Sólstafir auf Berdreyminn-Tour in der Kantine in Köln

Sólstafir mit Árstiðir und Myrkur am 13.12.2017 in der Kantine in Köln
Nun war es endlich soweit: Sólstafir kamen mit Árstiðir und Myrkur zur Berdreaminn-Tour nach Köln.
Gespannt darauf, wie diese Zusammenstellung (Árstiðir: Folk, Myrkur mit Black Metal Elementen und der atmosphärische „Icelandic Heathen Metal“ von Sólstafir) ankommen würde, fuhr ich nach Köln.
Die Bühne war in gedämpftes blaues Licht getaucht, als Árstiðir die Bühne betraten. Gitarre, Baritongitarre und ein Keyboard machten direkt klar, dass zunächst nicht mit lauten Klängen zu rechnen war. Árstiðir begannen das Konzert mit dem Song „Himinhvel“ (was Hemisphäre bedeutet) von ihrem letzten Album „Hvel“.
Die Halle füllte sich mit fast sakralen Klängen, die an Gesänge von Mönchen erinnern. Dann setzten Gitarre und die klare Stimme von Gunnar Már Jakobsson ein und erzählten davon, wie Geschichten uns in eine andere Welt versetzen können.
Es ist den drei Isländern schon mit den ersten Songs gelungen, das Publikum in ihre Welt mitzunehmen. Die Gespräche ebbten ab und man konnte immer mehr verträumte Gesichter sehen.
Eine mystische Atmosphäre entsteht
Árstiðir schufen eine Atmosphäre von Mystik und Melancholie in einer Klarheit und Natürlichkeit, die beruhigend wie beängstigend ist.
Dann setzte sich Hallgrímur Jón Hallgrímson, der Schlagzeuger von Sólstafir, ans Drumset. Er begleitete die weiteren Songs zurückhaltend, gab ihnen aber durch die weichen Schläge auf die Toms eine Tiefe, die die Melancholie noch intensivierte. Das Schlagzeug verstärkte die Wirkung der gefühlvollen Gesangsstimmen, die sich wie Sonnenstrahlen von den dunklen Klängen abhoben.
Gerne ließ ich mich durch diese geheimnisvolle Musik und wunderschönen Klänge in eine dunkle und stille Welt entführen, die niemals düster wurde.
Vielleicht muss man in einer Welt mit Gletschern und Vulkanen, Wasserfällen und rauen Felsen aufgewachsen sein, um solch eine Musik zu machen.
Árstiðir spielten nicht nur Songs vom neuen Album sondern auch drei neue und bisher unveröffentlichte Songs.
Setlist Árstiðir
- Himinhvel
- Shine
- Passion*
- Mute*
- Things You Said
- While This Way*
- Shades
*(new song, un-released)
Árstiðir sind:
Gunnar Már Jakobsson (Baritongitarre), Daniel Auðunsson (Gitarre) und Ragnar Ólafsson (Keyboard)
Und dann gab es richtig was auf die Ohren
Amalie Bruun begann das Set von Myrkur mit ihrem psychedelischen Gesang, der von dunklen Klängen begleitet wurde. Dieser Gegensatz zeigte sich auch optisch. Während Sängerin Amalie sich eher elfenhaft mit wehenden Haaren (einem riesigen Ventilator zu verdanken) bewegte, zeigten die maskierten bzw. in ihren Kapuzen versteckten Musiker einen eher martialischen Auftritt.
Zunächst stand eher skandinavisch geprägter Folk im Vordergrund. Die helle Stimme hob sich vom düsteren Klangteppich ab und blieb auch in den Höhen kräftig und intensiv.
Das Publikum zeigte sich zunächst erwartungsvoll aber auch von den später hinzukommenden heftigen Bass- und Schlagzeugattacken überrascht. Viele wussten wohl nicht, was auf sie zukommt, wenn Amalie Bruun alle Register zieht.
Meist hob sich ihre Stimme hell vom düsteren Klangteppich ab und klang sowohl zerbrechlich als auch finster.
Dann steigerte sich das Ganze sowohl rhythmisch als auch stimmlich. Es kamen immer mehr Black-Metal-Elemente hinzu, der Gesang klang immer wütender, bis er in einem fast irren Geschrei endete, bei dem ich an die Hexen aus Polanskis Macbeth-Verfilmung denken musste.
Zwischendurch griff Amalie Bruun auch zur Gitarre, was aber irgendwie seltsam wirkte, zumal sie diese nach einigen wenigen Akkorden schon wieder zur Seite stellte.
Passender wirkte es, als sie den Song „De Tre Piker“ (ein nordisches Traditional) lediglich mit einer Schamanentrommel begleitete. Ein fast versöhnlicher Abschluss des Sets.
In der Ankündigung des Konzertes hatte ich mich gefragt, ob Amalie Bruun die Gegensätze ausspielen und ihre vielfältigen stimmlichen Möglichkeiten zeigen kann. Das ist ihr gelungen.
Auch wenn es einige irritieren Momente gegeben hat, kann ich nur empfehlen, sich Myrkur live anzusehen.
