BORKNAGAR – Interview mit Øystein Brun
English Version below
BORKNAGAR sind Headliner auf dem RAGE AGAINST RACISM – Festival 2022
Eigentlich wollte ich Øystein Brun von der norwegischen Band BORKNAGAR nur ein paar Fragen dazu stellen, wie es nach der Covid-bedingten Pause ist, wieder auf der Bühne zu stehen und endlich auch Titel vom 2019 veröffentlichten Album „True North“ zu spielen. Aber dann gab es weitere Fragen, die Øystein, die Dinge auf den Punkt bringend, beantwortet hat.
Mehr zu BORKNAGAR und ihren Alben gibt es hier und dort.
Ihr werdet auf dem RAGE AGAINST RACISM – Festival spielen, das aus bekannten Gründen zweimal ausfallen musste. Für uns heißt das jetzt: endlich wieder Konzerte, Festivals und insbesondere das RAGE, auf das wir uns besonders freuen. Wie ist es euch in der Covid-Zeit ergangen? Habt ihr die Zeit für Songwriting genutzt oder um neue Ideen auszuprobieren?
Du hast ja dein eigenes Studio und daher kann ich mir vorstellen, dass du z.B. zusammen mit Lars an Ideen für ein neues Album gearbeitet hast.
Nun, wie alle anderen haben auch wir die hässlichen Auswirkungen der Covid-Pandemie zu spüren bekommen, sowohl privat als auch beruflich. Aber letztendlich haben wir uns einfach an die Situation angepasst und das Beste daraus gemacht. Ich persönlich habe so ziemlich meine ganze Zeit in meinem Studio verbracht und an verschiedenen Projekten gearbeitet. In der Tat habe ich an vielen Ideen für das nächste BORKNAGAR-Album gearbeitet, aber noch mehr an externen Projekten aller Art. Die letzten paar Jahre waren also sehr intensiv, aber nicht auf eine schlechte Art und Weise. Nur ganz anders als das, was wir für 2019 geplant hatten.
Das Gefühl der Freiheit, Vielfalt und Ehrfurcht vor der Natur
Ihr wart in den letzten Wochen mit ROTTING CHRIST auf Nordamerika-Tour. Jetzt steht Europa auf eurem Plan und ihr werdet auch Konzerte in Deutschland spielen – und eben auch bei uns auf dem RAGE AGAINST RACISM – Festival als Headliner dabei sein. Wie war es für euch, nach langer Zeit wieder auf der Bühne zu stehen?
Es war einfach großartig, und das vielleicht wichtigste Gefühl für mich war der Gedanke an Freiheit. Die Möglichkeit zu reisen, Leute zu treffen, seltsames Essen zu essen und wieder unsere Shows zu spielen. Das war ein sehr starkes Gefühl. Außerdem war es ein Riesenspaß, wieder mit unseren guten Freunden von Rotting Christ zusammenzuarbeiten. Diese Jungs sind einfach Gold wert, persönlich und musikalisch, und ich bin so dankbar, dass wir diese belebenden Momente mit ihnen teilen konnten.
Das Rage Against Racism – Festival soll mit seinem Motto auch Zeichen setzen gegen Rassismus und jede andere Form von Engstirnigkeit. Ich kann mir vorstellen, dass euch das Thema grundsätzlich entgegenkommt, da eure Musik und auch die Texte Offenheit, Veränderung und das Prinzip der Entwicklung umsetzen. Welche Rolle spielen Umgang mit Engstirnigkeit, Vorurteilen und Rassismus für dich/ für euch als Band?
Engstirnigkeit, Vorurteile, Rassismus oder andere hasserfüllte und zerstörerische Mentalitäten sind ganz einfach NICHT mit unserer Musik oder unseren Texten vereinbar. Nicht im Geringsten. Seit den Anfängen der Band halte ich an den Ideen der Vielfalt, des Weitblicks, des freien Denkens und der Ehrfurcht vor der Natur fest. Für mich sind das einige der grundlegenden Werte, die das Leben selbst lebenswert, erstrebenswert und schützenswert machen. Ich wollte jedoch nie, dass BORKNAGAR irgendeine Art von politischem Gebilde ist, denn ein Grundwert der Band ist musikalische und textliche Unabhängigkeit. Für uns stand immer im Mittelpunkt, die Schönheit der Natur – mit all ihren Formen und Ausprägungen – zu projizieren und zu porträtieren, während wir uns von allem und jedem abwenden, was das Wohlergehen unserer Mitmenschen verdirbt.
