Todessehnsucht – Als der Deathmetal nach Deutschland kam
Ein Interview mit dem Autor Andreas Hertkorn
Unser Chefredakteur Ralf hat euch in seiner Serie „Schock deine Eltern, lies ein Buch“ ja schon das ein oder andere Mal dazu bewegen wollen, einen ollen Wälzer aufzuklappen. Ob das geklappt hat, kann ich natürlich nicht sagen. Aber ich will es auch mal versuchen und habe mir daher Andreas Hertkorn zum Interview geschnappt, der das Buch „Todessehnsucht – Als der Deathmetal nach Deutschland kam“ geschrieben hat.
Todessehnsucht – das Interview
MH: Hallo Andreas, erst mal vielen Dank, dass Du dir die Zeit für ein paar Fragen nimmst. Stell dich und dein Buchprojekt doch bitte mal kurz unseren Lesern vor.
AH: Hallo Frank, erstmal vielen Dank für das Interesse an meinem Buchprojekt und vielen Dank für die Möglichkeit zu diesem Interview. Da gibt’s gar nicht so viel zu erzählen; ich bin 43, seit fast 30 Jahren Death Metal-Maniac und in meiner Freizeit Autor, Verleger und Label-Inhaber von SEVEN METAL INCHES RECORDS.
Wie alles begann
MH: Ich gehe mal davon aus, dass der Death Metal deine große Leidenschaft ist!? Wie und wann kam es dazu?
AH: Wenn ich mich für ein Genre entscheiden müsste, dann sicherlich Death Metal! Bin Anfang der 1990er eher durch Zufall dazugekommen, da mich ein Heavy-Kumpel mal mit in den Plattenladen genommen hat und mir die Cover der ersten beiden Benediction-Scheiben gefallen haben – und die Musik drauf war genial. Zufälligerweise war ein Nachbar von mir bereits gut ausgestattet und mir in der Folge dann alles mögliche zum Überspielen ausgeliehen. Mein erstes Tape mit den ersten beiden Cannibal Corpse-Alben hab ich immer noch. Aber das Schöne an der damaligen Zeit war, dass man ohne große Probleme auch noch Black, Thrash, Hardcore, Grindcore, etc. anhören konnte, daher war ich immer recht breit aufgestellt.
Von der Idee zum Buch
MH: Wie bist Du auf die Idee gekommen, direkt ein ganzes Buch zu schreiben? War Todessehnsucht eine „Schnapsidee“, oder hast Du in irgendeiner Form journalistischen Hintergrund bzw. anderweitig Kontakt zur Musikszene?
AH: Die Idee entstand in den finalen Zügen meines ersten Buches über Picture 7“s im Extreme Metal (SEVEN METAL INCHES); eines Tages stellte ich mir einfach die Frage, warum es eigentlich noch keine Publikation gibt, die sich mit der großartigen Death Metal-Szene in Deutschland beschäftigt hat. Nachdem SEVEN METAL INCHES veröffentlicht wurde, hab ich mich dann gleich daran gemacht, diese Frage zu beantworten. Mitte der 1990er hab ich mal ein paar Interviews für Fanzines gemacht, war dann aber tatsächlich für 20 Jahre „nur“ Fan.
Das Konzept
MH: Hast Du das Buchprojekt quasi allein gestemmt? Wie läuft sowas überhaupt ab? Gab es da ein Konzept, oder hast Du einfach drauf los geschrieben?
AH: Das Konzept von TODESSEHNSUCHT hat sich im Laufe der Zeit immer weiterentwickelt; zu Beginn stand eine Grundidee, mehr nicht. Durch die vielen Gespräche mit den Musikern der deutschen Bands hat sich dann das eine oder andere ergeben wie Labels, Veranstalter, Shop-Besitzer oder ausländische Bands mit einzubeziehen. Mit Schreiben war da erstmal noch nichts; ich hab einen Fragebogen erarbeitet, den jeder bekommen hat bzw. angepasst an die „Tätigkeit“, aber so konnte ich eine Vergleichbarkeit gewährleisten. Zu Beginn wollte ich eigentlich das Thema Ostdeutschland nur als Zusatzkapitel betrachten, aber das wurde dann recht schnell ein fester Bestandteil, nur das Jugendradio DT-64 der DDR und die Stasi-Vergangenheit bekamen einen Extraplatz. Aber ja, ich hab alles alleine gemacht, natürlich mit der Hilfe aller Beteiligten, die Kontakte sowie Fotos, Flyer, Tickets, etc. aus ihren Archiven bereitgestellt haben. Etwas schwieriger war es mit Markus Staiger (Nuclear Blast), der wenig Zeit hat und kaum zu greifen ist, aber mit genügend Ausdauer hat es dann doch geklappt.
