SAVATAGE-Die Entstehung von „Streets“ Teil 4

Gefühlszeug
Nach „Jesus Saves“ geht das Album über in den Song „Tonight He Grins Again“, was laut Jon sein Lieblingssong auf dem Album ist. Jon ist besonders von Criss‘ Darbietung angetan, auch wenn es kein Gitarrensolo an sich gibt. „Dennoch ist er überall in diesem Song präsent„, sagt Jon. „Er spielt wirklich cooles Gefühlszeug darauf. Ich fand, das war einer der Songs auf der Platte, in denen er eine sehr originelle Einzigartigkeit bei seinen Spielereien offenbarte; diese brillanten kleinen Läufe, die er zwischendurch einfügte. Er findet immer seine Zeitpunkt! Und das Geniale an ihm war, dass er immer die richtigen Stellen wählte. Er überspielte niemanden, nicht den Sänger oder sonst jemanden. Manchmal war ich einfach erstaunt, dass er seine Sachen so schnell einbauen konnte.“
Der Affe auf der Schulter
O’Neill, der die Dorian-Gray-Metapher des Liedes aufnahm und als Hommage an seinen Lieblingsschriftsteller Oscar Wilde einfügte, spiegelte sich in Jons Begeisterung für den Song wieder. „Ich liebe einfach so viele Zeilen in einem Song, wie die Sache mit dem Affen auf der Schulter“, sagt er.
(Anmerkung des Verfassers: „Monkey on the back -Einen Affen auf der Schulter haben“ bedeutet, dass man ein großes Problem im Leben hat, sozusagen eine schwere Last auf den Schultern tragen muss.)
„Eine Sache, die wir mit Savatage versuchten war das Ziel die Leute an einen Punkt zu bringen und dann noch den Schritt weiter zu gehen, den sie sonst nicht wagen würden. Jeder denkt immer an den Affen auf der Schulter, aber heute Abend grinst er. Das gibt der Sache einen anderen Blickwinkel. Gleichzeitig ist Criss der Schatten hinter all den den Worten. Wenn man eine Animation ohne Schatten sieht, fragt man sich: „Was ist da los? Aber wenn Schatten entstehen, sieht es plötzlich viel realer aus. Criss ist der Schatten, und er macht die Worte real.„
Die Penthouse-Überraschung
„Strange Reality“ hatte unterdessen einen kommerzielleren Sound als der Rest der Platte. Allerdings sollte er nie als Single veröffentlicht werden. Trotzdem erschien das Lied ohne Erlaubnis„, erklärte O’Neill. „Es wurde in in einem Video von der Zeitschrift ‚Penthouse‚ veröffentlicht. „Du denkst dir: ‚Was zum Teufel geht da ab?‘ Du weißt, dass du es geschafft hast, wenn du dir einen Porno ansiehst und siehst dich plötzlich selber darin“, sagte er.
