MANTAR: Grungetown Hooligans II
MANTAR mit der coolsten Wartezeitverkürzungs-EP des Jahres (VÖ 26.6.2020)
MANTAR klingen auf ihrem letzten Album „The Modern Art Of Setting Ablaze“ härter als so manche 5er-Formation. Hanno Klänhardt und Erinç Sakarya spielen wild und wuchtig, rockig, mit Djent, rifflastig und mit boshaften Vocals. Dennoch haben MANTAR komplexe Songstrukturen, in die sie immer wieder Überraschungen einbauen. MANTAR kommen aus dem Punk. Dennoch klingen sie wie eine Metalband. Oder wie Hanno sagte: „Aber wir haben trotzdem ein Metal-Publikum und so sind wir eine Metal-Band, denke ich!“
Seit „The Modern Art
Of Setting Ablaze“ sind inzwischen fast zwei Jahre vergangen. Daher ist es irgendwie
klar, dass ein neues Album sehnsüchtig erwartet wird. Doch anstatt neue Songs
zu veröffentlichen, haben MANTAR acht Cover-Songs rausgehauen. Und da haben sie
sich nicht irgendwelche herausgesucht. Sie covern Songs, von denen sie sagen,
dass diese sie musikalisch am stärksten beeinflusst haben.
Damit sind sie also an ihre Anfänge bzw. noch weiter davor gegangen. Ausgewählt
haben sie Songs von Noise-Bands wie The
Jesus Lizard und Riot Grrrl Bands wie L7
und Babes in Toyland sowie Rockbands
wie Mazzy Star.
Mit der Auswahl der Songs/Bands total überrascht
Wie ich schon erwähnte, haben sich MANTAR zunächst nicht als Metal-Band verstanden. Wohl aber waren sie immer offen für Experimente. Dafür stehen auch die Bands, deren Songs MANTAR gecovert haben. Während Noise-Rock mit Disharmonien spielt und manchmal atonal klingt, haben die Riot Grrl – Bands selbstischer und ‚aufrührerisch‘ ihr eigenes Punk-Ding gemacht und feministische Perspektiven eröffnet.
Obwohl ich bei MANTAR immer mit irgendeiner Überraschung rechne, haben sie mich damit, dass sie offensichtlich ausgemachte Fans von Riot-Grrl-Bands sind, doch wieder erwischt.
Songs zu covern ist ein Risiko
Cover-Songs sollten keine Kopie, aber dennoch wiederzuerkennen sein. Wie gut es einer Band gelingt, die Essenz eines Songs im eigenen Stil auszudrücken, ist einerseits vom Original aber auch von der Fähigkeit der Band abhängig, beides miteinander zu verschmelzen. Um es schon vorweg zu sagen: MANTAR haben das hinbekommen.
Grungetown Hooligans II ist also inspiriert vom Sound der experimentellen Bands der 90er Jahre und zeigt ganz deutlich, wie eng Hanno Klänhardt und Erinç Sakarya dem Punk verbunden sind. Denn ich denke, ohne diese Verbundenheit wäre es ihnen nicht gelungen, den Kern und das Anliegen der Songs aufzunehmen und in Songs ‚umzuwandeln‘, die eindeutig MANTAR-Songs sind. Einerseits ist das Experimentelle der Originale erhalten geblieben, andererseits sind die Songs ‚hörbarer‘ geworden. Dazu trägt im Wesentlich bei, dass sie Songs sowas von nach vorne gehen und grooven.
Acht Songs in spannender Neuauflage
Schon der Opener „The Bomb“ (L7 vom Album Hungry For Stink)) wirft uns direkt ins Geschehen. Bereits bei diesem Song zeigt sich, was sich durch alle Songs der EP zieht: Hannos Gesang, dreckig und spröde, verschafft den Songs eine enorme Direktheit und Konkretheit.
„Puss“ hat die düsteren aber groovigen Blueselemente ebenso beibehalten wie die Anklänge von Industrial-Rock.
„100%“ (ursprünglich von Sonic Youth) ist 100% großartig geworden. Vor allen Dingen, wenn man sich das Video anschaut, das einfach nur Spaß macht.
Spätestens bei „Ghost Highway“ (Mazzy Star) reißt es einen aus dem Sessel. Der Song groovt und rockt.
„Can I Run“ ist der ruhigste Song der EP und bekommt durch Hannos Stimme einen wunderbar rauen Charakter.
Mit ihrer Version von „Bruise Violet“ (Babes in Toyland), „Who You Drivin‘ Now“ (Mudhoney) und „Knot“ (7 Year Bitch) zeigen MANTAR deutlich, dass Grunge seine ihm zugeschriebene hässliche Ästhetik nicht nur aus dröhnenden Gitarren besteht, sondern auch rockig ziemlich ‚hässlich‘ sein kann.
Krachende Grunge-Punk-Rock-Songs
Es ist schon krass, was MANTAR hinbekommen haben: Songs, die von einer Vierer- bzw. Fünferbesetzung gespielt wird, mit zwei Leuten noch mehr Nachdruck und Wucht zu verleihen.
Aufgenommen wurden Grungetown Hooligans II übrigens in Hannos Wohnzimmer in Florida und (die Drums) in Hamburg im Studio.
Schade, dass die EP nach 8 Songs schon vorbei ist. Ich hätte gerne noch mehr gehört. Aber dann lasse ich die Scheibe eben noch einmal laufen
Zum Schluss noch etwas zum Artwork: während das Cover von „The Modern Art Of Setting Ablaze“ vom (umstrittenen) Relief „Der Lichtbringer“ des Bremer Bildhauers Berhard Hoetger geziert wird, erblicken wir auf dem Cover von Grungetown Hoolingans II einen Maskierten mit Pistole im Schnee und im Innern ein Kinderfoto. Kein Booklet, keine Erklärung, kein Bandlogo. Reduziert auf die Songs, auf die Musik.
Grungetown Hooligans II ist eine grandiose Erinnerung an eine spannende Zeit in der Musik: experimentell, politisch und feministisch. Und auch ohne diesen ‚historischen‘ Zusammenhang ein Album mit mantarmäßig krachenden Songs.
Tracklist:
1. The Bomb (L7)
2. Puss (The Jesus Lizard)
3. 100% (Sonic Youth)
4. Ghost Highway (Mazzy Star)
5. Can I Run (L7)
6. Bruise Violet (Babes in Toyland)
7. Who You Drivin‘ Now (Mudhoney)
8. Knot (7 Year Bitch)
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Bildquellen
- mantar grungetown hooligans II cover: Oktober Promotion
- mantar grungetown hooligans II: Oktober Promotion
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