Autor und Verleger in Personalunion
MH: Wenn ich das richtig gesehen habe, bist Du nicht nur Autor, sondern auch Verleger des Buches? So ganz ohne Vorkenntnis? Wie lange hast Du an dem Werk gearbeitet?
AH: Alles in allem hab ich etwas mehr als zwei Jahre dafür gebraucht; da ich SEVEN METAL INCHES und auch das Nachfolgebuch SEVEN INCHES OF DEATH (als Co-Autor) selbst herausgebracht habe, hatte ich ja schon genügend Erfahrungen im Buchdruck und auch ein Netzwerk und das gewisse Standing. Im Grunde genommen ist das alles keine Raketenwissenschaft, aber man muss strukturiert arbeiten, die richtigen Ideen haben und wissen, wie man sich bzw. das Produkt vermarkten kann. Da ich mehr als 15 Jahre Expertise im Vertrieb habe, fällt mir das vermutlich aber auch etwas leichter. Und man muss auch bereit sein, sich ständig weiterzuentwickeln, so hab ich mir alles Notwendige in Sachen Photoshop oder InDesign selbst beigebracht bzw. habe gute Freunde gefragt, wie es geht. Man lernt immer mehr dabei und kann somit auch die eigenen Ideen und Visionen besser umsetzen.
Ein voller Erfolg
MH: 53 Euro sind ja nun kein Pappenstiel, für ein Buch. Trotzdem ist die Erstauflage von 500 Büchern schon fast vergriffen. Hast Du mit diesem Erfolg gerechnet? Und wie geht es nun weiter?
AH: In einem Forum hatte ich einen Kommentar gelesen, dessen Autor glaube ich wirklich Ahnung hatte, was der Druck eines solchen Buches kostet, da er meinte, dass beim Autor nicht viel übrig bleiben wird… hahaha. Ich orientiere mich beim Preis nach anderen Werken und vergleiche, was diese Bücher zu bieten haben. Grundsätzlich versuche ich das umzusetzen, was ich auch gerne haben möchte, d.h. wie in meiner Vorstellung das ideale Buch aussieht. Ob das Papier jetzt diese Stärke haben muss oder eine Fadenbindung, kann man diskutieren, aber ich find´s einfach geil und wollte es so haben. Bei der ganzen Arbeit soll einfach nur ein perfektes Buch rauskommen, so zumindest der Anspruch an mich… und scheinbar finden das auch mindestens 500 andere so. Hahaha. Ich finde es einfach nur unglaublich und ich bin wahnsinnig stolz, dass alle Bücher schon verkauft sind. Ich hab leider einen eher pessimistischen Pragmatismus und bin eher vorsichtig, obwohl alle meine Veröffentlichungen immer ausverkaufen. Lässt sich aber nicht ändern. Hahaha.
Es soll jetzt recht schnell noch eine neue unlimitierte Auflage folgen, zwar mit farbigem Softcover, aber dann ausschließlich schwarz-weißem Inhalts. Das senkt den Preis und macht das Buch vielleicht für den einen oder anderen interessanter, v.a. in den Corona-Zeiten müssen doch leider viele genauer hinschauen. Zudem ist noch eine englisch-sprachige Version in der Vorbereitung, da es sehr viele Anfragen dazu gibt, gerade von Kunden, die meine anderen Bücher bereits kennen. Diese Ausgabe soll in der zweiten Jahreshälfte 2020 folgen, analog dann zu der neuen deutsch-sprachigen Auflage in schwarz-weiß.
