Judas Priest – „Firepower“ (VÖ 09.03.2018)

„Firepower“, das neue Album von JUDAS PRIEST, steht endlich in den Regalen! Amen!
Unser Uwe hat sich ja bereits zu diesem Release ausgelassen (lest hier seine Stellungnahme!), jetzt ist es an der Zeit, dass DER ausgewiesene Fachmann in unserer Redaktion das Wort ergreift.
Bitte Hellion…
Das nunmehr 18. Studioalbum des britisch-amerikanischen Quintetts gehört ausweislich zahlreicher Polls unserer Mitbewerber zu den Top Drei der am meisten erwarteten Veröffentlichungen in 2018. Zeitgenossen der Metal-Veteranen wie etwa SAXON („Thunderbolt“) und die hungrige junge Generation, zu der zum Beispiel VISIGOTH („Conqueror’s Oath“) gehören, haben ihre Pferdchen bereits an die Startlinie geschickt im Rennen um DAS traditionelle Metal-Album des Jahres.
JUDAS PRIEST liefern mit „Firepower“ ingesamt 14 neue Tracks ab. Damit folgt die Band der mittlerweile zehnjährigen Tradition seit „Nostradamus“, mehr als nur zehn Songs auf ein Album zu packen. Schaut man sich die Tracklist an, so fallen bei rund 58 Minuten Spielzeit lediglich zwei ausgesprochen kurze Stücke von unter drei Minuten Spielzeit.

Judas Priest Firepower Vinyl Familie
Jedem recht getan…
JUDAS PRIEST gehören seit fast unglaublichen 45 Jahren zum Metal-Zirkus und zählen wohl ebenso lange zur DNA des Genres. Über die meisten Jahre hinweg waren – und es sei vorweg genommen: sind – die Arbeiterkinder um Rob Halford, Glenn Tipton und Co. Trendsetter im traditionellen Metal. JUDAS PRIEST klingen nicht wie Band X oder Y sondern diese Bands zitieren Vorbilder wie JUDAS PRIEST. Das bringt die Priester in das zwangsläufige Dilemma, dass die Fans mit jedem neuen Album das „nächste große Ding“ erwarten. Eine Hypothek, an der JUDAS PRIEST genauso mühsam abzahlen, wie IRON MAIDEN, SAXON, METALLICA und bis zuletzt BLACK SABBATH, um nur einige zu nennen.
Auf „Firepower“ entledigen sich JUDAS PRIEST dieser wiederkehrenden Erwartungshaltung auf zweierlei Weise. Zunächst, indem sie einerseits auf bewährte eigene Songstrukturen und Sujets zurück greifen. Dann aber andererseits durch kleine Kniffe und einige Experimente, die dem Gesamtbild JUDAS PRIEST nach über vier Jahrzehnten neue Facetten hinzu fügen.

Rob Halford Stage Shift
Betrachtet man „Firepower“ in der Vinylversion, verteilen sich die 14 Tracks nach dem Schema 3-3-4-4 auf das Doppelalbum.
The JUDAS PRIEST is back..!!!
Die komplette Seite 1 ist PRIEST pur: das krachende, introlose Titelstück als Opener, dann der Ohrwurm „Lightning Strike“. „Evil Never Dies“ macht dieses Trio komplett. Das sind dreimal fette Gitarren, die besonders bei „Lightning Strike“ einen dieser Riffs produzieren, bei denen man sich fragt, warum in 50 Jahren Heavy Metal erst jetzt jemand auf diese Idee gekommen ist! Headbanger und Traditionalisten haben also erstmal ihre Knochen, um die sie sich balgen können.
