Days of the Lost von The Halo Effect
Die etwas andere Newcomer-Band
Ein paar Freunde schließen sich zusammen, gründen eine Band und dann kommt bald darauf ihr erstes Album – alte Story, neu erzählt: Denn ganz so leicht lässt sich Days Of The Lost von The Halo Effect nicht auf einen Nenner bringen. Hinter der Formation stecken nämlich keine geringeren als fünf Altmeister des stilprägenden Göteborger Melodic Death Metal. Namentlich Mikael Stanne (Gesang), Niclas Engelin und Jesper Strömblad (beide Gitarre), Peter Iwers (Bass) und Daniel Svensson (Schlagzeug).
Altmeister des Melodic Death Metal
Alle fünf sind oder waren mit In Flames verbandelt. Vier der Musiker zählten früher – oder im Falle Engelins zählen immer noch – zu den Stammspielern. Mikael Stanne ist vor allem als Frontmann von Dark Tranquillity und ferner auch von Grand Cadaver bekannt. Er half in der Anfangszeit bei In Flames aus. Mitte der 1990er Jahre war der Posten des Sängers vakant. Deshalb ist Stanne auf ihrem Debüt Lunar Strain zu hören. Langer Rede kurzer Sinn: Nach dem Debütalbum von The Halo Effect lechzten lange vor dem Erscheinungstermin am 12.08.2022 große Massen von Fans – sowohl der beiden Göteborger Formationen als auch des Melodic Death Metal insgesamt.
Sammelwahn im Vorfeld der Veröffentlichtung
Folgerichtig gab es im Vorfeld einen regelrechten Sammelwahn, den das Label Nuclear Blast geschickt inszeniert hat. Insgesamt vier Auskopplungen wurden über die Wochen und Monate vor dem Erscheinungstermin von Days Of The Lost als aufwendiges und liebevolles Sammelvinyl (mit Remixes auf den jeweiligen B-Seiten unter anderem von Ihsahn von Emperor), als Downloads und mit perfekt produzierten Musikvideos veröffentlicht. Die Fans konnten vorher schon eine breite Produktpalette Bandmerch erwerben.
Melodic Death Metal par excellence
Das Album selbst ist unter anderem als limitierte Sammelbox für rund 70 Euro erhältlich. Darin enthalten sind das Album auf Vinyl und CD, eine Blue-Ray mit einer etwa fünfunddreißigminütigen Doku über die Bandgründung und die Entstehung des Albums, ein Poster und ein recht großformatiger Bildband (Earbook) mit einer kommentierten, fotodokumentarischen Zusammenfassung der Arbeit an den ersten Singles und der Blue-Ray-Doku. Zweifellos ein Profi-Aufschlag allererster Marketing-Güte für das Debüt des Quintetts. Die Scheibe stieg dann auch aus dem Stand auf Platz sechs der deutschen Albumcharts ein. Völlig verdient, denn Days Of The Lost (10 Songs, 40 Min.) ist durchweg handwerklich großartiger, grundsolider Melodic Death Metal par excellence.
Alle Erwartungen werden erfüllt
Das Album beginnt ohne eigenständiges Intro nach einem zwanzigsekündigen, synthetischen Crescendo mit der ersten Single Shadowminds. Die Riffs treiben den Song nach vorne, Stannes Growling schreit einem aggressiv ins Gesicht. Sofort ist klar, die Erwartungen werden zu hundert Prozent erfüllt. Das ist Melodic Death Metal, wie er sein muss: Massive, zweistimmiges Riffs, treibende Grooves und eingängige Melodien.
Unangekündigt: Cleane Gesangsparts
In Sachen Gesang ragt In Broken Trust, der fünfte Track, aus dem Melodic-Death-Metal-Wunschkonzert heraus. Düster, bedrohlich, dunkel – bis Stanne zum ersten Mal clean singt. Das kommt unerwartet, weil alle vier Singleauskopplungen solche Gesangspassagen nicht enthalten hatten. Ansonsten läuft alles so, wie die vier Singles es angedeutet hatten.
Matt Heafy von Trivium zu Gast
Wenn dann ein Streicher-Intro Last Of Our Kind als neunten Song eröffnet und sich die Klangfarbe des Albums plötzlich ändert, hält man unweigerlich inne. Der Track selbst ist wieder recht klassisch, hat aber ein paar unerwartete Überraschungen parat. Das gilt einerseits, weil er grundsätzlich zu den komplexeren des Albums zählt, andererseits weil der Gesang den Song wahrscheinlich zu einem bemerkenswerten Denkmal des Genres machen wird. Nach den ersten, brachial tief gesungenen Refrains steigt Trivium-Sänger Matthew Heafy als Gast ein. Sein Duett mit Mikael Stanne verpasst dem Song einen markanten, eigenen Charakter. Es erzeugt einen ganz besonderen Drive und schenkt dem Stück eine ungewöhnliche, musikalische Varianz.
Lyrische Retrospektiven
Die Lyrics des Albums handeln von Seelenleben und inneren Dämonen, von Lügen und Wahrheiten, von Einsamkeit versus Zugehörigkeit und den Geistern der Vergangenheit – und davon, dass sie nicht die Oberhand gewinnen sollen. Die lyrischen Retrospektiven passen zur Entstehung der Band und den Jahrzehnte alten Freundschaften dahinter. Sie gründen in den Jugendzeiten der Bandmitglieder, als man sich einer Musikszene zugehörig und gleichzeitig von der eigenen Umwelt völlig missverstanden fühlte, wie aus der Blue-Ray-Doku hervorgeht.
Fazit: Einfach großartig
Insgesamt ist das Album einfach großartig. Es ist ganz exakt so, wie erwartet, so wie es sein soll. Die Scheibe ist durchweg überzeugend, kompromisslos, aus einem Guss. Göteborger Melodic Death Metal absolut oberster Güte mit allem drum und dran. – Auf Tour sind The Halo Effect aktuell mit Amon Amarth und Machine Head.
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Bildquellen
- The Halo Effect Days Of The Lost: Amazon
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