Klavierballade „A Little Too Far“ – eine immense Herausforderung
„A Little To Far“sorgte für die schwierigsten Momente der Streets-Sessions. „Das war eine unglückliche, sogar tragische Geschichte“, erklärte O’Neill. “ Als Jon es zum ersten Mal sang, klang es für mich nicht richtig. Ich dachte: ‚Vielleicht ist das einer der wenigen Songs, die Jon nicht singen kann.‚ „
Aber Jon sagte: „Nein, nein! Ich kann das.“ Als er es zum vierten Mal sang, hat es mich einfach umgehauen. Jedes Haar auf meinen Armen stand aufrecht, und ich dachte: ‚Verdammt, er wurde geboren, um dieses Lied zu singen.“
„Wir gingen ins Studio und fingen an, ihn aufzunehmen, und Jon hat es gleich beim ersten Take geschafft“, fuhr er weiter. „Die Aufnahme des Songs war schwierig, denn er wird auf einem Live-Steinway (Klavier) gespielt. Jon singt und spielt gleichzeitig, ohne Click-Track. Da muss man das Klavier und den Gesang gleichzeitig aufnehmen, weil die Mikrofone von Klavier und Gesang sich gegenseitig unterstützen. Als Jon es zum ersten Mal spielte, sagte ich zu einigen Leuten im Studio im Studio: ‚Höre ich da Verzerrungen?‘
Sie antworteten: „Nein, das liegt an den Lautsprechern, auf dem Band ist es in Ordnung. Aber als ich an diesem Abend mit meiner Kassette nach Hause kam, lag es nicht an den Lautsprechern. Die Verzerrung war auf dem Band. Um das Ergebnis zu erzielen, welche er beim ersten Mal eingesungen hatte, brauchte ich weit über 100 Takes. Man konnte es wirklich nicht bearbeiten und zusammenschneiden. Man musste es an einem Stück, in einem Fluss, aufnehmen und es musste von Anfang bis zum Ende perfekt sein.“
„Ich hasste diesen Song so sehr!“
Oliva erinnert sich, dass die magische Anzahl der Takes 303 war. „Als ich fertig war, hasste ich den Song so sehr“, sagt er. „Ich habe wahrscheinlich ein Jahr gebraucht, bevor ich mir den Song wieder anhören konnte. Was Paul wollte, worauf er hinaus wollte und warum er mir das angetan hat, war das Ziel, dass es leicht klingen sollte. Er sagte, man könne erkennen, dass ich darüber nachgedacht habe, was ich tue, und er suchte nach etwas, wo es einfach fließt. Ich wusste nicht, was zum Teufel er er meinte. Es spielte sich in etwa so ab: „Das hört sich toll an für mich. Lass es uns benutzen! Aber er sagte: ‚Nein, nein! Der Fluss ist nicht gut.‘ „
Die Leute wollen hoch- und runtergebracht werden
„Paul hat mich wirklich angetrieben, mich zu übertreffen“, fährt er fort. „Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich, was den Gesang betraf, alles selbst entschieden. Wenn ich damit zufrieden war, dann war es das! Ich hatte es im Sack! Aber Paul hat immer gesagt: ‚Du kannst es besser!‘ Er hat so ziemlich jedes Mal Recht, denn je mehr ich das Zeug sang und je mehr ich mich mit den Texten vertraut machte, umso besser wurde es.“
Obwohl er anfänglich besorgt über einen Track schien, der nur aus Klavier und Gesang besteht, hat Jon glaubt, dass „A Little Too Far“ zur Vielseitigkeit von „Streets“ beiträgt und dabei auch das härtere Material des Album noch mehr hervorhebt. „Die Leute wollen hoch- und runtergebracht werden“, sagt er. „Man kann dem Hörer sechs Minuten lang den Kopf einschlagen und ihm dann drei oder vier Minuten etwas Melodisches zu hören geben, um dann wieder auf ihn einzuhämmern. Wenn man Song für Song auf ihn einprügelt, gibt man den Ohren keine Chance etwas anderes zu hören. So würde es immer gleich klingen und die Leute würden es irgendwann satt haben.“
Der Song wäre eigentlich dem Song „When The Crowds Are Gone“ vorausgegangen, wenn dieser nicht schon auf dem Vorgängeralbum verwendet worden wäre. Hier zeigt sich deutlich der Einfluss des Sängers John Lennon.
„Der Beatles-Vibe kam ganz natürlich aus Jon heraus“,“ sagte O’Neill. „Jon und ich haben einige Dinge gemeinsam, wie Queen und Black Sabbath. Aber wir unterscheiden uns darin, dass ich viel mehr klassische und Broadway-Einflüsse habe, und er ist viel mehr Beatles-beeinflusst als ich selbst. Ich glaube das kam bei „A Little Too Far“zur Geltung.
Ende Teil-4-
Im nächsten Teil geht um die sogenannte Maschinengewehr-Lyrik und O’Neil wird von einem Gottesblitz getroffen.
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Bildquellen
- 0204062ERE Savatage Streets Booklet_141210.indd: CMM GMBH / earMUSIC
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