Musikalische Entwicklung, Ehrlichkeit und Eigenständigkeit
Die Musik von BORKNAGAR war vom ersten Album an jeweils überraschend und dann immer wieder neu. Wie würdest du diesen (Entwicklungs)prozess beschreiben? Welche Einflüsse haben eine Rolle gespielt?
Gute Frage. Ich mache schon seit fast 30 Jahren Musik. Und ehrlich gesagt denke ich nicht mehr so viel über diese Dinge nach. Ich mache es einfach. Aber wenn es um die musikalische Entwicklung geht, denke ich, dass es dabei um Ehrlichkeit geht. Daher die Idee der musikalischen und lyrischen Unabhängigkeit. Ich habe es immer abgelehnt, irgendeiner Welle, einem Trend oder was auch immer zu folgen. Ich mag es einfach nicht, so zu tun, als ob ich etwas täte oder wäre, was ich nicht bin. Und ich denke, das hat die Ehrlichkeit und Eigenständigkeit unserer Musik über die Jahre hinweg hervorgebracht. Wenn man sich traut, wirklich persönliche Musik zu machen – unabhängig von Zeit und Raum – wird sich die Musik mit dem Alter entwickeln. Das ist die natürlichste Sache der Welt. Das Leben ist nicht statisch.
Seine Katzen stören sich nicht an (seiner) Musik
In einem Interview hast du Musik als Spiegel des Lebens bezeichnet. Das Leben dabei als eine Reise verstanden und auf die Rolle von Erinnerungen verwiesen. In welcher Hinsicht sind diese Gedanken und Themen in die Musik geflossen?
Welche Rolle spielen dabei z.B. (Kindheits-)Erlebnisse in der Natur, in der du viel Freiheit/wenige Einschränkungen hattest? War die Natur in ihrer Kraft und Schönheit, mit Gefahren ein guter Lehrmeister? Z.B. im Umgang mit (musikalischen) Grenzen oder Umgang mit Veränderungen?
Ja, wie ich eben schon sagte, habe ich mich immer bemüht, einen sehr menschlichen Zugang zu meiner Musik zu haben. In meinen Ohren ist die beste Musik diejenige, die in der Lage ist, alle Nuancen des Lebens zu erfassen und wiederzugeben. Die Höhen und Tiefen, die dunklen Zeiten und die hellen Zeiten. Die Herangehensweise mag unterschiedlich sein, aber letzten Endes ist Musik ein sehr menschliches Artefakt. Meine Katzen scheinen sich nicht allzu sehr an Musik im Allgemeinen zu stören. Für mich geht es also wirklich darum, die Klänge und Melodien zu finden, die in meinem Leben erklingen. Und in allen Aspekten meines Lebens.
Im Laufe der Zeit hat es einige Besetzungswechsel gegeben. Was hat zu dem ungebrochenen Willen, die Band dennoch weiterzuführen, beigetragen?
Der Funke, die flammende Leidenschaft, Musik zu machen, die ich liebe.
Das Anniversary – Album als Antwort auf illegale Veröffentlichungen
Ihr habt insgesamt 11 Alben herausgebracht. Hast du ein Lieblingsalbum? Was macht es dazu?
Oh, das ist eine schwierige Frage. Es hängt wirklich von meiner täglichen Stimmung ab, um ehrlich zu sein. Ich bin stolz auf alle Alben, die wir gemacht haben, es ist ein Teil unserer Geschichte und sie sind alle irgendwie miteinander verbunden und Teil der gleichen Reise. Aber ich muss zugeben, dass „True North“ sich sehr komplett und kraftvoll anfühlt, der kühnste Berg, den wir erklommen haben. Aber gleichzeitig liebe ich auch unser Debütalbum bis ins Kleinste. Es hängt also wirklich davon ab, wann du mich fragst….haha…
Im letzten Jahr habt ihr anlässlich des 25jährigen Jubiläums eures Debütalbums „Borknagar (25th Anniversary Re-issue 2021)“ herausgegeben. Die ursprüngliche Version habt ihr kaum verändert.
Wie war es, sich nach 25 Jahren wieder damit auseinanderzusetzen? Den damaligen Ideen zu begegnen?