Worum geht’s in Todessehnsucht eigentlich?
MH: Erzähl uns doch bitte noch ein wenig über den Inhalt. Wem würdest Du das Buch besonders ans Herz legen?
AH: TODESSEHNSUCHT beschreibt die Anfänge der deutschen Death Metal-Szene im Zeitraum Mitte der 1980er bis 1992. Dabei kommen quasi alle Protagonisten der damaligen Zeit zu Wort, egal ob Poison, Atrocity, Morgoth, Eternal Dirge oder Assorted Heap und Torchure. Dabei werden allerdings nicht die Bands einzeln vorgestellt, sondern jeder Teilnehmer erzählt seine persönliche Geschichte über die frühen Tage und wie sich die Band zu Beginn entwickelt hat. Dazu berichten Veranstalter und Musik-Journalisten, wie sie diese Zeit erlebt und mitgestaltet haben. Besonders Augenmerk bekommen natürlich die ganzen Konzerte und Touren in diesen frühen Jahren, speziell ab 1990, die auf fast 200 Seiten behandelt werden. Dazu wird das Buch mit Tonnen an Fotos, Flyern, Postern, Tickets, Magazin- und Plattencovern garniert. Das Buch ist eigentlich für jeden, der die deutsche Death Metal-Szene mag, in der Zeit damals alles miterlebt hat oder wer einfach Lust auf ein paar nette Geschichten aus der guten alten Zeit hat.
Neue Projekte
MH: Hast Du weitere Projekte und Ideen im Kopf, oder war Todessehnsucht für dich eine einmalige Angelegenheit?
AH: Wie schon erwähnt, hab ich ja schon zwei Bücher rausgebracht und ein nächstes namens TAPE DEALER steht in den Startlöchern. Dieses wurden von meinem Co-Autor des zweiten Buches, Dima Andreyuk (TOUGH RIFFS MAG) verfasst und behandelt die Demo- und Tapetrading-Zeiten der 1980er und frühen 1990er. Zudem arbeite ich an zwei weiteren Buchprojekten, eines über die australische Extreme Metal-Szene der 1980er/1990er (UNDER THE SIGN OF THE SOUTHERN CROSS) und an einer Art „Biografie“ der deutschen Desaster (TEUTONIC STEEL – Three Decades of Bang or Be Banged!). Ideen gibt es aber auch hier schon weitere! Nebenher veröffentliche auch noch alte 7“-Klassiker der Death Metal-Historie in neuem Gewand und bringe im Juni eine 7“ einer italienischen Untergrund-Band raus – weitere folgen.
Danke für das Interview
MH: Ich frage meine Gesprächspartner, die sich mit Musik beschäftigen, oder gar selbst welche machen, immer besonders gern diese Frage…Was hörst Du selbst im Moment besonders gern? Hast Du vielleicht ein paar Tipps auf Lager?
AH: Ich wandle immer zwischen den Perlen der Anfangsjahre (1988-1994/5) und der Untergrund-Szene des letzten Jahrzehnts. Besonders gerne höre ich gerade Black Curse, absoluter Wahnsinn manifestiert auf Platte! Anchecken!
MH: Andreas, vielen Dank für die Zeit, die Du dir genommen hast. Bei uns hat der Gast immer das letzte Wort…Du darfst gern noch was los werden 🙂
AH: Vielen Dank nochmals für die Gelegenheit zu diesem Interview und vielen Dank an alle, die mich mit dem Kauf des Buches unterstützt haben! Die Death Metal-Szene ist einfach geil!!!
Nochmal zur Info…das Buch Todessehnsucht ist inzwischen leider ausverkauft. Da die günstigere Neuauflage in s/w noch etwas auf sich warten lässt und es so viele Anfragen gibt, hat Andreas sich entschieden, nochmals eine kleine Auflage der farbigen Version zu bringen. Ihr könnt diese ab sofort hier vorbestellen KLICK.
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Bildquellen
- Andreas-Hertkorn: Andreas Hertkorn
- Todessehnsucht-Cover-final: Andreas Hertkorn
- Todessehnsucht-Beitrag: Andreas Hertkorn
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