Setlist Myrkur
- Mareridt
- The Serpent
- Ulvinde
- Onde børn
- Vølvens spådom
- Jeg er guden, i er tjenerne
- Måneblôt
- Elleskudt
- Skøgen skulle dø
- Skaði
- De Tre Piker
Der Höhepunkt des Abends: die „Antichristian Icelandic Heathen Bastards“ von Sólstafir
Zumindest hatte ich den Eindruck, dass die meisten Zuschauer wegen Sólstafir gekommen waren. Denn bei etlichen Leute prangte das „Antichristian Icelandic Heathen Bastards“ auf dem Rücken oder sie trugen Shirts zu den verschiedenen Sólstafir-Alben. Und schon die ersten Tönen von „Silfur-Refur“, die ein wenig nach Filmmusik von Ennio Morricone klingen, wurden mit Applaus begrüßt.
Von Anfang an waren sie da: die Intensität der Musik und die Präsens von Sänger Aðalbjörn Tryggvason, die über das gesamte Set bestehen blieben und dem Publikum einen emotionalen, mitreißenden aber auch aufbauenden Abend bescherten.
Sólstafir lassen ihre Musik auf die Zuhörer wirken
Sólstafir lassen ihre Musik zunächst auf die Zuhörer wirken. „Silfur-Refur“, „Ótta“ und „Lágnættti“ versetzen einige im Publikum in einen tranceähnlichen Zustand. Die durch die Wiederholungen eindringlichen Klangsequenzen, das ruhige Tempo mit den sich steigernden Schlagzeug- und Bassanteilen schaffen dafür die Grundlage. Umso mehr trifft dann der fast zerbrechliche Gesang.
Immer wieder kommt einem die Klanggewalt, die von Bass und Schlagzeug geprägt und durch die weichen Gitarren verstärkt wird, entgegen. Dies führte im Publikum zu unterschiedlichen Reaktionen: die einen lassen dies mit geschlossenen Augen auf sich wirken, andere nehmen den Rhythmus headbangend oder mähneschwingend auf. Aber unberührt lässt die Musik niemanden. Vielleicht ist es gerade die Ambivalenz, die die Musik von Sólstafir so anziehend macht. Wild mit dynamischen Wechseln und dann wieder diese Verletzlichkeit, die in einem verzweifeltem Schrei endet.
Betont wurde die Konzentration auf den Sänger durch die Bühnenbeleuchtung. Wabernder Nebel und eine Ausleuchtung, die sowohl den Schlagzeuger als auch den Keybordspieler (Ragnar Ólafsson von Árstiðir) weitgehend im Dunkeln ließ.
Aðalbjörn Tryggvason hat auf Ansagen zu den Songs verzichtet. Aber er war immer im Kontakt mit den Zuschauern. Er hat ihnen zugenickt, auf einzelne gezeigt: ich sehe dich. Später hat mit den Handys einzelner Fans Fotos gemacht und eine Frau zu einem Foto auf die Bühne geholt.
Ein eindringlicher Appell an das Publikum
Ein besonders eindringlicher Moment entstand fast am Ende des Konzertes, als Aðalbjörn davon sprach, dass sich viele Menschen in schwierigen Situationen befinden, weil sie mit Abhängigkeit oder psychischen Erkrankungen zu tun haben, Missbrauch erleben oder jemanden kennen, der einen Suizidversuch unternommen hat. Er forderte die Zuhörer auf, mit diesen Menschen im Gespräch zu bleiben und ihnen zuzuhören.
„Talk to them, you might be the only hold and help“.
Den letzten Song „Bláfjall“ widmete er den Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Er verließ die Bühne und lief, so weit das Mikrofonkabel es zuließ, ins Publikum.
Sólstafir ist es wieder einmal gelungen, in dem Kontrast zwischen ruhigen, melodischen Sequenzen und wilden, heftigen Momenten, Gefühle in Klänge umzusetzen.
Ein gelungener Dreierpack nordisch-atmosphärischer Klänge
Es war ein Abend der Kontraste: wunderbarer Gesang begleitet von fast archaischen Rhythmen und Klängen, verträumte und melancholische Abschnitte genauso wie metallische Ausbrüche, eingängige Passagen und dann wieder irritierende fast verstörende Momente.
Setlist Sólstafir
- Silfur-Refur
- Ótta
- Ísafold
- Köld
- Hula
- Fjara
- Bláfjall
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Bildquellen
- Sólstafir: Amazon
Endlich mal jemand, der mit wenigen Worten die unbeschreiblichen Sòlstafir beschreiben kann. Auch die beiden anderen Berichte zu Astridir und Myrkur sind ansprechend. Durch sorgsam ausgewählte Adjektive kann man sich ein genaues Bild des Konzerts im Kopf selber erstellen und hat den Ton noch gleich mit dazu. Sehr anspruchsvoll….weiter so.
…das letze Lied war das mächtige Goddess of the Ages. Großartig.
Ja, das stimmt beides: es war der letzte Song und er ist großartig. (Irgendwie hat sich die Goddess aus der Setlist erhoben …)