Emotional. Um ehrlich zu sein, habe ich etwas gezögert, eine weitere Wiederveröffentlichung dieses Albums zu machen, da ich generell kein großer Fan von Wiederveröffentlichungen bin. Ich finde, ein Album sollte ein Zeugnis seiner Zeit sein, und ich ziehe es vor, nach vorne zu schauen. Im Laufe der Jahre gab es jedoch so viele schlechte und sogar illegale Wiederveröffentlichungen dieses Albums. So viele Leute haben ihr Geld für buchstäblich gefälschte Versionen des Albums ausgegeben. Die Nachfrage schien endlos zu sein. Also habe ich schließlich zusammen mit Century Media beschlossen, dem Ganzen ein Ende zu setzen.
Was habt ihr dann gemacht? In welcher Weise habt ihr die Chance genutzt, das Album aus einer aktuellen Perspektive noch einmal zu veröffentlichen?
Wir haben einige Jahre damit verbracht, die rechtlichen Aspekte des Albums zu bereinigen, und dann haben wir beschlossen, die ultimative Version zu veröffentlichen, ohne uns zurückzuhalten. Feuer mit Feuer bekämpfen, könnte man sagen. Außerdem wollte ich, dass es eine persönliche und würdige Veröffentlichung wird, also habe ich alles an diesem Album selbst gemacht. Es gibt ein echtes Remastering von den Original-Mixbändern, Texte und jede Menge Archivmaterial, das den Fans einen Blick hinter die Kulissen der Entstehung des Albums ermöglichen könnte.
Ich bin wirklich stolz auf diese Veröffentlichung!
Keine Bemalung und ein Name ohne Bedeutung
Und zum Schluss noch etwas, das ich mich immer mal wieder gefragt habe: Weshalb habt ihr damals auf die in der Zeit bei Black Metal Bands übliche Bemalung verzichtet? Um euch nicht auf einen Stil festzulegen? So wie der Bandname ‚keine Bedeutung‘ hat, sondern allein für die Band steht?
Ja, das ist genau richtig. Von Anfang an war die Grundidee der Band, mein eigenes musikalisches Universum zu schaffen, ohne musikalische oder lyrische Ansprüche in irgendeine Richtung. Ich wollte nicht in eine bereits etablierte Formel passen. Weder persönlich noch musikalisch. Ich wollte mich nicht verstellen. Ich bin ein Musiker, sicher, aber ich hasse die Vorstellung, ein Entertainer zu sein – oder ein ‚Affe im Käfig‘, wenn man so will. Das bin ich einfach nicht. Als dann Mitte der 90er Jahre alle anfingen, sich die Haare schwarz zu färben und Corpsepaint zu benutzen, ging mir eine Menge durch den Kopf. Aber ich habe mein Ding durchgezogen, so wie ich es immer getan habe. Prost an all die verrückten Kollegen da draußen.
Vielen Dank für die Antworten! Ich freue mich schon auf eure Show!
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BORKNAGAR are Headliner at RAGE AGAINST RACISM – Festival 2022
Actually, I just wanted to ask Øystein Brun a few questions about what it’s like to be back on stage after the Covid-related break and finally play tracks from the album „True North“, released in 2019. But then there were more questions, which Øystein answered to the point.
You will play at the RAGE AGAINST RACISM festival, which had to be cancelled twice for well-known reasons. For us, this means: finally concerts and festivals again. How have you been during the Covid time? Did you use the time for songwriting or to try out new ideas?
You have your studio, so I can imagine that you worked on ideas for a new album together with Lars
Well, like everybody else we felt the ugly bite of the Covid pandemic, both private and professionally. But at the end of the day, we just adapted to the situation and made the best out of it. Personally, I pretty much spent all my time in my studio working on various projects. Indeed working on loads of ideas for the next BORKNAGAR album, but even more so on external projects of all sorts really. So the last couple of years has been intense, but not in a bad way really. Just very different from what we planned back in 2019.
The feeling of freedom, diversity and reverence for nature
You have been on tour in North America with ROTTING CHRIST in the last few weeks. Now Europe is on your schedule, and you will also play concerts in Germany – and you will also be headlining the RAGE AGAINST RACISM festival. How was it for you to be on stage again after a long time?
It was just awesome and maybe the most significant feeling to me was the notion of freedom. Being able to travel, meet people, eat weird food and play our shows again. That was a very powerful feeling. Furthermore, it was such a blast to get back on track with our good friends in Rotting Christ. Those guys are just pure gold, personally and musically, and I am so greatful we could share these revitalizing moments with them.
The festival’s motto is also meant to set an example against racism and any other form of narrow-mindedness. I can imagine that this topic basically suits you because your music and also lyrics implement openness, change and the principle of development.
What role does dealing with narrow-mindedness, prejudice and racism play for you/you as a band?