21st Century Boys
Seite 2 kommt anders daher. „Never The Heroes“ baut die Spannung mit einem 120 bpm Keyboard-Akkord auf, der von einem Snare-Stakkato überlagert wird. Die Gitarren gehen erdig zu Werke und Ian Hills Bass bekommt zu tun. Rob Halford geht in die mittlere, mehr sonorere Tonlage. Dem ernsten Thema der im Stich gelassenen Kriegshelden/-veteranen sehr angemessen. „Necromancer“ hat Chöre zur Unterstützung und einen deutlich hymnischeren Unterbau. Der Song ist gewissermaßen eine Variation von „Halls of Valhalla“ vom Vorgängeralbum. „Children Of The Sun“ schließt diesen Abschnitt. Eine stampfende Beinahe-Halbballade, mit der PRIEST schon öfters nach der Reunion aufgewartet haben. Das beste Beispiel: „Worth Fighting For“ auf „Angel Of Retribution“.
Das Beste aus beiden Welten
Die dritte Seite ist stilistisch exakt zweigeteilt. Das 66-sekündige „Guardians“ ist ein instrumentales Keyboardpianointro. „Epitaph“ auf „Sad Wings Of Destiny“ oder „Eulogy“ vom vorerwähnten „Angel Of Retribution“ sind diesbezüglich die Vorgänger im Repertoire. Zugleich wird pünktlich zur Halbzeit mit „Rising From Ruins“ ein weiterer Song-Zwilling geschaffen, der zum Beispiel auf „Defenders Of The Faith“ keinesfalls fehl am Platze gewesen wäre.
„Flame Thrower“ indes ist eine ganz andere Kategorie. Mit Stakkato-Intro und einem Chorus, der wie aus dem Takt gefallen klingt, nimmt der Uptempo-Song das Thema des Titelstücks, die seelenlose Killermaschine, noch einmal auf. Dem Groove des Songs kann man sich maximal fünf Takte lang entziehen, dann fängt jeder Metalhead das Bangen an. „Spectre“ eröffnet mit einem eerie abgemischten, gegenläufigen Gitarrenintro, passend zum Thema der namenlosen Bedrohung aus dem Dunkel. Moderne, experimentelle Stilelemente schaffen hier ein neues Mitglied der Ahnenreihe, in der ein „Ripper“ oder der „Sentinel“ schon lange ihr Unwesen treiben.
Triumph des Verräters
Das letzte Quartett hat DEN Trumpf von „Firepower“ auf der Hand. JUDAS PRIEST beehren sich, der Nachwelt „Traitors Gate“ zu hinterlassen. Lediglich 5:34 Minuten brauchen die Altmeister, um auch dem grünsten Metal-Novizen unsere Welt zu erklären! Ein Song wie ein wuchtiger Block. Ausgewogene Riffs, ein toller Groove und Rob Halford legt nochmal eine Schüppe Kohlen nach. Das „Nightcrawler“-Intro deutet bereits an, in welcher Liga dieser Hammer spielt. „Hell Patrol“ ist hier ebenso mit einer Samenspende vertreten, wie „Jawbreaker“ und Halfords Solowerk „Silent Scream“.
Slow, Deep and Hard
„No Surrender“ ist das mit 2:54 Minuten eingangs erwähnte andere kurze Stück. Ein genre-typisches Rebellenepos, für das JUDAS PRIEST bereits auf „British Steel“ Anlauf genommen haben. Der Moment im Album, das dritte Fläschchen Bier zu köpfen.
In ersten Reviews durchaus kontrovers kommt „Lone Wolf“ davon. Der als Bluesrock arrangierte Seelenstriptease weiss nicht durchgehend zu gefallen. Ich muss sagen, dass der Ausflug zu den Wurzeln des Rock’n’Roll ganz passabel umgesetzt worden ist. Ironischerweise wurde über Jahrzehnte das Attribut des „einsamen Wolfes“ dem Gitarristen und Ex-Priester K.K. Downing zugeschrieben. Dies betraf insbesondere seine Haltung zu festen Beziehungen bzw. kurzen Affären on the road, denen er von allen Bandmitgliedern am wenigsten abgeneigt war.
