LINDY-FAY HELLA &DEI FARNE: „Hildring“
„Hildring“ ist das zweite Album, das Lindy-Fay Hella unter ihrem Namen veröffentlicht. Es wird am 26. November 2021 via By Norse herausgebracht.
2019 erschien das Album „Seafarer“. Bereits dort hat sie ihren Blick in andere Dimensionen und Traumwelten gerichtet. Dies setzt sie mit „Hildring“ fort.
Diesmal hat sie sich mit Roy Ole Førland (Keyboard, Synths), Ingolf Hella Torgersen und Sondre Veland (beide Drums und Percussion) sowie Gaahl (Vocals) zusammengetan, um ihre und auch gemeinsame Ideen in einer Melange aus Folk, Weltmusik, elektronischer Musik, Dark-Synths und Anleihen aus weiteren Genres Ausdruck zu verleihen.
Voller Neugier auf das, was Natur, Vergangenheit, Träume und das Universum zu bieten haben, verbinden sie elektronische Musik, Rhythmen und natürliche Instrumente. Mit der Stimme als Vermittler und verbindendem Element.
Teile des Albums seien improvisiert, da es ihnen nicht um Perfektion ging. Das ist ein Aspekt, der sich durch das Album „Hildring“ zieht: die Lieder sind nicht ‚glatt‘, sondern leben durch Kontraste.
Klänge aus einer anderen Welt
Die Instrumentierung an sich ist schon ungewöhnlich: Gitarre, Klavier, Hardanger Fidel, Harmonium, verschiede Percussions-Instrumente, Schlagzeug, Synthesizer – und die Stimme.
Lindy-Fay Hella gelingt es, mit ihrer Stimme vor allen Dingen Gefühlen und Stimmungen Ausdruck zu verleihen. Das tut sie mal lockend, fast neckend und umschmeichelnd. Und auch herausfordernd und intensiv.
Die Stimme ist auf diesem Album nicht nur dazu da, Worte zu transportieren. Sie ist auch ohne Worte Träger von Melodien, Übermittler von Gefühlen, dem Staunen und der Ehrfurcht, mit der Lindy-Fay & Dei Farne die Natur betrachten. Außerdem hat Lindy-Fay in Erinnerung an ihre Urgroßmutter auch den Joik, die traditionelle Gesangsformen der Samen, als Idee mit in ihre Lieder fließen lassen. Auch der Joik arbeitet mit Bildern und Vorstellungen. So kann eine über Jahrhunderte gewachsene Ausdrucksform auch heute ansprechen und (wieder) Bedeutung gewinnen.
„Hildring“ – Die ständige Suche nach dem Unbekannten
Lindy-Fay & Dei Farne weben dieses Unbekannte in gewohnte Klänge hinein. Sie übermitteln dabei die Magie und Faszination, die in den kleinen Dingen liegen. Sei es durch den Klang eines Glöckchens oder die Stimme, die hauchdünn flüstert aufmerksam macht.
Der Opener „Hildring“ hat eine interessante rhythmische Basis, mit einem Bass als Grundlinie. Darüber liegt ein leichter luftiger Gesang. Über allem spannt sich ein magischer Bogen. Je nachdem wann ich den Song höre, ist er dunkel und fast bedrückend oder aufmunternd.
“Los” handelt vom Lodesman. Dieser führt die Seelen, die auf dem Meer verlorengingen, zum sicheren Ufer führt.
Lindy-Fay erzählt weiter dazu:
Manchmal glaubte man, dass diejenigen, die von ihrer Reise nicht wieder nach Hause kamen, von Draugen, einer in der skandinavischen Folklore bekannten, gefährlichen Kreatur, geholt wurden.
Das Lied beginnt mit Weltmusik-Percussion über der die Stimme schwebt. Das Schlagzeug steht mit seiner Dynamik in einem spannenden Kontrast zu den sphärischen Klängen von Stimme und Synths.
„Insect“ ist der Song, bei dem ich mir gut vorstellen kann, dass viel von der anfänglichen Improvisation geblieben ist. Die hohe, vorsichtig klingende Stimme und das Fundament aus Orgelklängen schaffen eine seltsame, befremdliche Atmosphäre. Das Schlagzeug fügt erdende Rhythmen hinzu.
„The Lake“ ist eine Ballade, die besonders durch die Stimme ihre Wirkung entfaltet. Zu diesem Song sagte Lindy-Fay, dass er von Träumen inspiriert sei. So klingt er (einerseits) auch: verträumt, sanft. Und andereseits dennoch dunkel. Der Klang der Hardanger Fidel gibt dem Ganzen etwas Unwirkliches.
„I return through fire“
„Brising“ spielt mit Sythesizer-Klängen. Lindy-Fay nutzt hier eine tiefe Stimmlage und lässt sich Zeit, das Zusammenspiel von Rhythmus und Melodie zu entwickeln. Beschwörend klingen Gaahls Gesangspart und die begleitende Percussion.
Das Harmonium leitet „Kjetto“ ein. Dies klingt düster und die Stimme hoch und kalt. Die Orgelklänge werden dichter, die Stimme immer feiner. Wie Geistwesen, die durch einen von der Natur geschaffenen sakralen Raum schweben.
„Taag“ ist einer meiner Lieblingssongs des Albums. Auch hier gefällt mir das Schlagzeug richtig gut. Die Melodie und Harmonien haben etwas Experimentelles. Das Schlagzeug macht „Taag“ zu einem regelrecht beschwingten Song.
In einer anderen Welt den Joik suchen und ins Jetzt mitnehmen
„Otherworld“ ist ein wahrhaft mystischer Song, bei dem Lindy-Fay ihrer Stimme kraftvoll viel Raum gibt. Sie probiert alle Facetten der Tongebung aus und es wirkt oft so, als wenn sie sich vorsichtig an die Töne herantastet. Und an den Joik! Für mich mit „Gjelet“ der interessanteste und eindrucksvollste Song des Albums.
In „Gjelet“ scheint sie ihn für sich gefunden zu haben. Auch hier variiert sie ihre Stimme in einem weiten Stimmumfang. Die perkussiven Elemente unterstreichen vor allen Dingen zum Ende hin den beschwörenden Charakter der Stimme. So öffnet sich der Zugang zu einer Traumwelt.
Stimme, Rhythmus und Verzauberung
Beim ersten Hören musste ich mich zunächst an die Stimme gewöhnen. Doch je öfter ich die Songs gehört und das Herantasten an Töne und Klänge wahrgenommen habe, desto stimmiger wurde gerade diese Art die Stimme zu verwenden.
Wie ich schon geschrieben habe, hörte es sich für mich zum Ende hin an, als wenn sie sich von Träumen und dem Erleben in der Natur hat leiten lassen und auf diesem Weg etwas von dem Joik ihrer Vorfahren zu ihr gekommen ist.
Lindy-Fay Hella & Dei Farne haben mit „Hildring“ gezeigt, dass es Auseinandersetzung, Erfahrung und Handwerkszeug braucht, um ein Album zu machen, das facettenreich, aber nicht überladen ist, schlicht und dabei mit Tiefe.
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Bildquellen
- lindy fay hella & dei farne hildring 2: Gordeon Music
- lindy fay hella & dei farne hildring cover: Gordeon Music
- Lindy-Fay Hella & Dei Farne by Raina Vlaskovska: Gordeon Music Promotion
- lindy fay hella & dei farne hildring: Gordeon Music Promotion
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