Absolutely no role! Narrow- mindedness, prejudice, racism or any other hateful and destructive mentality are quite simply NOT compatible with our music or lyrics. Not the slightest. Since the very start of the band, I have been clinging on to the ideas of diversity, broad sight, free thinking and the awe of Nature. To me, these are some of the fundamental values that make life itself worth living, striving for and protecting. However, I never wanted BORKNAGAR to be any sort of political entity because a core value of the band has been musical and lyrical independence. So for us, the focal point has always been to project and portray the beauty of Nature- with all its shapes and forms- whilst we turn our back on everyone or everything that corrupts the well-being of our fellow human beings.
Musical development, honesty and independence
From the first album on, the music of BORKNAGAR was always surprising and then always new. How would you describe this (development) process? Which influences have played a role?
Good question. I have been doing this, making music, for almost 30 years and quite honestly I don’t reflect that much on these things anymore. I just do it. However, when it comes to musical development I think that this is all about honesty. Hence the idea of musical and lyrical independence I have always rejected following any wave, trend or what not. I just don’t like the idea of pretending to do or be something I am not. And I think this has brought forth the honesty and authenticity of our music throughout the years. If you dare to make genuinely personal music- independent from time and space- the music will develop as you age. The most natural thing in this world. Life is not static.
His cats are not bothered by (his) music
In another interview, you described music as a mirror of life. You understood life as a journey and referred to the role of memories. In what way did these thoughts and themes influence your music? What role do e.g. (childhood) experiences in nature, when you had a lot of freedom/ few restrictions, play? Was nature in its power, beauty and dangers a good teacher? E.g., in dealing with (musical) limits or dealing with changes?
Yes, as I said before, I have always strived to have a very human approach to my music. In my ears, the best music is the music that can hold and project all the nuances of life. The ups and downs, the dark times the bright times. The approach might vary, but at the end of the day, music is a very human artefact. My cats don’t seem to bother too much about music in general. So to me, it’s really all about finding the sounds and melodies that resound in my life. All aspects of my life.
Over time, there have been several line-up changes. What has contributed to the will to continue the band?
The spark, the flaming passion for making music that I love.
The Anniversary – Album as a response to illegal releases
You have released 11 albums in total. Do you have a favourite album? What makes it so?
Oh, that’s a tough one. It really depends on my daily mood, to be honest. I am proud of all albums we have done, it’s a part of our history and they are all somewhat connected and part of the same journey. But I have to admit that “True North” feels very complete and powerful, the most daring mountain we have climbed. But at the same time, I love our debut album to pieces as well. So it really depends when you ask me….haha….
Last year you released „Borknagar (25th Anniversary Re-issue 2021)“ to celebrate the 25th anniversary of your debut album. You hardly changed the original version. What was it like to revisit it after 25 years? To reencounter the ideas of that time?
Emotional. To be honest I was a bit hesitant doing another re-issue of that album, as I am not really a huge fan of re-releases in general. By default, I think that an album should stand as a testament to its time and I prefer to look forward. However, throughout the years there have been so many bad and even illegal re-releases of this album. So many people have spent their money on literally fake versions of the album. The craving seemed to be endless. So eventually I made a decision together with Century Media to make a stop to all this.
What did you do then? In what way did you use the chance to release the album again from a current perspective?
We spent some years cleaning up the juridical aspects of the album and then we decided to release the ultimate version with no holding back. Fight fire with fire, you might say. Furthermore, I wanted to make this a personal and worthy release, so I did everything on this album myself. Genuine re-mastering from the original mix tapes, lyrics and loads of archive material might give the fans a glimpse behind the curtains of how the album came to be.
I am really proud of this release!
No corpse painting and a name without meaning
And finally, one question that I have always asked myself: Why did you renounce the usual painting of Black Metal bands at that time? So as not to commit yourselves to one style? So that the band name has ’no meaning‘, but stands alone for the band?
Yes, that is pretty much correct. Since the very start of the band, the basic idea was to make my own musical universe with no musical or lyrical claims in any direction. I didn’t want to fit into any already established formula. Neither personal nor musical. I didn’t want to pretend. I am a musician, sure, but I hate the idea of being an entertainer- or a monkey in a cage if you will. That’s just not me. So when everybody started to dye their hair black and use corpse paint in mid 90’, loads of things crashed into my head. But I kept on doing my thing, as I have always done. Cheers to all my fellow oddballs out there!
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Bildquellen
- borknagar øystein brun rage interview 2022: Rage Against Racism; metal-heads.de 4.16
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