Der Schlusspunkt von „Firepower“ ist „Sea Of Red“, einer waschechten power-unterfütterten Halbballade, vorbehalten. Ein lockeres Auslaufen nach über 50 Minuten Achterbahn der Abwechselungen.
And the Oscar goes to…
Knapp 850 Worte – jetzt kommen die Taten. Butter bei die Fische:
Ist „Firepower“ JUDAS PRIEST? — Ja, ja und nochmals ja!!! Es ist alles an Bord, was ein Priest-Album ausmacht. Und Halford liefert konstant ab, wie eigentlich jedesmal seit der Reunion. Was sich zudem auf „Redeemer…“ schon abzeichnete, wird hier vollends zum Pluspunkt: seine überstandenen Rückenprobleme geben dem Metal God die nötigen Reserven für eine ganz beachtliche gesangliche Leistung. Die Tour ab Mai – zunächst in den USA – kann kommen.
Ist „Firepower“ das nächste große Ding? — Nein. Aber das ist ein Manko nahezu aller Veröffentlichungen der letzten Jahre – quer durch den traditionellen Heavy Metal. Die Altvorderen wissen, wie es geht, ebenso wie die jungen Wilden, die ihre Lektionen schnell lernen. „Lightning Strike“ wird es über die Tour hinaus zu einem Stammplatz in der Setlist schaffen, „Traitors Gate“ wird eine neue Blaupause für Newcomer werden. Das übrige Dutzend bedient alle Sehnsüchte der PRIEST-Maniacs und wird neue Fans für die Band begeistern. Tom Allom und Andy Sneap haben einem würdigen Spätwerk einen erstklassigen Schliff verpasst.
… „Firepower“!!!
Betrachtet man die allerjüngste Bandgeschichte mit dem tragischen Statement zu Glenn Tiptons zukünftiger Rolle bei JUDAS PRIEST, ist „Firepower“ das metallisch-rot glühende Fanal einer weiteren Metalband aus Mittelengland. Und PRIEST muss sich beileibe nicht hinter ihren Weggefährten BLACK SABBATH mit deren musikalischer Coda „13“ verstecken. Im Gegenteil!!!
Ist „Firepower“ das Album des Jahres? — Bis jetzt eindeutig ja!!! Routine, viel Abwechselung, interessante Ideen in Produktion und Mixing sind die Punktebringer. Die Latte liegt für die kommenden neuneinhalb Monate verdammt hoch. Die Jagd ist eröffnet!!!
Hat „Firepower“ unnötige Längen? — Keine Antwort… Wir sollten froh sein, dass uns hier 14 Songs angeboten werden. Alle digitalen Medienträger sind mit einer Skip-Funktion versehen. Wem also „Children Of The Sun“ zu viel Klischee ist und „Lone Wolf“ zu flach daher kommt, dem bleiben immer noch befriedigende 45 plus X Minuten JUDAS PRIEST nach dem persönlichen Geschmack.
Finally for the Nerds
„Firepower“ erscheint primär als CD, digitaler Download und in unlimitiertem schwarzen Doppelvinyl. Diverse Distributoren wie Nuclear Blast, Century Media und EMP bieten farbige Vinyl-Varianten in kleiner 500er-Auflage an. Weitere couloured vinyls bringen es auf 1500 Exemplare, was eigentlich nicht mehr als „limitiert“ bezeichnet werden kann. Signierte Vinyle in spezieller Farbvariante sind bei der Band selber erhältlich gewesen, aber leider bereits vergriffen. Bei der Band kann via Pledgemusic jedoch in stark limitierter Auflage nach wie vor das Tape von „Firepower“ geordert werden. Format-Vollbedienung also..!!!
Bildquellen
- Judas Priest Firepower Vinyl: Bildrechte beim Autor
- Rob Halford Stage Shift: Bildrechte beim Autor
- Judas Priest Firepower Amazon: Amazon.de - 2018
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