen zum Tanz aufgefordert fühlen. Auch hier hatte ich die Möglichkeit, ihn in einem Interview Fragen dazu zu stellen.
KATLA „Allt þetta helvítis myrkur“
KATLA haben es auch mit diesem Album wieder geschafft, eine Atmosphäre von Dunkelheit zu schaffen, in der das Licht um so heller wirkt. Stürme, Angst und Trauer spielen ebenso eine Rolle wie die Liebe. KATLA wollen uns an die dunkelsten Stellen der Seele führen, vermitteln aber immer wieder Hoffnung. Viele leichte Momente entstehen durch die schönen Gitarrenmelodien. Eindringlich und umschmeichelnd zugleich klingt die Stimme von Einar Thorberg Guðmundsson.
KATLA, das sind Guðmundur Óli Pálmason und Einar Thorberg Guðmundsson. Bei der Produktion des Albums sowie der Gestaltung des Artworks haben die beiden lediglich enge Freunde und Familienmitgliedern hinzugezogen. Auch dies wird dazu beigetragen haben, dass die Musik so intensiv ist und sich mit Lyrics und Artwork zu einem vielschichtigen Ganzen zusammenfügt.
Die Videos zu den Songs „Villuljós“ und „Sálarsvefn“ unterstreichen dies. Wer noch mehr über KATLA, ihre Musik, die Texte und das Artwork erfahren will, wird auf einige Fragen dazu im Interview mit Guðmundur Antworten bekommen.
… auf zur Musik im Jahr 2021
2020 ist vorbei, die Musik aus diesem Jahr wird bleiben. Die Alben, über die ich heute geschrieben habe, werden mich auch in der kommenden Zeit immer wieder begleiten. Ansonsten freue ich mich jetzt schon auf neue Musik. Z.B. auf das kommende Album von WARDRUNA (mehr dazu in den nächsten Tagen), Interviews und Geschichten. Ich gebe auch die Hoffnung nicht auf, dass wir in diesem Jahr wieder Live-Konzerte erleben werden. Also euch allen ein gutes Jahr voller Musik!
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Bildquellen
- agenda imperfect queen 2: Agenda
- the hawkins hilow the sign records: Palmer Turner Overdrive
- Bury-Tomorrow-Cannibal-1024×1024 (1): Sony Music/ Head of PR
- long distance calling: Anger Management & Promotion
- panzerballett planet z cover: cmm
- ia logo grand sounds pr: grand sounds pr
- kjell braaten: kjell braaten
- Katla016: Bildrechte beim Autor
- alben 2020: Agenda, The Hawkins, Anger Management, Head of PR, ccm, Gordeon, Prophecy Records
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