LONG DISTANCE CALLING: „Ghost“

LONG DISTANCE CALLING haben im Sommer 2020 ein neues Album mit dem Titel „How Do We Want To Live“ herausgebracht. Damit sind sie zuletzt auf Platz 7 der deutschen Albumcharts gelandet, was für ein Instrumentalalbum ungewöhnlich und beachtenswert ist. Im November des letzten Jahres haben sie sich ein ruhiges Plätzchen gesucht, um in aller Abgeschiedenheit ihrer Kreativität Raum zu geben. Das Ergebnis ist die Jam-EP „Ghost“, die am 26.Februar 2021 veröffentlicht wird.
„Wir hatten eine der kreativsten Sessions bisher und freuen uns sehr darauf, Euch später das Ergebnis präsentieren zu können.
Die EP haben LONG DISTANCE CALLING in Eigenregie mit Unterstützung über ein Crowdfunding realisiert.
Das Konzept hinter „Ghost“

Quasi aus dem „Nichts“ heraus wollten sich Jan Hoffmann, Janosch Rahmer, Florian Füntmann und David Jordan drei Tage lang Ideen zuwerfen, mit ihnen experimentieren und spielen und das Ergebnis auf einer EP festhalten.
Herausgekommen sind sechs Tracks, die – um es bereits vorweg zu sagen – eine wunderbare Mischung aus Leichtigkeit und düsterer Atmosphäre, Rock und Elektro-Sound sowie Komplexität und Einfachheit sind.
Das Intro „Dullahan“ klingt gespenstisch wie der gleichnamige kopflose Reiter der irischen Mythologie. Percussion, die wie klappernde Knochen klingt, knarrende Türen, ein verstimmtes Klavier. Eine Eröffnung, bei der Geräusche und weniger Musik die Stimmung prägen.
„Old Love“ greift dies nicht auf, sondern swingt ruhig, zurückhaltend und entspannt. Der Track beginnt mit einer sanften Keyboard-melodie aus der sich die Leads der Gitarre herausspielen und Spannung aufbauen.
„We haven’t found it and we never will find it”
Beim Song „Black Shuck“ der den Namen eines schwarzen Geisterhundes trägt, habe ich geheimnisvolle Klänge erwartet. Doch der Song ist druckvoll und dynamisch. So als ob Black Shuck ziellos umherstreunt, dabei den Boden kaum berührt.
Das Video dazu ist absolut sehenswert: an die Ausdrucksformen des Film Noir angelehnt, begleitet die Musik einen Vater auf der Suche nach dem Biest, das angeblich seinen Sohn getötet hat. Jetzt verstärkt die Musik die Wirkung der Bilder, die zeigen, wie der Wunsch nach Rache und die Trauer alles verdüstern: „For there is no folly of the beast of the earth, which is not infinitely outdone by the madness of men.“
„Seance“ beginnt mit wabernden unbestimmten Klängen, langgezogenen Tönen, die zunächst nur andeuten, was sich dann entwickelt. Bei diesem Song kommt der Jam-Charakter gut zur Geltung, LONG DISTANCE CALLING lassen sich Zeit, den Song aufzubauen. Es wird eine Idee angeboten, von einem anderen Instrument aufgenommen und weitergegeben. Die Drums setzen Akzente, während das Zusammenwirken der Saiteninstrumente mit den Synths sphärische Klänge erzeugt. Die Synths, die sich schließlich in den Vordergrund spielen, werden dann aber von den Elementen, die sich zunächst nur angedeutet haben, umschlossen. So entsteht ein dynamisches Klanggebilde, das expandiert und immer intensiver werdend den Raum ausfüllt. Ein Song, der live die Zuhörer dazu bringen wird, die Klänge in pulsierende Bewegungen umzusetzen.

Negative is the new positive
„Fever“ ist der perfekte Song für einen Lauf am Meeressaum: die Füße versinken nur kurz im Sand, immer wieder umspült von den Wellen. Hier haben mir auch das klare Drumming sowie die Basslinien gut gefallen, die einen Gegenpol zu den verzerrten Klängen der Gitarre bilden.
„Negative Is The New Positive” ist ein großartiger Song mit Melodien und einer Klangwelt, die so gar nicht nach Jam-Session klingt. Komplex aufgebaut, vielschichtig und variationsreich. Weite Klangstrecken mit vielen Details. Bei jedem erneuten Hören gibt es Neues zu entdecken.
Dieser Song ist im Wesentlichen dunkel und düster. Dann jedoch, wenn die Gitarre einsetzt oder die Klänge zwischen den Kanälen hin- und hergeschickt werden, beklemmend, gar bedrohlich.
Eine krasse Wirkung erzielen die eingesprochenen Worte, die von elektronischem Flimmern umgeben sind. Denn durch die Verzerrung sind sie nicht zu verstehen, nicht greifbar.Schließlich klingt der Song mit einer wohltuenden Melodie und klar definierten Drums aus.
Experimentierfreude, Ästhetik und Atmosphäre
Neben der Düsternis und Leichtigkeit, eingängigen Riffs und Melodien, sphärischen und dunklen Klänge sowie druckvollen Passagen gibt es auch Klänge, die wie ein Bach über Stock und Stein plätschern. Inzwischen gefallen mir auch diese Stellen gut, da ich bereits weiß, was kommt. Von diesen Stellen aus baut sich Spannung auf und es entsteht eine Vorfreude auf die treibenden Takte oder die dunklen Klänge. Doch bevor die Dunkelheit zu schwarz wird, taucht wieder eine Melodie wie ein Lichtstreifen auf.
„Ghost“ zeigt deutlich, welche Experimentierfreude LONG DISTANCE CALLING haben. Mit dem Format einer Jam-Session zeigen sie ihr handwerkliches Können und dass sie über ein breites Spektrum an Ideen verfügen. Dadurch ist „Ghost“ spannend und lebendig verrückt, vielschichtig atmosphärisch mit vielen Details geworden.
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Bildquellen
- ldc ghost cover: ANGER MANAGEMENT & PROMOTION
- ldc ghost vinyl: ANGER MANAGEMENT & PROMOTION
- ldc ghost: ANGER MANAGEMENT & PROMOTION
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