Interview mit Aðalbjörn Tryggvason von Sólstafir

Vor dem Konzert von Sólstafir am 13.12.2017 in der Kantine in Köln (hier der Bericht dazu!) hatte ich die Gelegenheit, mich mit dem Sänger Aðalbjörn Tryggvason zu unterhalten. Es wurde ein interessantes Gespräch über Menschen in schwierigen Situationen, die Unterschiedlichkeit des Publikums auf den Touretappen und schließlich noch über Weihnachtsmänner.
Im Juni habt ihr das Album „Berdreyminn“ heraus gebracht. Kannst du bitte erklären, was „Berdreyminn“ bedeutet, da es dafür kein deutsches Wort gibt.
Berdreyminn – das ist wirklich schwierig zu erklären. Ein Berdreyminn ist jemand, der von Personen träumt und sie dann – manchmal Jahre später – tatsächlich irgendwo trifft. Du träumst von einer Person und dann begegnest du ihr tatsächlich. Das ist manchmal richtig krass. Ich bin so ein Berdreyminn. Es ist daher eine persönliche Geschichte. Es war nicht meine Idee, das Album so zu nennen, aber es passte zu den Themen und daher war es für mich in Ordnung.
Das Album handelt von Themen wie Missbrauch in der Familie, psychischen Erkrankungen, Suizid. Eben von all den schwierigen Situationen, in die Menschen kommen. Um den Kampf mit den eigenen Schwierigkeiten und gegen die eigenen Dämonen. Es geht darum, diese Themen anzusprechen. Man muss darüber reden. Es trifft dich hart, wenn du von Menschen aus deiner Familie, im Freundeskreis oder deiner näheren Umgebung hörst, dass sie jahrelangen Missbrauch erlebt haben, psychisch große Probleme oder einen Suizidversuch hinter sich haben. Da darf man nicht schweigen. Und in Island sprechen wir viel darüber. Gerade bei nahe stehenden Personen trifft es einen sehr. Ich komme aus einem kleinen Fischerort. Bei einem Lawinenunglück sind viele Menschen ums Leben gekommen. Das trifft dich, wenn du ihnen so nahe bist.
Wird in Island mehr über solche Themen gesprochen, weil ihr eine kleinere Bevölkerung habt als die anderen europäischen Länder?
Ja, ich denke schon, dass in Island viel mehr über diese Themen gesprochen wird als in andern Ländern. Die Menschen sind sich näher und wenn etwas Schlimmes passiert, dann trifft es alle. Außerdem ist uns die Natur mit ihrer Kraft und Intensität sehr nah.
Ist das etwas, was eure Musik stark beeinflusst? Gibt es deshalb einen typisch isländischen Klang in der Musik? Die isländische Musik wird oft als atmosphärisch düster beschrieben. Hat das mit dem zu tun, was du gerade erzählt hast?
Wir sind alle geprägt von dem, woher wir kommen. Ja, ich denke unser Sound ist ein isländischer Sound. Und auch die anderen isländischen Bands haben einen Sound, der sich von anderer Metal-Musik unterscheidet. Sicher sind wir auch beeinflusst z.B. von Ennio Morricone, englischer Rockmusik oder norwegischem Black-Metal. Aber trotzdem ist unser Sound isländisch.
Wie würdest du die isländische Metal-Szene beschreiben. Wodurch unterscheidet sie sich zum Beispiel von der deutschen Szene?
In Island ist jeder in einer Band. Und eigentlich spielt jeder Musiker in verschiedenen Bands. Wie du weißt, habe ich Songs mit Skálmöld eingespielt und mit anderen in einer Metallica-Cover-Band gespielt. Und so gibt es immer Verbindungen und Zusammenarbeit mit anderen Musikern.
[Dies konnte man auch beim Konzert in Köln sehen: Hallgrímur Jón Hallgrímson spielte im Set von Árstiðir Schlagzeug und Ragnar Ólafsson, der Keyboarder von Árstiðir spielte im Set von Sólstafir.]
Ihr seid in diesem Jahr lange auf Tour gewesen. Gab es große Unterschiede darin, wie das Publikum in den verschiedenen Ländern auf eure Musik reagiert hat?
Ja, da gibt es große Unterschiede. In manchen Ländern sind die Leute hungrig nach der Musik, weil sie nicht so viele Möglichkeiten haben, Konzerte zu hören. In manchen Städten spielen täglich so viele Bands, dass es nichts Besonderes mehr ist. Manchmal merkt man das. Wir haben in Städten wie London oder Berlin tolle Konzerte gespielt. Ich glaube aber, dass die Leute andere Erwartungen an die Konzerte haben und etwas anderes mitnehmen.
Wenn du jetzt nach der Tour zurück nach Island kommst, was wirst du als erstes tun, das nur in Island möglich ist?
Als erstes werde ich mit meiner Tochter einen Weihnachtsbaum kaufen und ihn schmücken. Das machen wir immer erst kurz vor Weihnachten, da unsere Katze einen Riesenspaß mit so einem geschmückten Baum hat und der das wohl nicht lange aushalten würde. (lacht)
Seit gestern sind ja auch die Jólasveinar wieder auf ihrem Weg zu den Häusern. Ich liebe diese Geschichte ….. Hast du einen Lieblings-Jólasveinn?
(Jólasveinar sind so etwas wie Weihnachtsmänner. Die Isländer haben 13!)
(lacht) Ja, das ist dann wohl Hurðaskellir (der Türzuschläger, der die Leute mit Türenknallen ärgert). Es ist lustig, dass du danach fragst, weil ich mich vor kurzem noch mit anderen Leuten darüber unterhalten habe, dass man die meisten Jólasveinar wohl ins Gefängnis stecken würde. Vor allen Dingen Gluggagægir (der Fensterglotzer, der bei den Leuten in die Zimmer guckt) und Gáttaþefur (der unter den Türschlitzen schnüffelt).
Ist es tatsächlich so, dass in Island Bücher ein sehr beliebtes Weihnachtsgeschenk sind?
Ja, wir schenken gerne Bücher, weil wir Geschichten mögen. Wir Isländer hören gerne Geschichten, reden viel miteinander, erzählen Geschichten – auch in der Musik. Das ist vielleicht typisch für Island.
(Er verweist auf mein T-Shirt, auf das der Titel des Buches, das Snæbjörn Ragnarsson von Skálmöld geschrieben hat, gedruckt ist.)
Das ist auch ein tolles Buch. Es handelt von unseren Anfangszeiten. Als wir keinen vernünftigen Proberaum hatten, ausprobiert und diskutiert haben.
Das ist sicher nicht typisch isländisch, aber der Weg, den die meisten Metalbands gegangen sind. Mit Sólstafir spielen wir inzwischen in vielen Ländern und auf großen und kleinen Bühnen. Hier in Köln sind wir auch schon in kleinen Locations aufgetreten.
Ihr wart ja in den letzten Tagen krank. Geht es jetzt allen wieder besser?
Ja, wir sind wieder ok und werden nachher keine Probleme haben.
Vielen Dank an Aðalbjörn Tryggvason für das nette und sehr ausführliche Interview!
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Bildquellen
- Sólstafir Aðalbjörn Tryggvason: Amamzon
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